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Wer in Berlin Wohnungen bauen will, denkt groß: Tempelhofer Feld, Lichterfelde Süd, Mauerpark. Dabei kann man auch mit kleinen Maßnahmen Großes erreichen! Baulücken schließen, aufstocken, verdichten - dadurch könnten allein 82.000 Wohnungen entstehen ohne einen einzigen Grashalm zu roden. Eine politische Idee aus dem Abseits oder eine mit Zukunft?
Anmoderation
Klar ist, die boomende Hauptstadt braucht dringend neuen Wohnraum. Doch geht die Politik hier in die richtige Richtung? Bisher dachte man immer groß, wenn man neuen Wohnraum schaffen wollte: Tempelhofer Feld oder Lichterfelde Süd, um nur zwei Beispiele für große Bauprojekte zu nennen. Aber warum versucht die Politik nicht, auch durch kleine Maßnahmen Großes zu erreichen? Helge Oelert zeigt, wie das gehen könnte.
Dieter Hoffmann-Axthelm ist so etwas wie ein Grand Seigneur der Berliner Stadtplanung. Seine einflussreichste Zeit hatte er in den 90ern, vor allem, als er nach der Wende für den Senat das "Planwerk Innenstadt" erarbeitet: Mit dem Ziel, aus Berlins geteilter Mitte ein organisches, lebenswertes Ganzes zu gestalten.
Heute ist für ihn ein anderes Ziel die größte Herausforderung für die Politik: das Wachstum der Stadt. Doch mit ihrem gerade vorgelegten "Stadtentwicklungsplan Wohnen" – sei die Regierung als Tiger gesprungen, aber als Bettvorleger gelandet.
Dieter Hoffmann-Axthelm
Stadtplaner
"Das Problem wird jetzt dadurch gelöst, dass man vor allem an die Peripherie geht und dort eben auch mit Trägern zusammenarbeitet, wie sie aus den 60er Jahren bekannt sind. Und die ersten Ergebnisse sind eben auch ganz ähnlich, das ist so, als würden die 60er Jahre mit diesen Großformaten weiter gestrickt."
Doch in die künstlichen Schlaftrabanten am Stadtrand, die bei so etwas heraus kommen, will sich heute kaum noch jemand pferchen lassen.
Im Gegenteil – die neue Stadtlust geht um, und viele, die einst raus gezogen waren, zieht es heute zurück in die City. Sie müsste verdichtet und erweitert werden.
Aber damit tun sich Politiker erstaunlich schwer. Vielleicht, weil sie der Magie schöner PR-Termine erliegen, die ihnen Großsiedlungen bieten – mit ihren glänzenden Spaten und viel Presse-Tam-Tam – ein süßes Gift des Rampenlichts.
Dabei glauben Experten: eine kleinteilige Verdichtung in der Innenstadt könnte unterm Strich viel Potential bieten, auch wenn es undankbare Detailarbeit ist.
Ricarda Pätzold
Deutsches Institut für Urbanistik
"Das sind ja überall kleine Lückenschlüsse, die in der Summe vielleicht viel bringen, aber damit hat man weniger dieses große strategische Element 'Wir machen jetzt das Schaufenster der neuen Stadt' oder sowas, sondern man entwickelt einfach orientiert am Bestand etwas weiter. Das sind natürlich verschiedene Philosophien, die da dahinter stehen."
Beim Senat regiere die Philosophie des Gigantismus, kritisieren die Grünen. Sie haben eine Studie vorgelegt, nach der allein durch die bessere Ausnutzung schon bebauter Flächen in der Innenstadt 32.000 Wohnungen entstehen könnten. Dafür müsste die Verwaltung aber umdenken.
Andreas Otto (Bü90/Grüne)
Wohnungspolitischer Sprecher
"Der Senat sucht nach den großen Zahlen, also die Projekte auf der grünen Wiese, möglichst schnell. Wir wollen was anderes: wir wollen sinnvolle Verdichtung und wir wollen alle Chancen nutzen, wo nicht neue Flächen versiegelt werden müssen."
Fördern könnte man etwa den Ausbau von Dachgeschossen, besonders, wenn die Auflagen zur Gebäudehöhe gelockert würden.
Und viele Parkplätze wären in Tiefgaragen sicher ebenso gut aufgehoben. Gerade Berlin ist in der Vergangenheit oft verschwenderisch umgegangen mit seinen urbanen Flächen, weil es nach der Teilung der Stadt einen Überfluss gegeben hat.
In kaum einer Metropole gibt's etwa so viele eingeschossige Supermärkte, oft gesäumt von überbordendem Parkplatzangebot. Das alles könnte – wie hier - problemlos in Wohnhäuser integriert werden.
