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Sechs Monate Vollzeit-Arbeit ohne Lohn? – Studenten und Akademikern wird das häufig zugemutet. Denn Praktika, die früher eher als kurzzeitige Möglichkeit zum Einstieg in den Beruf gedacht waren, sind heute die Regel. Jetzt fordert der DGB eine Selbstverpflichtung für Unternehmen. Langzeitpraktikanten sollen mindestens 300 Euro im Monat verdienen. Und sie sollen keine regulären Arbeitsplätze mehr ersetzen dürfen. Aber wie das so ist mit Selbstverpflichtungen in der Wirtschaft: Kaum einer wird sich dran halten.
Junge Menschen, die verzweifelt nach Arbeit suchen und keine finden, gibt es allerdings nicht nur in der Uckermark. Jedes Jahr stoßen viele Hunderttausend nach Studium oder Ausbildung zum Heer der Arbeitssuchenden. Und sie stellen dann irgendwann fest: Es gibt ja Arbeit, jede Menge sogar. Sie wird aber nicht bezahlt. Sie heißt auch nicht Arbeit, sondern: Praktikum. Immer mehr Firmen nutzen nämlich den angespannten Arbeitsmarkt: Sie ersetzen reguläre Arbeitsplätze durch Praktikanten. Der Job ist der Gleiche, nur: Geld gibt’s keins. Das machen nicht nur kleine Betriebe, sondern viele große Unternehmen, die es sich doch leisten können, viel zu zahlen. Michael Beyer, Ulrich Krätzer und Ute Bartel über einen neuen für die Wirtschaft sehr lukrativen Beruf: den Praktikanten.
Technische Universität Berlin. Rund 25.000 Studenten werden hier ausgebildet. Im Fachbereich Architektur machen allein dieses Jahr über 100 Studenten ihren Abschluss. Das Problem: Für die Architekten von morgen gibt es keine Stellen – unbezahlte Praktika dagegen reichlich.
Student
„Das ist für mich eine Ausbeutung. Eine ganz klare Ausbeutung von jungen, energischen, hoch qualifizierten Arbeitskräften, Studenten in diesem Fall, die Aufgabenbereiche übernehmen, die eigentlich einem gar nicht zustehen.“
Hoch qualifizierte Studenten, die in unbezahlten Praktika enden. Das macht auch die Lehrkräfte etwas ratlos.
Peter Berten, Technische Universität Berlin
„Ich meine, es trifft nicht nur Studierende. Es trifft vor allem diplomierte Architekten und Ingenieure, die in vielen, auch bekannten Büros mittlerweile als Praktikanten eingestellt werden. Das liegt nicht daran, dass sie schlecht ausgebildet sind, sondern dass einfach der Markt im Moment dies diktiert.“
Rund 40 Prozent aller Praktikanten in Deutschland arbeiten zum Nulltarif, schätzen Experten der Gewerkschaft. Stellenanzeigen beweisen es - für Praktikanten gilt noch: Wer Arbeit will, findet welche. Der Haken: Vergütung gibt es keine.
Frank Schneider arbeitet für den Verein Fairwork. Er hilft Praktikanten, die ausgenutzt werden und sammelt besonders dreiste Jobanzeigen.
Frank Schneider, Verein „Fairwork“
„Hier wird ein Praktikum angeboten für Übersetzungen für einen Reiseführer. Die Stelle sucht aber jemand, der ohne großen Zeitaufwand deutsche Texte problemlos und fehlerfrei übersetzen kann. Dann muss man natürlich sagen, na gut, dann ist es ein Übersetzer und der sollte für seine Arbeit auch Geld bekommen.“
Die Anzeige einer PR-Agentur kommt betont locker daher.
Frank Schneider, Verein „Fairwork“
„’Ihr wisst, wie es um Wirtschaft in Berlin steht. Gut bezahlte 9-5-Jobs gibt es selten und auch bei dieser Firma eben gar nicht.’ Steht hier wörtlich.“
Eine kleine Plattenfirma in Berlin-Schöneberg. Das Video zur neuen CD ist da, ein Produkt des gesamten Teams: des Chefs und seiner drei Praktikanten. Einer davon: Bernd Reinsch, gelernter Webdesigner, 36. Er gestaltet den kompletten Internetauftritt der Firma.
