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Sonne, Wind und Scherereien - eine Gemeinde versucht die Energiewende im Kleinen. Rehfelde will grün werden, seinen eigenen Öko-Strom produzieren und ihn dann günstig an seine Bürger verkaufen. Doch die Energiewende stellt einen 4.500-Einwohner-Ort vor eine Zerreißprobe.
Anmoderation
Sonne, Wind und nichts als Scherereien – das kommt dabei raus, wenn Bürger in Eigenregie die Energiewende mit gestalten. Dabei war der Vorsatz gut. Bürger der Gemeinde Rehfelde wollten ihren Strom selber produzieren. Doch ihr Vorhaben stellt den 4500-Seelen-Ort nun vor eine Zerreißprobe. André Kartschall berichtet.
Es ist dieses Geräusch, das in der Gemeinde Rehfelde für Unfrieden sorgt. Das Windfeld Nummer 26, neben den Ortsteilen Werder und Zinndorf gelegen. Fast 30 Windräder, manche von ihnen weniger als einen Kilometer vom nächsten Haus entfernt.
Ein Teil der Bürger ist schon lange dagegen, dass die Energiewende ausgerechnet vor der eigenen Haustür stattfindet.
Torsten Franke
Gemeindevertretung Rehfelde
"Das Schlimme ist an der ganzen Sache: Zinndorf hat so seine Erfahrungen gemacht mit den vorhandenen Windkraftanlagen, Werder hat seine Erfahrungen gemacht mit den vorhandenen Windkraftanlagen Zinndorf – und die Masse der Leute hat die Nase voll, erstmal von den Ansichten, wie es aussieht aufm Feld. Dann kommt noch dazu, dass die Grundstücke nichts mehr wert sind: Wer kauft denn ein Haus mit einer Windkraftanlage als Nachbar?"
Tag und Nacht drehen sich die Windräder, die Rehfelder aber haben nichts davon. Alle bisherigen Anlagen gehören Investoren, der Gewinn wird andernorts gemacht.
Genau das soll sich ändern – finden wiederum andere Rehfelder. Sie haben eine Genossenschaft gegründet. Das Ziel: In Eigenregie Strom produzieren, der allen im Ort zugute kommt. Mit Solaranlagen, aber vor allem mit zwei zusätzlichen Windrädern.
Heinz Kuflewski
Genossenschaft Eigenenergie
"Am Ende soll für Rehfelde, und zwar für jeden Rehfelder Bürger, und wenn's geht auch noch die Umgebung, Strom aus erneuerbaren Energien geliefert werden, von unserer Genossenschaft. Und der ist natürlich preiswert, preiswerter als derzeitig die Marktpreise sind. Und das haben wir unter dem Titel 'Rehfelder Modell' zusammengefasst."
Und so soll es funktionieren: Bürger gründen eine Energiegenossenschaft. Die errichtet zwei neue Windräder – und verkauft den Strom an einen Stromhändler. Der verpflichtet sich im Gegenzug, alle Rehfelder mit günstiger Elektrizität zu beliefern.
Mit dieser Vision hat die Energiegenossenschaft auch den Bürgermeister überzeugt. Das wiederum erbost die andere Hälfte von Rehfelde.
Torsten Franke
Gemeindevertretung Rehfelde
"Der Bürgermeister ist mit dem Wahlversprechen angetreten: keine weiteren Windkraftanlagen. So, jetzt sind wir dabei, zwei weitere Windkraftanlagen zu planen und bauen zu lassen."
Reiner Donath
Bürgermeister Rehfelde
"Das ist erstmal exakt, im Wahlprogramm der Aktiven Wählergemeinschaft Rehfelde-Werder-Zinndorf und meinem eigenen steht dieser Satz wörtlich drin. Aber nun sage ich, man muss in vier Jahren, wo in Deutschland eine Energiewende beschlossen wurde, wo der Beschluss gefasst wurde, aus der Atomenergie auszusteigen, wo man die Kohleverstromung nur noch als Übergangstechnologie ansieht, möglich sein, dass man auch da seine Standpunkte präzisiert."
