-
Schloss Boitzenburg, Traumhotel in der Uckermark. Hier wurden vermutlich rund 35 Millionen Euro Fördermittel veruntreut. Doch vor der Razzia wollte niemand etwas davon gewusst haben. Kein Wunder auch: Denn darüber, welches Unternehmen wie viele Fördergelder bekommt und warum, darf kaum jemand Bescheid wissen. Der Steuerzahler schon mal gar nicht. Sogar Parlamentarier müssen sich anstrengen, um an die Daten zu kommen. Und das gilt nur für Brandenburg: In Berlin kriegen selbst Abgeordnete gar keine Auskunft.
Wer in Berlin oder Brandenburg investiert, wird belohnt. Es gibt eine Vielzahl von großen Fördertöpfen. Nicht immer zahlt sich die Unterstützung aus. Beispiel: Samsung. Der koreanische Konzern will die Bildröhrenproduktion in Oberschöneweide einstellen, obwohl Samsung 30 Millionen Euro Subventionen für dieses Werk abgesahnt hatte. Wer Fördergelder bekommt und wie viel, das erfahren wir in der Regel nicht. Eigentlich ein Skandal, denn es sind unsere Steuergelder. Das Land Brandenburg schüttet dieses Jahr über 220 Millionen Euro aus. Wohin fließt das viele Geld? Ulrich Krätzer über die Geheimsache Fördermittel.
Schloss Boitzenburg in der Uckermark, ein prachtvolles Anwesen aus der Renaissancezeit, das Neuschwanstein des Nordens.
1998 wurde das Schlosshotel saniert, heute ist es ein beliebtes Ziel für Schulausflüge und für Familien.
Schloss Boitzenburg am Dienstag vergangener Woche: Mitarbeiter des Landeskriminalamtes sichern Beweismaterial. Der Verdacht: Das Märchenschloss ist Schauplatz eines groß angelegten Subventionsbetrugs.
Für die Sanierung des Gebäudes soll der damalige Betreiber 35 Millionen Euro erhalten haben. Die Sanierung kostete mutmaßlich aber nur 20 Millionen. Wo die Differenz von 15 Millionen geblieben ist, ist unklar. Klar ist nur: Die Fördermittel sind wohl für immer verloren.
Mit Hinweisen aus der Öffentlichkeit hätte man die Auszahlung der Gelder vielleicht verhindern können. Doch woher hätten diese Hinweise kommen sollen?
Abgesehen von wenigen Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und der Landesinvestitionsbank wusste fast niemand, dass die Käufer von Schloss Boitzenburg überhaupt Fördergelder erhalten hatten. Die Daten wurden nie veröffentlicht.
Aus dem Brandenburger Wirtschaftsministerium heißt es: Ein ganz normaler Vorgang. Details über Förderungen für Privatbetriebe würden grundsätzlich nicht veröffentlicht.
Steffen Kammradt, Wirtschaftsministerium Brandenburg
„Die Frage, wie viel Fördergelder ein individuelles Projekt bekommen hat, dürfen wir Ihnen nicht sagen, weil wir hier die Betriebsgeheimnisse eines Unternehmens immer als schützenswertes Gut im Vordergrund haben müssen und deswegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.“
Brandenburg schweigt. Dabei wäre es gerade hier durchaus interessant, mehr über die Vergabe von Fördermitteln zu erfahren. Denn die Landesregierung unterstütze immer wieder Großprojekte mit Millionenbeträgen. Die Projekte scheiterten immer wieder und die versprochenen Arbeitsplätze wurden nie geschaffen. In welcher Höhe dabei Fördermittel, und damit Steuergelder verloren gingen, erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit meist erst, als alles zu spät war.
Der Wirtschaftsrechtler Jürgen Keßler meint: Fördergelder sind Steuergelder. Schon deshalb müsse die Öffentlichkeit über ihre Verwendung informiert werden.
