Wahrheit 1: Es ist immer noch schwer für Menschen mit Depressionen sich zu outen

Weitere Aufklärungsarbeit ist dringend notwendig, damit die Krankheit mehr Akzeptanz in der Bevölkerung erlangt und es Betroffenen leichter fällt, die Krankheit zu akzeptieren und offen damit umzugehen. Die Depression wird im Vergleich zu früher schon häufiger akzeptiert, dennoch ist die Krankheit immer noch schambehaftet, insbesondere bei Männern. Tatsächlich lassen sich nur wenige von einem Arzt helfen, dabei sind Depressionen besser behandelbar als viele denken. Doch: Nur wer die Krankheit anerkennt, kann den Weg der Heilung antreten.

Wahrheit 2: Depression kann jeden treffen

Auch ein fröhliches Temperament schützt nicht vor der Erkrankung. Tatsächlich soll sie jeden treffen können. Meist schlummern die Anlagen eines Menschen zu einer Depression für lange Zeit im Verborgenen. Oft führt ein Auslöser wie psychischer Stress, aber auch vermeintlich schöne Momente wie eine Geburt, zu einer ersten Krankheitsphase. Die Ursache einer Depression liegt entweder in genetischen Anlagen (vererbt) oder in erworbenen Anlagen wie z.B. ein Trauma in der Kindheit. Nicht jeder, der diese Anlagen hat, erkrankt auch tatsächlich, doch das Risiko derjenigen ist deutlich erhöht. 

Wahrheit 3: Hinter der Krankheit steckt ein gestörter Gehirnstoffwechsel

Im Gehirn wirken sogenannte Neurotransmitter zwischen den verschiedenen Synapsen der Nervenzellen. Darunter zählen auch die Botenstoffe Serotonin, Adrenalin und Noradrenalin. Serotonin zum Beispiel steuert Freude und Noradrenalin sorgt für Antrieb. Wenn uns etwas von diesen Botenstoffen fehlt, können wir psychisch krank werden. Zusätzlich fehlt es einem Depressiven an Nervenwachstum. Depression ist eine Stresskrankheit und Stress lässt Areale im Gehirn schrumpfen. Je nachdem, wie sehr das Zusammenspiel der Hirnregionen aus dem Takt geraten ist, zeigen sich unterschiedliche Grade der Erkrankung: Ärzte sprechen von leichten, mittelschweren und schweren Depressionen.

Wahrheit 4: Antidepressiva machen nicht abhängig

Anders als häufig behauptet, machen Antidepressiva nicht abhängig. Sie stellen die Patienten meist nicht ruhig und verändern nicht die Persönlichkeit. Es gibt mittlerweile Antidepressiva mit sehr wenigen Nebenwirkungen auf dem Markt. Diese Medikamente wirken direkt im Gehirn als Serotoninwiederaufnahmehemmer. Dort modifizieren sie die Menge des Serotonins und Noradrenalins, so dass der eigene Antrieb wieder erhöht wird und die Stimmung steigt. Die Symptome wie Depression und Antriebsstörung gehen damit zurück. Wenn diese Antidepressiva nicht wirken, gibt es andere Präparate, die helfen können. Das muss der Arzt individuell prüfen.

Wahrheit 5: Depressive sind nicht gefährlich

Schwer Depressive haben auch Selbsttötungsgedanken. Sie fühlen sich minderwertig, als Last für ihr Umfeld, können ihre Gefühle nicht spüren oder wollen diesem unerträglichen Zustand ein Ende setzen. Ganz selten kommt es vor, dass ein Depressiver einen sogenannten erweiterten Suizid begeht. Damit ist gemeint, dass jemand meistens sehr nahe Angehörige mit in den Tod nimmt. Der Impuls dazu ist oft ein altruistischer Gedanke: Der Kranke möchte die Geliebten nicht in der schrecklichen Situation zurücklassen. Häufiger ist jedoch die einsame Selbsttötung. Der Amoklauf des Co-Piloten der Germanwings Airline, der 150 Menschen mit in den Tod riss, ist nicht auf eine Depression zurückzuführen.

