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Einhellig fordert die Berliner Politik - getrieben von der drängenden Wohungsnot in der Stadt - sowohl saftige Preisnachlässe als auch ein kommunales Vorkaufsrecht vom Bundesfinanzminister, sobald es um die anstehenden Verkäufe von rund 1700 bundeseigener Immobilien in Berlin geht. Die Bundesimmobilienagentur jedoch ist laut Gesetz dazu verpflichtet, nicht mehr benötigtes Immobilieneigentum zum höchstmöglichen Preis zu veräußern, damit Geld in den Bundeshaushalt gespült wird.
Anmoderation
Bezahlbare Wohnungen im Innenstadtbereich, das ist ja ein Dauerbrennerthema für die Berliner. Dabei gäbe es für das Land Berlin jetzt eigentlich eine gute Gelegenheit, günstig an Immobilien heranzukommen: Der Bund will etliche seiner Filetgrundstücke in Berlin verkaufen. Der Haken an der Sache ist nur: Bundeseigene Immobilien dürfen nur an den Höchstbietenden verkauft werden. Hat das arme Berlin trotzdem eine Chance? Andrea Everwien mit Hintergründen.
47.000 Quadratmeter Gewerbebrache mitten in der Stadt: das sogenannte Dragoner-Areal – ein Leckerbissen für Immobilienspekulanten. Innerhalb des S-Bahn-Rings nach dem Tempelhofer Feld eine der größten zusammenhängenden bebaubaren Flächen in öffentlicher Hand.
Sonntagnachmittag in Kreuzberg, Mehringdamm/Ecke Obentrautstraße. Rund 30 Nachbarn und Angehörige von Mieterbündnissen wollen, dass auf dem Dragoner-Areal preiswerte Wohnungen entstehen, damit Druck aus dem Mietenmarkt genommen wird.
Demonstrantin
"Ich bin selber von Verdrängung bedroht und deshalb interessieren mich solche Initiativen. Wir haben massive Modernisierungsankündigungen, die auch sehr bald in die Tat umgesetzt werden, die zu drastischen Mieterhöhungen führen werden – das ist das übliche Programm."
Das Dragoner-Areal ist ein Filetgrundstück – historische Gemäuer inklusive. Ein sorgfältig sanierter Pferdestall, zum Beispiel. Das Gelände gehörte nämlich zur sogenannten Dragonerkaserne – ab 1850 gebaut, damals noch vor den Toren der Stadt.
Heute gehört es dem Bund, dem Steuerzahler also. Die BImA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, soll das Gelände verkaufen – zum höchstmöglichen Preis. Vor zwei Jahren bot ein Interessent 21 Millionen Euro, doch offenbar erwartete er wegen der Planungsauflagen des Bezirks zu wenig Rendite – jedenfalls sprang er Anfang des Jahres ab.
Für die Entwicklung der Stadt zwei verlorene Jahre. Jetzt droht die Wiederholung: in einem neuen Bieterverfahren werden angeblich schon 32 Millionen Euro geboten. Zu viel jedenfalls für Genossenschaften und eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, die hier auch gern gebaut hätten.
Enrico Schöneberg
"Stadt von unten"
"Ein Verkauf zum Höchstpreis würde immer bedeuten, dass quasi möglichst viel Rendite am Ende herausgeholt werden muss und das kann einfach nur durch die Mieten passieren. Oder halt, indem man in Eigentum umwandelt. Und unser Ziel bei diesem Gelände, an diesem zentralen Grundstück, was eine sehr große Größe hat, ist einfach, zu sagen: hier muss preiswerter Wohnraum mit wirklich sozialen Mieten her."
"Schluss mit dem Verkauf von Bundesimmobilien zum Höchstpreis", fordern deshalb die Grünen. Sie wollen alle Verkäufe sofort stoppen. Und wenigstens Städte und Gemeinden sollen preiswerter kaufen können.
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen)
Bundestagsabgeordnete
"Überall – gerade in den Großstädten – haben wir eine angespannte Wohnlage, wir diskutieren hier parallel dazu, dass neue Programme geschaffen werden sollen für den sozialen Wohnungsbau und gleichzeitig verhält sich die BImA hier in Berlin und auch anderswo als der größte Spekulant und das passt einfach nicht zusammen."
