Konzertkritik | Joe Bonamassa in Berlin - Der Blues-Athlet

Fr 19.04.24 | 08:55 Uhr | Von Jakob Bauer
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Archivbild:Joe Bonamassa bei einem Konzert am 05.04.2024.(Quelle:picture alliance/Photoshot)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.04.2024 | Jakob Bauer | Bild: picture alliance/Photoshot

Schon im Alter von zwölf Jahren spielte Joe Bonamassa mit der Blues-Legende B.B. King zusammen. Mittlerweile ist er selber eine und füllt die großen Hallen, zum Beispiel die Uber-Arena in Berlin. Jakob Bauer fühlte sich in einer musikalischen Zeitkapsel.

Wären da nicht die vielen filmenden Handys, man könnte denken, man wäre in einer Zeitkapsel gelandet. Joe Bonamassa und Band atmen an diesem Donnerstagabend in der Berliner Uber-Arena aus allen Poren richtigen Oldschool-Blues-Rock: fünf Männer an den Instrumenten, zwei Background-Sängerinnen, die zunächst nur dauerlächeln und synchron die Hüften schwingen, später dann auch unglaublich gut singen.

Der Chef trägt Sonnenbrille und Anzug, kein Schnickschnack, keine Leinwände, keine Bühnendeko lenkt ab. Stattdessen liegt der Fokus auf der Musik und den Menschen da vorne, die sie machen. Die heute Abend jede Variante der Blues-Tonleiter mit leidenschaftlicher Verve mindestens 100 Mal hoch- und runtersprinten.

Einer der besten des Blues-Rock

Der Chef, das ist Joe Bonamassa, 46 Jahre jung und schon ein alter Hase im Geschäft. Er hat in den letzten 30 Jahren so ziemlich mit jedem wichtigen Blues-Gitarristen zusammengespielt und 16 Alben veröffentlicht. Bonamassa trägt das Erbe des klassischen Blues-Rock weiter, er manifestiert es in der Gegenwart, ist einer der größten Fürsprecher und ja, auch einer der Besten.

Auch an diesem Abend ist es atemberaubend, wie seine Finger über die Gitarre fliegen, wenn er seine Soli raushaut. Und das sind viele. Die Band lässt sich Zeit, gibt den Songs den nötigen Raum sich aufzubauen, arbeitet auf Höhepunkte zu (Soli!), schwenkt wieder raus. Drei-Minuten-Pop ist hier nicht, stattdessen packen Joe Bonamassa und seine Band hier 13 Songs in zwei Stunden Konzert.

Faszination für Ausdauer und Akrobatik

Dabei ist es ein bisschen so, wie bei der, sagen wir mal, Leichtathletik. Es gibt da diese schiere Faszination für die Ästhetik der Geschwindigkeit, der genauen Körperbeherrschung, der Präzision, kurzum: für die perfekte Technik – die Joe Bonamassa eben auf seinem Instrument präsentiert.

Aber man muss halt drauf stehen, um es länger spannend zu finden. Denn trotz der Akrobatik, die jede Faszination nachvollziehbar macht, sind viele Soli doch ähnlich aufgebaut: Die Band baut den Teppich, Bonamassa jagt die Tonleitern hoch und runter.

Soul an einem seelenlosen Ort

Aber es gibt durchaus auch andere Momente, wenn die Gitarre ihre Sprache wechselt, wenn Bonamassa kunstvoll den Lautstärkeregler bedient und die Klänge dadurch zart ein- und ausschwingen. Wenn rhythmisches Zupfen und gefühlvolles Ziehen an den Seiten sich ins Ohr wühlen, dann fühlt sich das mehr nach musikalischer Idee an als nach technischer Nabelschau.

Am schönsten ist es, wenn die Band nicht nur die Bühne bereitet, sondern gemeinsam loslegt, wenn die Background-Sängerinnen in den Vordergrund treten und bluesig zerrissen den Soul in die sonst eher seelenlose Mehrzweckhalle schmettern. Dann überrollt der Bluestrain mit wundervoller Wucht das ganze Publikum.

Kann jemand die Stühle wegstellen, bitte?!

Apropos Publikum: Das ist voll da, aufmerksam und bringt Bonamassa und Band alle Liebe der Welt entgegen. Aber es ist eines dieser unseligen Sitzkonzerte. Erst bei den letzten Nummern darf man überhaupt richtig aufstehen und vor die Bühne kommen.

Und dann ist plötzlich so viel Power im Raum, dass klar wird, dass bei diesem Konzert noch mehr drin gewesen wäre. Dass das eine oder andere Solo vielleicht eine stärkere, eine ekstatischere Wirkung entfaltet hätte, wäre es statt in sitzend-wippende in schwitzend-tanzende Körper gefahren.

So allerdings bleibt unterm Strich: Für Blues-Rock-Liebhaber ein echt gutes Blues-Rock-Konzert.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.04.2024, 6:55 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

2 Kommentare

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  1. 2.

    Da passt nur ein Wort
    LEGENDE ...

  2. 1.

    Wunderbar!!!!,
    ganz herzlichen Dank für diese großartige Konzertkritik des Herrn Bauer. Dickes Kompliment an ihn!
    Ich lebe am Bodensee, durfte J.B. schon an die 7 x in Stuttgart oder Zürich erleben, doch leider kommt er dieses Jahr nicht in unsere Nähe, schaaaade!
    Ihr Glücklichen seid da besser dran + ich freue mich zu lesen, dass er und die Band wieder umwerfend waren! "Ausufernde" Gitarrensoli,.......herrlich!
    Vielen Dank und schöne Grüße aus der Provinz
    Yvonne

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