Jürgen Keßler, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
„Alle Wettbewerbsnationen fördern in irgendeiner Weise Industrieansiedlungen, aber - noch einmal - dies muss in nachvollziehbarer und transparenter Weise geschehen. Wenn schon Förderung durch Subvention und wenn schon Eingriff in den Wettbewerb, dann muss das offen gelegt werden, damit wenigstens die Kontrolle durch die Öffentlichkeit gewährleistet ist.“
Wer erhält wie viel und zu welchen Bedingungen? Ob Schloss Boitzenburg oder das Spaßbad Potsdam. Selbst bei großen Prestige-Projekten heißt es in der Wirtschaftspresse: „nach Information aus dem Landtag“. Angebliche Betriebsgeheimnisse sind in Brandenburg wichtiger als Informationen über die Verwendung von Steuergeldern.
Noch weniger Transparenz herrscht in Berlin. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft hält es nicht mal für notwendig, die Parlamentarier zu informieren, wer welche Fördermittel erhält. Die gewählten Volksvertreter also wissen nicht, wie und wofür Mittel aus dem Landeshaushalt verwendet werden.
Freitag vergangener Woche im Berliner Stadtteil Oberschöneweide. Mitarbeiter des Elektronik-Konzerns Samsung protestieren gegen die geplante Schließung ihres Werkes. Zwölf Jahre haben sie Bildröhren montiert, Ende des Jahres soll Schluss sein, 750 Mitarbeiter stehen dann auf der Straße.
Samsung erhielt rund 30 Millionen Euro Fördermittel. Der Konzern verpflichtete sich dafür Arbeitsplätze zu erhalten. Doch die Garantie endet am 31. Dezember dieses Jahres und genau einen Tag später will Samsung dicht machen. Diese Förderbedingungen wurden erst vor wenigen Wochen bekannt. Doch da war die Schließung des Werkes längst beschlossen.
Die Fraktionschefin der Grünen, Sybill Klotz, meint nun: Wenigstens die Abgeordneten müssen über Fördervorhaben informiert werden.
Sybill Klotz (Bündnis 90/ Grüne), Fraktionsvorsitzende
„Der Fall Samsung zeigt, dass wir früher wissen müssen, wann diese Fristen der Nachförderung auslaufen, um eventuell auf das Unternehmen auch noch Einfluss nehmen zu können. Der Fall Samsung zeigt auch, dass es Sinn macht, vorher zu wissen, in welcher Größenordnung wofür gefördert wurde.“
Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf nach einer Betriebsversammlung von Samsung. Wie die meisten, zeigt auch er sich empört über die Mitnahmementalität des Konzerns und eilt von Interview zu Interview. Nur wenn es um die Vergabe von Fördergeldern geht, lehnt der Senator alle Interviewanfragen ab. Terminschwierigkeiten habe auch der zuständige Staatssekretär und selbst der Pressesprecher steht für ein Interview nicht zur Verfügung.
Schriftlich teilt die Verwaltung mit: die Informationen über die Vergabe von Fördermitteln seien ausreichend, denn:
Zitat:
„Abgeordnete wie auch Journalisten erhalten eine kulminierte bzw. anonymisierte Darstellung.“
Und so sieht diese Darstellung aus: Hochbrisante Informationen, die der Redaktion KLARTEXT vorliegen.
Hier zum Beispiel: Zahlungen für die Herstellung von elektronischen Bauelementen in Treptow-Köpenick. Dahinter könnte sich Samsung verbergen, vielleicht aber auch nicht.
Sybill Klotz (Bündnis 90/ Grüne), Fraktionsvorsitzende
„Man kann dann irgendwie heiteres ‚Betriebe raten’ spielen und kann sich hinsetzen und überlegen, wo in Treptow-Köpenick wohl ein Unternehmen der Elektroindustrie irgendwie sieben Millionen bekommen hat, und entweder man bekommt es raus oder man bekommt es nicht raus. Das ist nicht die Transparenz, die wir wollen.“
Jürgen Keßler, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
„Das Berliner Verfahren ist mir schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar.
Wenn die Verwaltung diese Daten nicht gegenüber dem Parlament offen legt, verletzt sie ein wesentliches Prinzip demokratischer Kontrolle. Ich halte das schlicht und ergreifend für verfassungswidrig.“
Übrigens: In Brandenburg muss die Wirtschaftsverwaltung noch immer über einen Förderantrag für das defizitäre Mammut-Projekt Tropical Island entscheiden. Ob Gelder bewilligt werden, erfährt die Öffentlichkeit möglicherweise erst, wenn das Geld verloren ist.
