Wohnhaus, Quelle: rbb
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- Mietpreisbremse - Wahlgeschenk ohne Wert?

Mit der neuen Bundesregierung wird die Mietpreisbremse wohl kommen. Die Berliner Politik hatte ohnehin schon lange dafür gekämpft. Bei der Neuvermietung von Wohnungen könnten Vermieter dann künftig nicht mehr nehmen, was der Markt eigentlich hergeben würde. Klingt eigentlich gut, doch: Werden damit die Mieten in Berlin tatsächlich bezahlbarer?

Anmoderation
Union und SPD haben heute erstmals ihre offiziellen Verhandlungen zur Regierungskoalition aufgenommen. Vieles ist noch strittig, doch in einem Punkt sind sich beide Lager einig: Der Anstieg der Mietpreise soll gebremst werden! Endlich, könnte man meinen, denn in vielen Großstädten, wie auch in Berlin, sind die Mieten in den vergangenen Jahren drastisch explodiert. Doch bringt die Mietpreisbremse den Mietern tatsächlich auf Dauer Vorteile? Iris Marx weiß mehr.

Vor allem für Berlin klingt Mietpreisbremse gut: Denn bisher gilt: Wenn ein Mieter auszieht, darf der Vermieter bei der Neuvermietung nehmen, was der Markt hergibt. Mit der Mietpreisbremse geht das dann nicht mehr. Ein Vermieter darf dann nur noch maximal zehn Prozent mehr nehmen als ortsüblich. Der Berliner Mieterverein freut sich über die geplante Mietpreisbremse:

Reiner Wild
Berliner Mieterverein e.V.

"Wir haben das als Mieterorganisation gefordert, weil wir sehen, dass gerade die Marktsituation in Ballungsgebieten dazu beiträgt, dass die Wohnkosten extrem steigen und aus unserer Sicht ungerechtfertigt."

Die Berater des Mietervereins haben täglich mit Menschen zu tun, die schon jetzt mit ihrer Miete nicht mehr zurechtkommen. Doch, ob die Mietpreisbremse diesen Menschen tatsächlich helfen wird?

Was den Mietmarkt in Berlin wirklich entspannen könnte sind neue Wohnungen. Aber eine Mietpreisbremse kann dazu führen, dass sich der Bau für Investoren nicht mehr lohnt. Denn sie können dann ja nicht mehr die Miete verlangen, die für den Neubau rentabel ist, so der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg.

Axel Wunschel
Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg e.V.

"Die Bauindustrie wird immer leiden, wenn eine Mietpreisbremse eingeführt würde. Das wäre ein Fehler!"

Nicht nur für den Mietmarkt, sondern für die Konjunktur insgesamt.

Axel Wunschel
Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg

"Eins muss man deutlich sagen: Bauen ist eine Tätigkeit, die sehr viele andere Investitionen anreizt. Wir müssen einfach sehen, in dieser Stadt sind viele Menschen direkt, aber auch indirekt vom Bauen abhängig. Wenn sie einen Bau-Euro investieren, werden sie dadurch circa zwei weitere Euros in Bewegung setzen und das alles kommt der Wirtschaft in dieser Stadt zu Gute."

Vor allem aber entstehen neue Wohnungen und davon braucht Berlin sogar noch mehr als zurzeit gebaut werden. Der Berliner Stadtentwicklungssenator Michael Müller beziffert den Bedarf in Berlin ganz konkret:

Michael Müller (SPD)
Senator für Stadtentwicklung

"Wir gehen von 250.000 Menschen aus, die in den nächsten 15 Jahren kommen. Das bedeutet, wir brauchen rund 100.000 neue Wohnungen. Und das wiederum bedeutet, von heute an gerechnet brauchen wir pro Jahr zwischen 7.000 und 10.000 neue Wohnungen, die entstehen müssen, um allein dem gerecht zu werden, was wir an Bevölkerungszuwachs erwarten."

