Bus und Bahn, Bild: rbb

- Keine Maut für Fernbusse - ungleicher Wettbewerb zwischen Bus und Bahn

Eigentlich wollte die Politik Autofahrer zum Wechsel hin zum umweltfreundlicheren Bus bewegen, als sie im vergangenen Jahr die Grundlage für das Reisen mit dem Fernbus durch ganz Deutschland legte. Prompt stiegen jedoch rund 40 Prozent der Bahnkunden auf die meist günstigeren Busse um. Der Trip mit dem Bus ist auch deshalb so günstig, weil der Staat hier auf eine Maut verzichtet hat. 

Anmoderation
Was für ein Verkehrschaos heute überall, wir haben es gerade in den Nachrichten gesehen: Der Streik bei den Lokführern, Zweidrittel der Fernzüge fallen aus. Vielen, die innerhalb Deutschlands reisen wollen, bleibt da wohl nur, auf den Fernbus umzusteigen. Fantastische Zeiten für die Busunternehmer. Aber der Wettbewerb zwischen Bahn und Bus ist ohnehin schon in vollem Gange – die neuen Konkurrenten der Bahn bieten konkurrenzlos niedrige Preise. Doch wie schaffen sie das eigentlich? Ute Barthel.

Ein ganz normaler Morgen am ZOB. Der zentrale Omnibusbahnhof Berlin platzt aus allen Nähten, denn immer mehr Menschen fahren mit dem Bus durch ganz Deutschland, viele sind vorher Bahn gefahren.

Umfrage
"Es ist wesentlich billiger, es ist zwar ein bisschen langsamer, aber es ist einfach wunderbar."
"Also, ich hab hier jetzt 15 Euro bezahlt und ich hab' erst vorgestern gebucht und das hätte bei der Bahn 117 Euro gekostet nach Köln."
"Eigentlich mag ich Bahnfahren sehr gerne, würde ich machen wenn es jetzt 50 bis 60 Euro kosten würde, würde ich sagen, ok, mach ich jetzt mal und nicht den Bus, denn das dauert doch ein paar Stunden länger."

Langsamer ist der Bus, aber billiger und auch umweltfreundlich. Eine preiswerte ökologische Ergänzung zur Bahn. Das wollte die Bundesregierung mit der Liberalisierung des Fernbusmarktes erreichen. Als Baustein einer ökologischen Verkehrswende begrüßten auch Umweltverbände die Fernbusse, auch Werner Reh vom Bund für Umwelt und Naturschutz.

Werner Reh
Bund für Umwelt und Naturschutz

"Ökologisch ist es sinnvoll, vom Auto auf die Busse zu verlagern, und wenn die Fernbusse das leisten – und das können sie durchaus tun - dann sind langfristig eine sinnvolle ökologische Komponente, in einem System, einem Verkehrssystem, in dem für niedrige Preise, für Kunden, die nicht zeit- sondern preissensibel sind, ein Angebot gemacht wird, das die Bahn derzeit nicht macht."

Doch nun fordert der Preiskampf zwischen Bus und Bahn seine ersten Opfer.

Der private Fernzug InterConnex von Leipzig über Berlin nach Rostock wird eingestellt. Der Eurocity von Hamburg über Berlin nach Breslau wird zum Winterfahrplan gestrichen. Und auch die Nachtzüge der Bahn von Berlin nach Paris, Kopenhagen und Amsterdam fahren bald nicht mehr.

Denn gegen die niedrigen Preise der Fernbusse kommt die Bahn nicht an. Warum ist das Busfahren so unschlagbar günstig?

Als der Markt im vergangenen Jahr liberalisiert wurde, verzichtete der Bund auf eine Maut. Speditionen und LKW müssen sie zahlen, Fernbusse nicht.

Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband PRO BAHN sieht das als Wettbewerbsverzerrung gegenüber der Bahn an.

Karl-Peter Naumann
PRO BAHN

"Die unfaire Konkurrenz ist eben die fehlende Straßenmaut für den Bus, die Bahn zahlt Trassenpreise und an jeder Station, wo sie anhält, Stationsgebühren. Der Bus nur an wenigen, und auch die sind längst nicht kostendeckend."

Nur an den zentralen Omnibusbahnhöfen in größeren Städten, den ZOBs, zahlen die Busse Gebühren. Die Busunternehmer wollen natürlich keine Maut, denn sie meinen, sie würden doch schon jetzt genug zahlen.