Und in Berlin will der Wirtschaftssenator mit Samsung über eine Anschlussförderung verhandeln. Sollte die Rettung des Berliner Werks gelingen, wäre das eine gute Nachricht. Den Preis, den die Stadt dafür zahlen müsste, erfährt man aber vielleicht erst, wenn der nächste Schließungstermin verkündet wird.
Die Berliner Grünen erwägen jetzt übrigens, Informationen über die Vergabe von Fördergeldern vor Gericht einzuklagen…
Schloss Boitzenburg in der Uckermark, ein prachtvolles Anwesen aus der Renaissancezeit, das Neuschwanstein des Nordens.
1998 wurde das Schlosshotel saniert, heute ist es ein beliebtes Ziel für Schulausflüge und für Familien.
Schloss Boitzenburg am Dienstag vergangener Woche: Mitarbeiter des Landeskriminalamtes sichern Beweismaterial. Der Verdacht: Das Märchenschloss ist Schauplatz eines groß angelegten Subventionsbetrugs.
Für die Sanierung des Gebäudes soll der damalige Betreiber 35 Millionen Euro erhalten haben. Die Sanierung kostete mutmaßlich aber nur 20 Millionen. Wo die Differenz von 15 Millionen geblieben ist, ist unklar. Klar ist nur: Die Fördermittel sind wohl für immer verloren.
Mit Hinweisen aus der Öffentlichkeit hätte man die Auszahlung der Gelder vielleicht verhindern können. Doch woher hätten diese Hinweise kommen sollen?
Abgesehen von wenigen Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und der Landesinvestitionsbank wusste fast niemand, dass die Käufer von Schloss Boitzenburg überhaupt Fördergelder erhalten hatten. Die Daten wurden nie veröffentlicht.
Aus dem Brandenburger Wirtschaftsministerium heißt es: Ein ganz normaler Vorgang. Details über Förderungen für Privatbetriebe würden grundsätzlich nicht veröffentlicht.
Steffen Kammradt, Wirtschaftsministerium Brandenburg
„Die Frage, wie viel Fördergelder ein individuelles Projekt bekommen hat, dürfen wir Ihnen nicht sagen, weil wir hier die Betriebsgeheimnisse eines Unternehmens immer als schützenswertes Gut im Vordergrund haben müssen und deswegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.“
Brandenburg schweigt. Dabei wäre es gerade hier durchaus interessant, mehr über die Vergabe von Fördermitteln zu erfahren. Denn die Landesregierung unterstütze immer wieder Großprojekte mit Millionenbeträgen. Die Projekte scheiterten immer wieder und die versprochenen Arbeitsplätze wurden nie geschaffen. In welcher Höhe dabei Fördermittel, und damit Steuergelder verloren gingen, erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit meist erst, als alles zu spät war.
Der Wirtschaftsrechtler Jürgen Keßler meint: Fördergelder sind Steuergelder. Schon deshalb müsse die Öffentlichkeit über ihre Verwendung informiert werden.
Jürgen Keßler, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
„Alle Wettbewerbsnationen fördern in irgendeiner Weise Industrieansiedlungen, aber - noch einmal - dies muss in nachvollziehbarer und transparenter Weise geschehen. Wenn schon Förderung durch Subvention und wenn schon Eingriff in den Wettbewerb, dann muss das offen gelegt werden, damit wenigstens die Kontrolle durch die Öffentlichkeit gewährleistet ist.“
Wer erhält wie viel und zu welchen Bedingungen? Ob Schloss Boitzenburg oder das Spaßbad Potsdam. Selbst bei großen Prestige-Projekten heißt es in der Wirtschaftspresse: „nach Information aus dem Landtag“. Angebliche Betriebsgeheimnisse sind in Brandenburg wichtiger als Informationen über die Verwendung von Steuergeldern.