Der schwedische Investor NCC baut viele Wohnungen in Berlin und Brandenburg. Gegenüber KLARTEXT kündigte NCC bereits an, Zitat:

"Wir müssten das Segment 'bezahlbarer Mietwohnungsbau' (...) verlassen."

…wenn die Mietpreisbremse kommt.

Die Politik will hier gegensteuern, indem sie immerhin die Erstvermietung bei einem Neubau von der Mietpreisbremse ausnimmt.

Michael Müller (SPD)
Senator für Stadtentwicklung

"Dann soll es ja so sein, dass es für die bestehenden Wohnungen diese Deckelung gibt, bei wirklich neugebauten Wohnungen sollen, zumindest für eine Übergangszeit, auch frei vereinbare Mieten möglich sein."

Das heißt: Nur die erste Vermietung nach einem Neubau bleibt frei verhandelbar. Wenn die Wohnung danach wiedervermietet wird, greift die Mietpreisbremse.

Doch auch dieser Eingriff ist riskant, denn der Eigentümer hat schließlich seine Investition ohne die Mietpreisbremse kalkuliert. Es könnte sein, dass seine Rechnung nun nicht mehr aufgeht, so der Mietrechtsexperte:

Prof. Martin Schwab
Freie Universität Berlin

"Das Gesetz würde in das laufende Mietverhältnis eingreifen und in der Zukunft es erfassen. Es würde auch für die bereits abgeschlossenen Mietverhältnisse gelten. Im Einzelfall kann es bereits getroffene Investitionsentscheidungen entwerten."

Und wer dennoch bauwillig ist, könnte dazu verleitet werden, nun quasi als Ausgleich, bei der Erstvermietung ordentlich drauf zu schlagen. Auch das kann das Mietniveau insgesamt nach oben treiben.

Zu unabsehbar die Folgen und daher ein zu großer Eingriff in die Eigentumsrechte der Vermieter, findet der Verband Haus & Grund und kündigt an zu klagen:

Carsten Brückner
Haus & Grund Berlin

"Wenn eine Mietpreisbremse kommen sollte, wird gegen diese juristisch vorgegangen werden."

Die Mietpreisbremse, die so vehement gefordert wurde, erweist sich im Detail tückisch, so auch der Stadtökonom Arnt von Bodelschwingh.

Arnt von Bodelschwingh
Stadtökonom, Regio Kontext GmbH

"Sie lässt sich sehr gut verkaufen, auch gerade in Wahlkampfzeiten. Das Problem bei der Mietpreisbremse ist, dass im Augenblick niemand so richtig weiß, wie sie in der Umsetzung funktionieren soll."

Prof. Martin Schwab
Freie Universität Berlin

"Wir haben das ganz vertrackte Problem, dass wir auf der einen Seite eine Gegebenheit haben, die wir nicht verrücken können: Wir können niemanden zwingen, in den Wohnungsbau zu investieren. Wir haben auf der anderen Seite: Dass die Menschen Stabilität in ihrem persönlichen Umfeld möchten. Die möchten keine Angst um ihren Job haben, sie möchten keine Angst um ihre Wohnung haben. Der Eingriff in den Wohnungsmarkt ist ein zweischneidiges Schwert. Es ist ganz schwer eine politische Lösung dafür zu finden. Deswegen möchte ich auch jenen, der hier eine Mietpreisbremse das Wort reden, nicht all zu scharf kritisieren, denn eine Lösung, die diese beiden Gegebenheiten unter einen Hut bringt, bedarf erheblicher Phantasie."

Viel Phantasie müssen SPD und Union im Bund nun bei ihren Verhandlungen beweisen, damit die Mietpreisbremse nicht zur Neubau- und Investitionsbremse wird.

Abmoderation
Also noch viel Diskussionsbedarf. Bis das Ganze dann mal in Gesetzesform gebracht ist, wird’s wohl noch dauern.

Beitrag von Iris Marx