Drei Filme - zwei Datenerhebungen - Olaf Jacobs: "Mit dem Wahlabend 2017 fing alles an"
Ein außergewöhnliches Angebot im rbb Fernsehen: Ostfrauen - drei Filme, zwei wissenschaftliche Datenerhebungen. Die Filme als emotionalen Kern, die präzisen Datenauswertungen als zusätzliche Dimension, so hat das Team um Produzent Olaf Jacobs sein Projekt von Anfang an verstanden. Die wissenschaftlichen Arbeiten finden Sie hier auf der Seite zum Download.
So gehören zu den Filmen über Frauen und den Texten von Frauen in diesem Webangebot selbstverständlich auch die Studie "Ostfrauen - Wege zur Macht" von Michael Schönherr und Olaf Jacobs sowie die wissenschaftliche Datenkommentierung "Ostfrauen - Mythos und Wirklichkeit" von Hildegard Maria Nickel und Martin Kopplin.
Abgleich an der Realität
Die Filmemacher wollten überprüfen, ob ihr Thema auch tatsächlich ein gesellschaftliches Thema ist. "Weil die Recherchen dazu durchaus interessante Ergebnisse brachten, die der Hintergrund für die Filme sind, ohne in den Details darin ausgeführt zu werden, haben wir sie online und in Sachbeiträgen öffentlich gemacht", so Jacobs.
Der Ausgangspunkt lag für das Filmteam in gewisser Weise am Abend der Bundestagswahl 2017. In der sogenannten "Elefantenrunde" saßen mit Angela Merkel, Katja Kipping und Katrin Göring-Eckardt, drei Frauen. Alle drei haben eine ostdeutsche Biografie. Auf den anderen Kanälen waren mit Manuela Schwesig, Frauke Petry und Sahra Wagenknecht weitere Politikerinnen zu hören, die aus dem Osten kamen. Das fiel auf und war ein Startpunkt für die Recherchen und in gewisser Weise auch für die Filme. Und wie Jacobs ergänzt, "da stellt sich natürlich auch ein wenig die Frage: Wo ist eigentlich der ostdeutsche Mann?"
"Wir haben als Journalisten recherchiert und eigene Daten erhoben sowie vom GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften - aus deren ALLBUS Datenbank umfangreiches Material zur Entwicklung von Einstellungen, Wertemustern und Verhaltensweisen erhalten", erläutert der Produzent. Frau Prof. Nickel von der Humboldt-Universität zu Berlin hat dazu die wissenschaftliche Interpretation geschrieben.
89er Umbruch für Frauen einschneidender als für Männer
Da zeigt sich, was in Medien und Politik wie eine Erfolgsgeschichte aussieht, bietet anhand der Daten ein ernüchterndes Bild: Mehr Frauen wurden arbeitslos, mehr Frauen sind weggegangen. Das prägt nicht nur die Betroffenen, sondern Familien, Kinder und damit mehr als eine Generation und sogar ganze Regionen. "Persönlich ist mein Eindruck, dass der Umbruch 1989 und die Transformationszeit danach für Frauen noch einschneidender war, als für Männer", sagt Jacobs.
Interessant sei aber auch, dass von den besonderen ostdeutschen Emanzipationserfahrungen das ganze Land profitiert habe. Schaue man auf die Daten im Detail, zeigen die Haltung zu arbeitenden Müttern, zur Kinderbetreuung aber auch zu Rollenbildern eine deutliche Bewegung aufeinander zu. Das weicht von anderen gesellschaftlichen Bereichen ab, in denen es primär einen Angleich des Ostens an den Westen gibt.
"Insofern erzählen wir mit dem Projekt interessante Geschichten", so Jacobs "und regen hoffentlich hier und da zum Nachdenken und zur Diskussion an".
Ullrich Nicklisch, Interview mit Olaf Jacobs