KLARTEXT
„Das heißt, wenn Sie jetzt nicht da wären und auch keiner an ihrer Stelle wäre…“
Bernd Reinsch, Praktikant
„…sagen wir mal so, wenn ich jetzt krank wäre zum Beispiel plötzlich, das wäre eine Katastrophe.“
Alle sind fest eingespannt – auch die Praktikanten. So funktionieren viele Medienunternehmen. Diese Praktikanten haben Glück. Sie bekommen einen Zuschuss von der Arbeitsagentur – der Chef selbst zahlt ihnen keinen Cent.
Stefan Lepiorz, Firmenchef
„Ich denke, es ist ein Geben und ein Nehmen und es ist so, dass ich ja niemanden zwinge, hier das Praktikum zu machen. Und ich sage auch von vorneherein, dass ich im Moment nicht in der Lage bin etwas zu bezahlen.“
So hoffen Chef und Praktikanten gemeinsam, dass die brandneue Platte „Caipirinha“ bald die Kassen klingeln lässt.
Hier dürfte es eigentlich keine Geldsorgen geben. Ein 4-Sterne-Hotel in Berlin. Es gehört zur größten Hotelkette Europas. Auch hier gibt’s Praktikanten.
Zurzeit sucht die Geschäftsleitung einen Praktikanten im Verkauf und im Marketing, für mindestens ein halbes Jahr. Am besten mit Studium. Jedoch zum Nulltarif.
KLARTEXT
„Warum kriegt der kein Geld. 200 Euro, 300 Euro?“
Andreas Schmidt, Hotel-Sprecher
„Äähm, geldtechnisch wird das vom Arbeitsamt unterstützt. Dort gibt es eine Maßnahme, die wir auch jedem Praktikanten sozusagen empfehlen, sich dort anzumelden. Dort kriegt er dann eine Unterstützung und wird dann auch entgeltlich sozusagen jeden Monat bezahlt vom Arbeitsamt aus.“
Das stimmt nur teilweise. Bei vielen zahlt die Agentur nichts oder gerade einmal die Fahrtkosten.
Der DGB fordert für Praktikanten jetzt einen Mindestlohn von 300 Euro. Fragt sich nur, warum die Gewerkschaften diesen Mindestlohn bis heute in keinem Tarifvertrag verhandelt haben.
Ingrid Sehrbrock, DGB-Bundesvorstand
„Ja, das ist eine gute Frage. Wir haben uns diese Frage natürlich auch gestellt und wir wollen jetzt erstmal die Betriebsräte auch sensibilisieren für diese Fragen, denn die kümmern sich nach unserer Einschätzung noch relativ wenig um Praktikanten. Das wäre sozusagen der erste Schritt.“
Später wollen die Gewerkschaften Praktikantenlöhne auch tariflich festhalten. Doch was passiert in den kleinen Firmen, wo es keine Tarifverträge gibt? Dort könnten Mindestlöhne nur per Gesetz vorgeschrieben werden. Doch das Arbeitsministerium ist dagegen und will, dass alles so bleibt, wie es ist.
Gerd Andres, Parlamentarischer Staatssekretär Arbeitsministerium
„Ich kann niemanden daran hindern, Sie sind alt genug. Wenn Sie verabreden, ich gehe irgendwo umsonst arbeiten. Warum soll der Gesetzgeber Sie daran hindern? Wenn Sie das wollen, wenn Sie das machen, machen Sie es doch. Hier geht es um Vertragsverhältnisse und der schnelle Ruf nach dem Gesetzgeber, den teile ich so nicht.“
Regeln für die Bezahlung von Praktikanten sind also unnötig. So sieht man es auch im Roten Rathaus Berlin. Selbst hier arbeiten Praktikanten ohne Lohn. Zum Beispiel im Presseamt. Keinen Euro für ein halbes Jahr Praktikum – für den Senatssprecher geht das in Ordnung.