Wahrheit 6: Die einzelnen depressiven Episoden sind heilbar

Ärzte nennen den Ausbruch einer Depression nach einem bestimmten Auslöser eine depressive Episode. Diese depressive Episode ist heilbar. Mit einer auf den Patienten abgestimmten Therapie können die Symptome wieder vollständig zurückgehen und der Patient ist danach wieder belastbar. Die Therapien sind sehr individuell - sie reichen von stützenden Gesprächen über Psychotherapie bis hin zur Medikation, also Psychopharmaka-Therapie. Insbesondere bei schweren Depressionen ist eine Kombination von Psychotherapie und Psychopharmaka-Therapie erforderlich. Dennoch kann nach einer erfolgreichen Heilung ein nächster Auslöser zu einem späteren Zeitpunkt eine neue depressive Episode hervorrufen.

Wahrheit 6: Depressionen erleiden Männer wie Frauen – doch der Umgang ist verschieden

Die Akzeptanz einer Depression ist bei Frauen meist größer als bei Männern. Männer verdrängen die Erkrankung eher als Frauen. Lange halten sie ihre Beschwerden für normale Alltagsprobleme: Schwäche zeigen und Überforderung offenlegen fällt den meisten Männern schwer. Sie stürzen sich noch mehr in Arbeit, sind ständig gereizt - bis sie völlig ausgebrannt sind. Aus diesem Zusammenhang ist der Begriff Burnout entstanden, ein Krankheitsbegriff, mit dem sich auch Männer anfreunden und sich etwas leichter zu ihrer Depression bekennen.

Wahrheit 8: Elektroschocks zerstören nicht das Gehirn

Elektroschocks zerstören nicht das Gehirn, sie lassen geschrumpfte Hirnregionen wieder wachsen. Wenn Psychopharmaka nicht mehr anschlagen und auch keine Therapie hilft, sind Elektroshocks für schwer an Depressionen erkrankte Menschen meist die letzte Rettung. Nahezu jede psychiatrische Klinik in Deutschland führt die Elektrokrampftherapie mehrere 100-mal im Jahr durch. Weltweit ist sie ein anerkanntes Verfahren. Die Patienten sind dabei in Vollnarkose. Ein Medikament hat ihre Muskeln weitgehend entspannt, damit sie sich nicht verletzten. Mit niedrigen Stromimpulsen wird ein epileptischer Anfall gezielt ausgelöst. Zur Kontrolle für die Ärzte zeigt nur ein krampfender Fuß an, dass die Behandlung wirkt. Sie dauert 20 und 30 Sekunden. Die Behandlung wird sechs bis zwölfmal wiederholt.

Wahrheit 9: Schlafentzug Therapie kann bei Depressionen helfen

Depressive leiden oft an Schlafstörungen und Schlafmangel. Da liegt der Gedanke nahe, dass Schlaf, das ist, was die Patienten benötigen. Kurioser Weise ist aber festgestellt worden, dass gerade ein Schlafentzug bei vielen Patienten am nächsten Tag zu einer deutlichen Stimmungsverbesserung führt. Studien belegen, dass der Schlafentzug bei diesen Patienten dafür sorgt, die schlaffördernden Areale im Gehirn zu stärken und die wachheitsfördernden Areale etwas zu dämpfen. Als Resultat können die Patienten danach besser schlafen.

Wahrheit 10: Jede Depression ist anders und so sind auch die Therapien individuell

So wie jeder Mensch individuell ist, ist auch seine Depression individuell. Es gibt nicht die eine richtige Therapie, die bei allen angewendet werden kann. Bei dem einen Patienten hilft eine leichte Gesprächstherapie, der nächste verträgt nur ein bestimmtes Medikament, bei einem anderen hilft Schlafentzug und beim nächsten nur - wie eine neue Studie untersucht Ketamin (ursprünglich ein Narkosemittel für große Tiere). Es ist die große Aufgabe des Arztes und des Patienten herauszufinden, welche Therapie hilft.