-
Auch und gerade nach dem Volksentscheid gilt: Berlin braucht neue Wohnungen. Aber wer baut wo und wieviel? Die Ideen des Senats scheinen da begrenzt. Ein Blick nach München lohnt. Dort wird im Kampf um "bezahlbare Mieten" nicht nur auf städtische Wohnungsbaugesellschaften gesetzt sondern auch auf private Investoren.
Anmoderation
Die Wohnungspolitik in der Hauptstadt braucht dringend neue Impulse. Wie soll es weitergehen, nachdem die Bürger das Bauprojekt am Tempelhofer Feld abgeschmettert haben? Berlin wächst unaufhaltsam, neue Wohnungen werden dringend gebraucht. Was fehlt, ist eine überzeugende Idee. Vor allem die SPD hat begriffen, dass ihr bisheriges Konzept nicht aufgegangen ist. Andrea Everwien und André Kartschall.
Bausenator Müller gibt sein Bestes. Doch wo er auch auftritt – für seine Wohnungsbaupolitik kassiert er regelmäßig den Zorn vieler Bürger.
Anlass der Aufregung dieses Mal: Eine Familie musste aus ihrer Wohnung ausziehen – nachdem sie zehn Jahre lang Mietschulden angehäuft hatte.
Junge Frau
"Eine Frage, die wir von Senator Müller beantwortet haben möchten: Wo soll diese Familie hin?"
Die Stimmung: aufgeheizt. Die steigenden Mieten: das Streitthema in der Stadt. Seit der Tempelhof-Entscheidung ist es amtlich: Müllers Wohnungsbaupolitik überzeugt die Berliner nicht.
Drei Tage nach dem Wahltag: Katerstimmung bei der SPD. Im Fachausschuss "Soziale Stadt" fragen sich die Genossen: Was ist falsch gelaufen? Der Ausschussvorsitzende Volker Härtig räumt ein: die Mieterpartei SPD hat die Mieter nicht erreicht.
Volker Härtig (SPD)
Fachausschuss "Soziale Stadt"
"Es gibt offensichtlich in der Berliner Bevölkerung große Teile, die der Landesregierung nicht hinreichend zutrauen, dass sie tatsächlich vernünftig Wohnungspolitik macht, dass sie sich um die Interessen der Haushalte kümmert, die auf dem Wohnungsmarkt, zumindest in den Innenstadtbezirken sich kaum noch selbst versorgen können, einfach weil die Preise davon gelaufen sind."
Die Gründe sind längst bekannt: die Stadt wächst. Es gibt fast 130.000 mehr Berliner als noch vor drei Jahren – und kaum noch freie Wohnungen. Der Markt ist praktisch leergefegt.
Der Senat weiß längst, dass in den nächsten zehn Jahren mindestens 137.000 Wohnungen neu gebaut werden müssten.
Doch Fördergeld gibt es dafür kaum vom Finanzsenator. 32 Millionen Euro pro Jahr plus noch einmal so viel vom Bund. Das reicht für gerade einmal 1.000 geförderte neue Wohnungen in jedem Jahr. Der SPD-Basis ist das zu wenig.
Volker Härtig (SPD)
Fachausschuss "Soziale Stadt"
"Das ist vielleicht ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber das ist doch keine konsequente Wohnungsbaupolitik, die an die Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen denkt."
Der Finanzsenator dagegen denkt an Berlins Schuldenstand: immer noch rund 62 Milliarden Euro. Trotz gestiegener Steuereinnahmen will er den Landeshaushalt nicht weiter belasten – auch nicht durch ein Bauförderprogramm.
Die Lösung des Senats: Statt des Landes sollen die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften rund 600 Millionen Euro neue Schulden machen und dafür bauen.
Doch die Wohnungsbaugesellschaften können die Erwartungen nicht erfüllen, die heutigen Durchschnittsmieten zu senken. In diesem Neubau der degewo in Treptow-Köpenick wird die durchschnittliche Nettokaltmiete 9,85 Euro pro Quadratmeter betragen.
Dabei musste die Gesellschaft hier nicht mal das Grundstück kaufen, es gehörte ihr schon.
Innerhalb des S-Bahn-Rings dagegen, da, wo die meisten Berliner wohnen wollen, haben die Gesellschaften nicht genügend Grundstücke.
Die sollten sie eigentlich aus dem Besitz des Landes umsonst bekommen. Doch der Finanzsenator rückt sie offenbar nur ungern raus und spielt auf Zeit. Bisher hat er den Gesellschaften gerade einmal elf Grundstücke übereignet. Viel zu wenig, meint Reiner Wild, Geschäftsführer beim Berliner Mieterverein.
Reiner Wild
Berliner Mieterverein
"Man hat den Eindruck, dass da so eine gewisse Blockade vorhanden ist, weil man sich noch nicht damit abfinden kann, dass Grundstücke aus dem Vermögen des Landes Berlin nicht meistbietend, sondern mit einem klaren Konzept – zum Beispiel für sozialen Wohnungsbau oder für andere städtebaulich wichtige Nutzungen vergeben werden."
Ein Instrument hat die Berliner Politik bisher so gut wie gar nicht genutzt – Sozialwohnungen könnten nämlich auch auf Privatgrundstücken entstehen – gebaut von Investoren. Hamburg und München machen das seit Jahren vor:
Wer dort teure Miet- oder Eigentumswohnungen bauen will, darf das häufig nur, wenn er einen Teil der Wohnungen als Sozialwohnungen anbietet – gegen Subventionen, natürlich.
Das könnte Berlin theoretisch auch so machen. Doch bislang hat der Senat noch keinen Plan vorgelegt, wie das Vorhaben umgesetzt werden soll.
Volker Härtig (SPD)
Fachausschuss "Soziale Stadt"
"Wo es nur geht, und da gibt es genug Möglichkeiten, müssen auch Privatinvestoren, Privatentwickler in die Pflicht genommen werden, müssen mindestens ein Viertel bis ein Drittel, aber gern auch an der einen oder anderen Stelle mal mehr der Wohnungen, die dort errichtet werden sollen, preiswerte Wohnungen sein."
Wie viele Sozialwohnungen so zusammen kommen könnten, ist allerdings noch unklar.
In jedem Fall bleibt es dabei: Berlin muss dringend Wohnungen bauen. Nur billig werden diese nicht sein, denn Geld für teure Subventionen ist nicht vorhanden. Das könnte die SPD den Bürgern aber auch ruhig mal klar sagen.
Beitrag von Andrea Everwien und André Kartschall