KLARTEXT
„Liegt es am Geld, woran liegt es?“
Michael Donnermeyer, Senatssprecher Berlin
„Es liegt nicht am Geld. Es ist einfach festgelegt, dass Praktika, die berufsbegleitend sind im Rahmen der Ausbildung eben nicht vergolten werden. Ende. Wem das nicht gefällt, der muss bei uns nicht antreten.“
Die Politik ignoriert das Problem. Berufseinsteiger reihen Praktikum an Praktikum und in den Anzeigen heißt es weiter: „Vergütung – keine“.
Eine tarifvertragliche Lösung, das wäre doch eine gute Sache. Dann müssten zumindest große Verlage und Firmen Praktikanten Geld für ihre Arbeit zahlen. Fernsehanstalten übrigens auch…
Technische Universität Berlin. Rund 25.000 Studenten werden hier ausgebildet. Im Fachbereich Architektur machen allein dieses Jahr über 100 Studenten ihren Abschluss. Das Problem: Für die Architekten von morgen gibt es keine Stellen – unbezahlte Praktika dagegen reichlich.
Student
„Das ist für mich eine Ausbeutung. Eine ganz klare Ausbeutung von jungen, energischen, hoch qualifizierten Arbeitskräften, Studenten in diesem Fall, die Aufgabenbereiche übernehmen, die eigentlich einem gar nicht zustehen.“
Hoch qualifizierte Studenten, die in unbezahlten Praktika enden. Das macht auch die Lehrkräfte etwas ratlos.
Peter Berten, Technische Universität Berlin
„Ich meine, es trifft nicht nur Studierende. Es trifft vor allem diplomierte Architekten und Ingenieure, die in vielen, auch bekannten Büros mittlerweile als Praktikanten eingestellt werden. Das liegt nicht daran, dass sie schlecht ausgebildet sind, sondern dass einfach der Markt im Moment dies diktiert.“
Rund 40 Prozent aller Praktikanten in Deutschland arbeiten zum Nulltarif, schätzen Experten der Gewerkschaft. Stellenanzeigen beweisen es - für Praktikanten gilt noch: Wer Arbeit will, findet welche. Der Haken: Vergütung gibt es keine.
Frank Schneider arbeitet für den Verein Fairwork. Er hilft Praktikanten, die ausgenutzt werden und sammelt besonders dreiste Jobanzeigen.
Frank Schneider, Verein „Fairwork“
„Hier wird ein Praktikum angeboten für Übersetzungen für einen Reiseführer. Die Stelle sucht aber jemand, der ohne großen Zeitaufwand deutsche Texte problemlos und fehlerfrei übersetzen kann. Dann muss man natürlich sagen, na gut, dann ist es ein Übersetzer und der sollte für seine Arbeit auch Geld bekommen.“
Die Anzeige einer PR-Agentur kommt betont locker daher.
Frank Schneider, Verein „Fairwork“
„’Ihr wisst, wie es um Wirtschaft in Berlin steht. Gut bezahlte 9-5-Jobs gibt es selten und auch bei dieser Firma eben gar nicht.’ Steht hier wörtlich.“
Eine kleine Plattenfirma in Berlin-Schöneberg. Das Video zur neuen CD ist da, ein Produkt des gesamten Teams: des Chefs und seiner drei Praktikanten. Einer davon: Bernd Reinsch, gelernter Webdesigner, 36. Er gestaltet den kompletten Internetauftritt der Firma.
KLARTEXT
„Das heißt, wenn Sie jetzt nicht da wären und auch keiner an ihrer Stelle wäre…“
Bernd Reinsch, Praktikant
„…sagen wir mal so, wenn ich jetzt krank wäre zum Beispiel plötzlich, das wäre eine Katastrophe.“
Alle sind fest eingespannt – auch die Praktikanten. So funktionieren viele Medienunternehmen. Diese Praktikanten haben Glück. Sie bekommen einen Zuschuss von der Arbeitsagentur – der Chef selbst zahlt ihnen keinen Cent.