Gregor Hintz
MeinFernbus

"Der Fernbus zahlt über Mineralölsteuer zum Beispiel Abgaben, ZOB-Gebühren, eben die Kosten für die Benutzung von Straßen und Wegen. Das ist auch völlig gut so. Wenn jetzt noch eine Maut zusätzlich oben drauf kommt als Belastung, dann zahlen wir unverhältnismäßig mehr als es andere Verkehrsträger tu. Insofern haben wir jetzt auch de facto ohne Maut eine Verzerrung des Wettbewerbs, weil die Bahn Milliarden Subventionen bekommt."

Die Subventionen, die die Bahn erhält, gehen zum Teil in den Regionalverkehr. Er ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Und meist ein Verlustgeschäft. Denn die Regionalbahnen sollen auch in dünnbesiedelte Gegenden fahren und das rechnet sich meistens nicht. Und für jeden Halt muss die Bahn Stationsgebühren bezahlen.

Der Steuerzahler subventioniert auch das Schienennetz. Für die Nutzung zahlen alle Eisenbahnunternehmen – also auch die Deutsche Bahn – Trassenpreise.

Deshalb findet der Mobilitätsforscher Andreas Knie eine Maut für Fernbusse gerechtfertigt.

Andreas Knie
Mobilitätsforscher

"Ja, das ist keine Ungleichbehandlung. Denn die Bahn zahlt eine Mautabgabe, natürlich zahlt der Steuerzahler sehr viel. Und wenn die Bahn Überschüsse erwirtschaftet, gibt die Bahn alle Überschüsse wieder an den Steuerzahler zurück. Die Fernbus-Unternehmen sind private Unternehmen, die kassieren den Mehrwert, den sie dann erwirtschaftet haben, in ihre privaten Kassen. Das heißt, sie müssen schon auch eine Mautabgabe zahlen."

Aber die Bundesregierung verzichtet auf diese Infrastrukturabgabe für die Busse. Warum ? Auf unsere Anfrage erhalten wir vom Bundesverkehrsministerium nur eine kurze schriftliche Antwort, Zitat:

"Die preisgünstigen Fernbuslinien sollen eine hohe Akzeptanz erfahren. Die Unternehmen müssen die Chance haben, sich weiterhin positiv zu entwickeln."

Und auch in den aktuellen Mautplänen der Bundesregierung werden die Fernbusse begünstigt: Während LKW und Autofahrer in Zukunft eine Maut zahlen sollen, heißt es für die Busse: freie Fahrt.

Werner Reh
Bund für Umwelt und Naturschutz

"Es ist völlig widersinnig, keine Maut für die Fernbusse zu erheben, wenn einerseits LKW und PKW eine Maut bezahlen sollen. Das ist nicht haltbar. Ich denke, spätestens in der nächsten Legislatur wird das korrigiert werden müssen. Weil der Infrastrukturverschleiß ist da: Es sind 400 Millionen Euro, und pro Kopf, pro Reisenden wäre das ein Betrag von 1 bis 2 Euro für eine Strecke von 500 Kilometern. Das ist völlig verkraftbar."

Die Fernbusunternehmer schätzen, dass bei einer Fernbus-Maut, die Preise um 20 Prozent steigen. Würde das die Kunden abschrecken?

Umfrage
"Das sind jetzt 19 Euro, wenn ich jetzt 25 zahlen würde, das wäre jetzt immer noch völlig okay."
"Ja, dann wäre ich wahrscheinlich doch wieder bei der Bahn, aber mal sehen."
"Ja, aber es wäre ja doch nicht teurer als die Bahn?"

Busse und Bahnen haben beide eine gute Umweltbilanz und sollten sich eigentlich nicht als Konkurrenten sehen.

Andreas Knie
Mobilitätsforscher

"Das ist die völlig falsche Diskussion, die wir eigentlich führen. Bahn gegen Fernbusse. Erstmal hat die Bahn auch selber Fernbusse. Wir brauchen diese Fernbusangebote. Es ist auch gut, dass es sie gibt. Denn wir wollen am Ende des Tages natürlich viel mehr Menschen von ihrem eigenen Auto loslösen und sie in öffentliche Verkehrsmittel bringen, damit wir unterm Strich eine ökologisch verträglichere Mobilität haben."

Noch immer sind 85 Prozent der Deutschen im eigenen Auto unterwegs. Im Sinne einer ökologischen Verkehrswende ist es jedenfalls nicht, wenn sich Bus – und Bahnbetreiber gegenseitig in die Knie zwingen.

Abmoderation
Sind wir mal gespannt, ob sie wirklich kommen wird, die Fernbus-Maut…

Beitrag von Ute Barthel