Und selbst im flächenarmen Prenzlauer Berg gibt es Beispiele, dass Lebensmittelriesen noch heute so unzeitgemäß mit ihrem Grund umgehen. Hier entsteht ein Eingeschosser! Mindestens 100 Wohnungen hätten darüber ohne weiteres zusätzlich Platz.
Dieter Hoffmann-Axthelm
Stadtplaner
"Hier wäre die Chance gewesen, es anders zu machen. Wir leben in einer privatwirtschaftlichen Welt, und die Stadtplanung hat wahrscheinlich wenig Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen."
Holger Kirchner (Bü90/Grüne)
Baustadtrat Pankow
"Wir haben denen die Anregung gegeben, doch mal in die Höhe zu denken. Dann haben sie gesagt, sie seien ja kein Wohnungsbauunternehmen. Wir haben hingewiesen, dass man das ja auch trennen kann, ist ja alles möglich, wenn man will. Das war aber – nicht so sehr auf der Projektentwicklerebene – , sondern auf Konzernebene schlicht nicht vorstellbar."
Und genau da müsste der Senat etwas tun, meint der zuständige Stadtrat: Ein Instrumentarium fehlt, um uneinsichtige Platzverschwender per Baurecht zu zwingen.
Holger Kirchner (Bü90/Grüne)
Baustadtrat Pankow
"Kann man ja definieren, genauso wie man Traufhöhen definiert. Kann man ja definieren, dass in innerstädtischen Gebieten einstöckige Häuser nicht wünschenswert sind und nicht als genehmigungsfähig erachtet werden, sondern dass auch Bauherren verpflichtet werden, über bestimmte Flächenausnutzung ernsthaft nachzudenken."
Handlungsbedarf gibt es auch bei der Zweckentfremdung, und zwar hier einer, die gefördert werden müsste: nämlich die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum. In Berlin stehen rund eine Million Quadratmeter Büroflächen leer. Mindestens 100.000 davon könnten in Wohnungen verwandelt werden, schätzen Immobilienexperten. Auch hier müsste der Senat aktiv werden.
Nicolas Jeissing
Engel & Völkers Gewerbe
"Es gibt sogar Städte in Deutschland, wo dieses gefördert wird, Hamburg zum Beispiel hat ein Förderprogramm, weil sie auch Knappheit an Wohnraum haben. Da wird der Bauherr, der sich entschließt, Raum umzuwandeln, wird vom Hamburger Senat gefördert, bekommt Fördermittel, muss sich dann aber auch an die Preisobergrenzen halten, was dann ja auch durchaus gerechtfertigt ist."
Doch wer wirklich was erreichen will – der kommt an einem offensiven Umgang auch mit dem Thema Kleingärten wohl kaum vorbei. Aber schon bei dem Gedanken an deren Protest packt Politiker jedweder Couleur die nackte Angst.
Viel lieber betont man vor Wahlterminen seine tiefe Verbundenheit mit den fröhlichen Laubenpiepern... Und blendet vorsätzlich aus, dass die auf Flächen sitzen, die ihnen in grauer Vorzeit mal vorübergehend für geringe Pacht von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt worden sind. Jetzt werden sie aber dringend für die wachsende Stadt gebraucht.
Dieter Hoffmann-Axthelm
Stadtplaner
"Die Laubenkolonien sind, wenn sie nicht peripher sind, sondern in der Innenstadt, auch eine Ungerechtigkeit. Wenige haben da einen Vorteil, und die ganze übrige Stadtbevölkerung soll das finanzieren, denn natürlich kostet das auch."
Etwa, wenn dieser gut an die Infrastruktur angeschlossene Grund nicht genutzt wird und man stattdessen teuer zu erschließende Quartiere am Stadtrand aus dem Boden stampft. Hier ehrlich zu sein, erfordert politischen Mut.
Andreas Otto (Bü90/Grüne)
Wohnungspolitischer Sprecher
"Eine Überlegung, die man anstellen kann, ist ob man Kleingärten auch verlagert an andere Standorte etwas weiter raus aus der Stadt, da ist aber bisher wenig passiert."
Stadt gestalten heißt, die Komfortzone auch mal zu verlassen. Nicht allen Bürgern wird man es dabei immer recht machen können.
Dieter Hoffmann-Axthelm
Stadtplaner
"Wir müssen völlig anders über die Stadt nachdenken, wir müssen nachdenken: was bekommt der Großstädter dafür, dass er in der Stadt wohnen kann, und welche Verzichte muss er dann leisten?"
Denn in Zeiten großer Herausforderungen erweisen sich Wege des geringsten Widerstands oft als Sackgasse.
Abmoderation
Hier sind neuer Bürgermeister und neuer Bausenator gleichermaßen gefragt, in der Stadtentwicklung entscheidende Anstöße zu geben.
Beitrag von Helge Oelert