- Sisyphos am Görlitzer Park - Berlins vergeblicher Kampf gegen die Drogen

Die Berliner konsumieren geschätzte 3,6 Tonnen Heroin im Jahr, und auch beim Koksen sind sie in Deutschland Spitze. Und was ist die staatliche Antwort darauf? Razzien hier und da, plus die Verfolgung von Kleindealern wie im Görlitzer Park. Der Drogenhandel hat sich inzwischen so sehr professionalisiert, dass der Kampf kaum noch zu gewinnen ist. Ist begrenzte Legalisierung für weiche Drogen ein Ausweg

Olaf Schremm
Leiter Drogendezernat LKA Berlin

„Berlin ist eine Partystadt. In Berlin wird alles geschnupft, getrunken, gespritzt, inhaliert."
„Hauptsache es macht lustig. Hauptsache es macht den 24-Stunden-Tag zum 48-Stunden-Tag, damit man drei Tage durchfeiern kann."
„Da hat Berlin schon bundesweit eine kleine Exotenstellung inne."

Mit Law and Order versucht die Polizei diese Exotenstellung Berlins in Sachen Drogen zu unterbinden. Seit Jahren immer wieder auf die gleiche Art.

Gebracht hat es bislang wenig, denn gerade in Berlin ist es sehr einfach, an Drogen zu kommen, sagt der Leiter des Drogendezernats beim LKA Olaf Schremm. Jede Droge hat sogar ihren eigenen Vertriebsweg.

Olaf Schremm
Leiter Drogendezernat LKA Berlin

„Das ist die Hasenheide, das ist der Görlitzer Park. Da sind auch noch andere Bereiche. Das bezieht sich aber hauptsächlich auf Cannabisprodukte. Das sieht bei den anderen Rauschgiftarten ganz aus: Die klassische Art für die synthetischen Drogen, wenn es um die Kräutermischung geht, ist z.B. das Internet. Bei Heroin haben Sie einen Vertrieb, der sich in letzter Zeit auf den Bereich der U-Bahnhöfe verstärkt konzentriert hat. Und beim Kokain haben Sie einen richtigen Lieferservice. Da können Sie sich auf Bestellung das Gift nach Hause liefern lassen. Wie einen richtigen Pizza-Service müssen Sie sich vorstellen."

Allein im Görlitzer Park hat es dieses Jahr bereits über 70 Polizei Einsätze gegeben, Razzien gibt es gefühlt jede Woche. Aber für die Polizei ist das oftmals nur ein mühsames Krümelpicken:

Olaf Schremm
Leiter Drogendezernat LKA Berlin

„Wir bekommen nicht den ganzen Kuchen, sondern nur ein paar Stücke und versuchen die größten rauszufischen."

Aber es hilft alles nichts, denn die Dealer stehen immer noch an fast jedem Eingang zum Park und verkaufen weiter - vor allem Cannabis.

Die Stimmung im Kiez ist angespannt: Einige Bewohner beschweren sich, Autonome verüben Anschläge gegen zunehmende Polizeipräsenz.

Um die Situation zumindest im Park zu entschärfen holt daher die Grüne Bürgermeisterin im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg eine alte Forderung wieder auf den Tisch: Sie will die weiche Droge Cannabis legalisieren.

Monika Herrmann (Bü90/Die Grünen)
Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg

„Den Schwarzmarkt haben wir nicht unter Kontrolle. Weder die Polizei, noch ein kleines Bezirksamt, noch die Bundesregierung, noch Europa, noch die UN. Das ist ein weltweites Thema. Das darf man auch nicht unterschätzen. Es werden Milliarden von Dollar und Euros damit verdient. Man kriegt es so nicht in den Griff. Diese Erfahrung haben wir inzwischen. Und deswegen appellieren wir sehr stark von Friedrichshain/Kreuzberg aus, doch vielleicht doch noch einmal umzudenken, es nicht ideologisch zu betrachten, sondern zu sagen: „So, wir haben jetzt die Erfahrung jahrzehntelang, lasst uns doch mal einen anderen Weg gehen und es wenigstens auszuprobieren."

Ihre Partei setzt sich daher für Coffeshops ein, in denen Cannabis eben kontrolliert abgegeben werden kann.

Das wäre alle mal besser, als wenn das Gras weiterhin im Park frei verkauft wird - ohne Jugendschutz, ohne Gesundheitsschutz, ohne Kontrolle.

Außerdem gibt es durchaus Positivbeispiele aus anderen Ländern: In Greenvalley/Colorado, USA dürfen speziellen Apotheke Cannabis auf Rezept verkaufen. Übrigens: Der Konsum ist dadurch keineswegs gestiegen. Dazu kommen: über 1000 neue Arbeitsplätze und zusätzliche Steuereinnahmen in Millionenhöhe.

Monika Herrmann (Bü90/Die Grünen)
Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg

„Das ist, was mich in der Debatte am allermeisten irritiert. Wir machen mit Alkohol und mit Zigaretten. Da haben wir ein relativ hohes Steuereinkommen als Bundesrepublik. Und dass sich der Staat das entgehen lässt bei Cannabis. Das habe ich noch nicht wirklich verstanden. (…) Wenn wir für jedes Tütchen 50 Cent nehmen würden, glaube ich, dann wären einige Bezirke, die Hauptumschlagsplätze sind, mit ihren Bezirksfinanzen wieder ganz gut voran."

Mehr Geld, das in die Prävention gesteckt werden kann.

Olaf Schremm vom LKA möchte sich ungern zu dem umstrittenen Thema äußern. Aber eine Legalisierung hätte durchaus Vorteile:

Olaf Schremm
Leiter Drogendezernat LKA Berlin

„Würden wir Personal einsparen, Fragezeichen? Wir könnten uns dann auf möglicherweise mehr auf Heroin und Kokain konzentrieren, aber die Arbeit würde dadurch nicht weniger werden."

Selbst die Weltdrogenkommission hat in ihrem Bericht von 2011 festgestellt, dass mit den alten Mittel:

Zitat:
„Der weltweite Krieg gegen die Drogen gescheitert ist."

An dem Bericht haben hochrangige Persönlichkeiten wie Kofi Annan und der ehemalige GenSek der EU Javier Solana mitgearbeitet.

Sie fordern, man solle endlich umdenken

Zitat:
„Das Tabu brechen"

„Diese Empfehlung gilt insbesondere für Cannabis"

Aber für die CDU kommt eine Legalisierung nach all dem immer noch nicht in Frage. Weiterhin heißt es:

Zitat:
„Die Politik darf nicht zum Dealer werden."

Im Übrigen fällt es schwer, die Lösungsvorschläge der CDU im Bezirk Kreuzberg ernst zu nehmen, wenn dort ein:
„Politiker fordert: Zäune höher im Görli und nachts abschließen."

Die Partei möchte die Zeichen anscheinend nicht erkennen. Aber ohne die CDU geht es nicht. Eine Legalisierung von Cannabis wäre eine bundespolitische Entscheidung. Und dafür wird es langsam Zeit.

 

Beitrag von Iris Marx