Noch weniger Transparenz herrscht in Berlin. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft hält es nicht mal für notwendig, die Parlamentarier zu informieren, wer welche Fördermittel erhält. Die gewählten Volksvertreter also wissen nicht, wie und wofür Mittel aus dem Landeshaushalt verwendet werden.
Freitag vergangener Woche im Berliner Stadtteil Oberschöneweide. Mitarbeiter des Elektronik-Konzerns Samsung protestieren gegen die geplante Schließung ihres Werkes. Zwölf Jahre haben sie Bildröhren montiert, Ende des Jahres soll Schluss sein, 750 Mitarbeiter stehen dann auf der Straße.
Samsung erhielt rund 30 Millionen Euro Fördermittel. Der Konzern verpflichtete sich dafür Arbeitsplätze zu erhalten. Doch die Garantie endet am 31. Dezember dieses Jahres und genau einen Tag später will Samsung dicht machen. Diese Förderbedingungen wurden erst vor wenigen Wochen bekannt. Doch da war die Schließung des Werkes längst beschlossen.
Die Fraktionschefin der Grünen, Sybill Klotz, meint nun: Wenigstens die Abgeordneten müssen über Fördervorhaben informiert werden.
Sybill Klotz (Bündnis 90/ Grüne), Fraktionsvorsitzende
„Der Fall Samsung zeigt, dass wir früher wissen müssen, wann diese Fristen der Nachförderung auslaufen, um eventuell auf das Unternehmen auch noch Einfluss nehmen zu können. Der Fall Samsung zeigt auch, dass es Sinn macht, vorher zu wissen, in welcher Größenordnung wofür gefördert wurde.“
Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf nach einer Betriebsversammlung von Samsung. Wie die meisten, zeigt auch er sich empört über die Mitnahmementalität des Konzerns und eilt von Interview zu Interview. Nur wenn es um die Vergabe von Fördergeldern geht, lehnt der Senator alle Interviewanfragen ab. Terminschwierigkeiten habe auch der zuständige Staatssekretär und selbst der Pressesprecher steht für ein Interview nicht zur Verfügung.
Schriftlich teilt die Verwaltung mit: die Informationen über die Vergabe von Fördermitteln seien ausreichend, denn:
Zitat:
„Abgeordnete wie auch Journalisten erhalten eine kulminierte bzw. anonymisierte Darstellung.“
Und so sieht diese Darstellung aus: Hochbrisante Informationen, die der Redaktion KLARTEXT vorliegen.
Hier zum Beispiel: Zahlungen für die Herstellung von elektronischen Bauelementen in Treptow-Köpenick. Dahinter könnte sich Samsung verbergen, vielleicht aber auch nicht.
Sybill Klotz (Bündnis 90/ Grüne), Fraktionsvorsitzende
„Man kann dann irgendwie heiteres ‚Betriebe raten’ spielen und kann sich hinsetzen und überlegen, wo in Treptow-Köpenick wohl ein Unternehmen der Elektroindustrie irgendwie sieben Millionen bekommen hat, und entweder man bekommt es raus oder man bekommt es nicht raus. Das ist nicht die Transparenz, die wir wollen.“
Jürgen Keßler, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
„Das Berliner Verfahren ist mir schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar.
Wenn die Verwaltung diese Daten nicht gegenüber dem Parlament offen legt, verletzt sie ein wesentliches Prinzip demokratischer Kontrolle. Ich halte das schlicht und ergreifend für verfassungswidrig.“
Übrigens: In Brandenburg muss die Wirtschaftsverwaltung noch immer über einen Förderantrag für das defizitäre Mammut-Projekt Tropical Island entscheiden. Ob Gelder bewilligt werden, erfährt die Öffentlichkeit möglicherweise erst, wenn das Geld verloren ist.
Und in Berlin will der Wirtschaftssenator mit Samsung über eine Anschlussförderung verhandeln. Sollte die Rettung des Berliner Werks gelingen, wäre das eine gute Nachricht. Den Preis, den die Stadt dafür zahlen müsste, erfährt man aber vielleicht erst, wenn der nächste Schließungstermin verkündet wird.
Die Berliner Grünen erwägen jetzt übrigens, Informationen über die Vergabe von Fördergeldern vor Gericht einzuklagen…