Stefan Lepiorz, Firmenchef
„Ich denke, es ist ein Geben und ein Nehmen und es ist so, dass ich ja niemanden zwinge, hier das Praktikum zu machen. Und ich sage auch von vorneherein, dass ich im Moment nicht in der Lage bin etwas zu bezahlen.“
So hoffen Chef und Praktikanten gemeinsam, dass die brandneue Platte „Caipirinha“ bald die Kassen klingeln lässt.
Hier dürfte es eigentlich keine Geldsorgen geben. Ein 4-Sterne-Hotel in Berlin. Es gehört zur größten Hotelkette Europas. Auch hier gibt’s Praktikanten.
Zurzeit sucht die Geschäftsleitung einen Praktikanten im Verkauf und im Marketing, für mindestens ein halbes Jahr. Am besten mit Studium. Jedoch zum Nulltarif.
KLARTEXT
„Warum kriegt der kein Geld. 200 Euro, 300 Euro?“
Andreas Schmidt, Hotel-Sprecher
„Äähm, geldtechnisch wird das vom Arbeitsamt unterstützt. Dort gibt es eine Maßnahme, die wir auch jedem Praktikanten sozusagen empfehlen, sich dort anzumelden. Dort kriegt er dann eine Unterstützung und wird dann auch entgeltlich sozusagen jeden Monat bezahlt vom Arbeitsamt aus.“
Das stimmt nur teilweise. Bei vielen zahlt die Agentur nichts oder gerade einmal die Fahrtkosten.
Der DGB fordert für Praktikanten jetzt einen Mindestlohn von 300 Euro. Fragt sich nur, warum die Gewerkschaften diesen Mindestlohn bis heute in keinem Tarifvertrag verhandelt haben.
Ingrid Sehrbrock, DGB-Bundesvorstand
„Ja, das ist eine gute Frage. Wir haben uns diese Frage natürlich auch gestellt und wir wollen jetzt erstmal die Betriebsräte auch sensibilisieren für diese Fragen, denn die kümmern sich nach unserer Einschätzung noch relativ wenig um Praktikanten. Das wäre sozusagen der erste Schritt.“
Später wollen die Gewerkschaften Praktikantenlöhne auch tariflich festhalten. Doch was passiert in den kleinen Firmen, wo es keine Tarifverträge gibt? Dort könnten Mindestlöhne nur per Gesetz vorgeschrieben werden. Doch das Arbeitsministerium ist dagegen und will, dass alles so bleibt, wie es ist.
Gerd Andres, Parlamentarischer Staatssekretär Arbeitsministerium
„Ich kann niemanden daran hindern, Sie sind alt genug. Wenn Sie verabreden, ich gehe irgendwo umsonst arbeiten. Warum soll der Gesetzgeber Sie daran hindern? Wenn Sie das wollen, wenn Sie das machen, machen Sie es doch. Hier geht es um Vertragsverhältnisse und der schnelle Ruf nach dem Gesetzgeber, den teile ich so nicht.“
Regeln für die Bezahlung von Praktikanten sind also unnötig. So sieht man es auch im Roten Rathaus Berlin. Selbst hier arbeiten Praktikanten ohne Lohn. Zum Beispiel im Presseamt. Keinen Euro für ein halbes Jahr Praktikum – für den Senatssprecher geht das in Ordnung.
KLARTEXT
„Liegt es am Geld, woran liegt es?“
Michael Donnermeyer, Senatssprecher Berlin
„Es liegt nicht am Geld. Es ist einfach festgelegt, dass Praktika, die berufsbegleitend sind im Rahmen der Ausbildung eben nicht vergolten werden. Ende. Wem das nicht gefällt, der muss bei uns nicht antreten.“
Die Politik ignoriert das Problem. Berufseinsteiger reihen Praktikum an Praktikum und in den Anzeigen heißt es weiter: „Vergütung – keine“.
Eine tarifvertragliche Lösung, das wäre doch eine gute Sache. Dann müssten zumindest große Verlage und Firmen Praktikanten Geld für ihre Arbeit zahlen. Fernsehanstalten übrigens auch…