In Berlin verwaltet die BImA neben etlichen Gewerbegrundstücken fast 5.000 Wohnungen. Darunter auch dieses Haus in der Karl-Kunger-Straße in Treptow. Den Mietern macht es Angst, dass die BImA das Haus in den nächsten vier Jahren vielleicht meistbietend verkaufen wird. Sie fürchten, dadurch langfristig verdrängt zu werden – wie es Nachbarn ein paar Häuser weiter offenbar passiert ist.
Brigitte Brantsch
"Ich könnte mir nicht leisten, die Wohnung zu kaufen, auch nicht die Wohnung für doppelt so viel zu mieten. Das befürchte ich, wenn sozusagen private Verkäufer hierher kommen."
Das Land Berlin will weniger finanzstarken Mietern helfen. Deshalb sollen die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften alle Berliner BImA-Wohnungen kaufen – darin sind sich SPD und CDU im Abgeordnetenhaus einig.
Iris Spranger (SPD)
Wohnungspolitische Sprecherin Berlin
"Viele Menschen in Berlin können kaum noch ihre Miete bezahlen und deshalb: 5.000 Wohnungen im eigenen Besitz zu haben, das ist auf dem Wohnungsmarkt in Berlin schon eine Größenordnung, die dann auch mietpreisdämpfend wirken wird."
Stefan Evers (CDU)
stellvertretender Fraktionsvorsitzender Berlin
"Darum gilt es den Bund zu überzeugen – und möglichst auch andere Bundesländer mit uns gemeinsam – hier neue Maßstäbe anzulegen und zu schauen, ob man nicht diese Wohnungsbestände zu angemessenen Preisen, zu Verkehrswerten den Kommunen, den Ländern, in unserem Fall dem Land Berlin überträgt."
BImA-Immobilien zum Verkehrswert statt zum Höchstpreis: Für den Bund würde das Mindereinnahmen bedeuten. Allein aus dem Verkauf von 1.700 Berliner Wohnungen in den nächsten vier Jahren erwartet das Bundesfinanzministerium rund 380 Millionen Euro – so viel kommt aber nur beim Verkauf zum Höchstpreis zusammen. Geld, das allen Steuerzahlern zusteht – und nicht nur den Berlinern.
Genau deshalb will ein Teil der Bundes-CDU dem verbilligten Verkauf an Kommunen nicht zustimmen.
Norbert Brackmann (CDU)
Bundestagsabgeordneter
"Das ist so, ich werde persönlich diesem Antrag nicht zustimmen, weil ich ihn für nicht zielgerichtet halte. Wenn wir Liegenschaften haben, die wir nicht benötigen – die sind ja einmal aus Steuermitteln beschafft und finanziert worden – dann müssen wir die auch den Steuerzahlern wieder zurückgeben. Und das heißt, auch die entsprechenden Einnahmen generieren."
Zwei Seiten einer Medaille: Wer Bundesimmobilien billiger an die Städte verkauft, schafft preiswerten Wohnraum. Wer Bundesimmobilien zum Höchstpreis verkauft, nimmt mehr Geld ein für alle Steuerzahler.
Was ist richtig, was falsch?
Fakt ist: Im Haushaltsausschuss des Bundestages wurde der Antrag der Grünen heute abgelehnt. SPD und CDU wollen einen eigenen Antrag formulieren – demnächst. Vielleicht mit einer neuen Idee, einem Kompromiss, den der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak vorschlägt.
Jan-Marco Luczak (CDU)
Bundestagsabgeordneter
"Man kann zum Beispiel bei einer Vergabeentscheidung sagen, dass der Verkehrswert zu einem bestimmten prozentualen Anteil einfließt, zu 60 Prozent etwa, und die anderen 40 Prozent sich nach sozialpolitischen, nach stadtentwicklungspolitischen und wohnungspolitischen Kriterien ausmachen."
Für das Dragonergelände kommt das alles aber leider viel zu spät. Wahrscheinlich wird der Verkauf in den nächsten Wochen bereits perfekt sein.
Abmoderation
Wie wir gerade erfuhren, will die Kreuzberger SPD-Fraktion jetzt aber vorschlagen, dass – zusätzlich zu den Wohnungen – ein Teil der künftigen Berliner Zentralbibliothek auf das Dragonergelände soll. Ihre Hoffnung: Dann würden Investoren zwei Mal überlegen, wie viel Geld sie für das Gelände bieten wollen. Vielleicht ein Rettungsvorschlag in letzter Minute.
Beitrag von Andrea Everwien