Nach dem Willen des Bürgermeisters soll Rehfelde nun also Vorreiter der Energiewende werden.
Doch in den Ortsteilen Werder und Zinndorf sehen das viele Menschen anders. 600 Unterschriften haben diese Kritiker gegen die zwei zusätzlich geplanten Windräder gesammelt, dabei jedoch auf die Fakten keine Rücksicht genommen. Laut ihrem Flugblatt nämlich sind die neuen Windräder "zwischen Werder und Zinndorf" geplant. Ein Blick auf die Karte aber zeigt: In Wahrheit liegen die Standorte am hinteren Ende des bereits existierenden Windparks – rund zwei Kilometer von den Dörfern entfernt.
KLARTEXT
"Wenn ich das lese, denke ich: 200 Meter hohe Windräder zwischen Werder und Zinndorf, da denke ich: die kommen genau zwischen die Dörfer – das möchte ich nicht."
Torsten Franke
Gemeindevertretung Rehfelde
"Wie gesagt, von diesem Standort aus zu sehen: dort ist Zinndorf, dort ist Werder …"
Klaus Emmerich
Gemeindevertretung Rehfelde
"'Zwischen' hat er recht, zwischen ist nicht."
KLARTEXT
"Steht aber hier."
Klaus Emmerich
Gemeindevertretung Rehfelde
"Zwischen den Gemarkungsgrenzen, das ist richtig, aber nicht zwischen den Ortschaften."
Mittlerweile streitet sich halb Rehfelde über die Bedeutung des Wörtchens „zwischen", über Windräder und über Landkarten. Der Bürgermeister ist dementsprechend sauer auf die Gegner der neuen Anlagen.
Reiner Donath
Bürgermeister Rehfelde
"Es ist einfach, dem Bürger optisch, akustisch Angst einzujagen, dass die Anlagen gleich am Dorf stehen, gleich hinterm Friedhof, und nicht die reale Wirklichkeit, weit weg, mit zwei Kilometern."
KLARTEXT
"Ein anderes Wort ist 'Panikmache'."
Reiner Donath
Bürgermeister Rehfelde
"Ja, zumindest ist es eine falsche Aussage."
Die Fronten sind verhärtet. Auf der einen Seite die Energiegenossenschaft und der Bürgermeister. Sie wollen die Windräder weiterhin.
Auf der anderen Seite: die Neubaugegner. Mittlerweile bezweifeln sie sogar die redlichen Absichten des Bürgermeisters. Dass dieser die Windräder nur errichten will, um den Bürgern günstigen Strom zu verschaffen, wollen sie einfach nicht glauben.
Torsten Franke
Gemeindevertretung Rehfelde
"Warum lasse ich das denn nicht einfach sein? Wenn ich merke, ich habe Gegenwind, ja, dann lasse ich's doch einfach sein. Und da stelle ich mir die Frage: Warum tue ich mir das an – selbst zu der Gefahr hin, dass mich keiner mehr wählt, oder wenige wählen. Er hat ja dann wieder ne neue Aufgabe."
Eine "neue Aufgabe" – das unterstellt: Der Bürgermeister spekuliere auf einen Job in der Energiebranche – quasi als Dankeschön für den politischen Einsatz, so zumindest die These der Gegner.
Reiner Donath
Bürgermeister Rehfelde
"Erstens bin ich Rentner und suche überhaupt keinen Job. Zweitens bin ich ehrenamtlicher Bürgermeister und brauch auch deshalb keinen Job. Und die Initiative zu Erneuerbaren Energien und das Energiekonzept für die Kommune ist nun wirklich nicht ans Geld, sondern an viel mehr Arbeit gebunden."
Und wohl auch an viel mehr Ärger. Im kommenden Jahr sind Kommunalwahlen in Rehfelde. Die Gegner des Bürgermeisters haben diese schon zur Urabstimmung für oder gegen neue Windräder erklärt.
Abmoderation
Die Energiewende stockt also nicht nur im Großen sondern auch im Kleinen....
Beitrag von André Kartschall