-
In der kommenden Woche eröffnet die Berlinische Galerie wieder und das gleich mit vier Ausstellungen, darunter "When Platitudes Become Form" des Berliner Künstlers Julius von Bismarck. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Natur und ihrer Zerstörung: Er filmt Waldbrände, dokumentiert die Verwüstungen von Hurricans oder nimmt uns mit in radioaktiv verseuchte Wälder, oft in großformatigen Installationen. In seiner neuen Ausstellung wird es darum gehen, wie wir Natur wahrnehmen und zum ersten Mal lässt er auch seine eigene Familiengeschichte einfließen.
Julius von Bismarck demontiert das Denkmal seines Urururgroßonkels Otto. Mit seinem Team schraubt, forscht und tüftelt und er für seine Einzelausstellung. In der Berlinischen Galerie will er eine lebensgroße Giraffe dem Reiterstandbild des ersten deutschen Reichskanzlers gegenüberstellen. Noch allerdings steht hier nichts.
Julius von Bismarck, Künstler
"Kann man jetzt nicht im Katalog bestellen, Giraffenbeine, in die man 2 Tonnen Seile führen kann. Das muss natürlich erfunden werden, deswegen sieht das ein bisschen nach Mischung aus Künstler-Chaos und Ingenieurs Studio aus."
Julius von Bismarck will mit seiner Kunst Unruhe stiften. Jetzt thematisiert er zum ersten Mal den Namen seiner Familie. Am Modell zeigt er, was er vor hat. "Ingenieurig" nennt er diesen Teil seiner Kunst.
Julius von Bismarck, Künstler
"Ingenieurig ist daran, dass es zusammenbrechen wird, wie diese Giraffe hier, die man vielleicht kennt, auch aus seiner Kindheit. Das haben wir versucht, hochzuskalieren, auf das Bremer Reiterstandbild von Otto von Bismarck, der dann auch zusammenbrechen wird und wieder aufstehen wird in der Ausstellung. In einem unaufhörlichen Prozess. So steht er dann da, und dann fällt er um… und dann steht er wieder auf."
Unser vereinfachender und vernichtender Blick auf Natur, das ist das Thema von Julius von Bismarck. Seine Ausstellung heißt: "When Plattitudes Become Form", wenn Plattheiten Gestalt annehmen. Bismarck-Palmen und anderen exotischen Pflanzen beraubt er dafür in einer riesigen, selbst gebauten Presse ihre Dreidimensionalität - wie für ein monumentales Herbarium.
Warum heißt ein Stück Pazifischer Ozean in Papua-Neuguinea eigentlich Bismarck-See? Es sind die Relikte deutscher Kolonialzeit, die noch immer unser Weltbild beherrschen. Julius von Bismarck will unsere Wahrnehmung verändern – mit seiner ganz eigenen Art von Landschaftsmalerei.
Julius von Bismarck, Künstler
"Bei mir heißt es nicht, ich mal die Landschaft auf eine Leinwand, sondern ich mal die Landschaft auf die Landschaft. Wir haben ein 100qm großes Stück Stoff mit diesen Linien bemalt. Diese Linien kennt man vielleicht aus Stichen und dann haben wir den Stoff mit dem Boot rausgezogen und schwimmen lassen, von den Wellen bewegen lassen und das fotografiert und das ist die Fotografie, die wir hier sehen. Da geht es darum, wie verändern wir die Natur dadurch, wie wir sie uns vorstellen oder wie wir sie uns malen."
"Geh aus mein Herz und suche Freud" gesungen von Familienmitgliedern der von Bismarcks. Das Kirchenlied ist der Soundtrack einer Videoinstallation, die von Naturfilmdokumentationen inspiriert ist. Die Verherrlichung der vermeintlich unberührten Landschaft durchkreuzt Bismarck hier ironisch.
Julius von Bismarck, Künstler
"Ich guck nach unten und man sieht direkt, wie der Abwind vom Helikopter den Wald aufwühlt und für mich steht dieses Aufwühlen für unsere Unfähigkeit, etwas anzugucken ohne es zu verändern, das kann man auch per se nicht. Überall wo man ist, verändert man das System. Auf der anderen Seite finde ich es auch ganz schön, als ob es unser Auge ist, das hier sozusagen direkt den Wald anfässt, nur gucken gibt es nicht - Man fasst an. Dazu kommt das Kirchenlied, der Gesang, das ist auch wie ein Hauch, unser Atem, der irgendwie in den Wald reinbläst. Das ist natürlich auch eine ganze Menge CO2, das der Helikopter da rein bläst, während wir über dem Wald schweben."
Julius von Bismarck ist bewusst, dass er sich durch das Spiel mit seinem großen Namen angreifbar macht. Seine Kunst ist kontrovers und macht ihn angreifbar. Gerade das macht die Qualität seiner Arbeit aus.
Julius von Bismarck, Künstler
"Die Themen, die ich thematisiere, da kann ich auch stark für kritisiert werden, es gibt Leute die sagen: Darf denn jemand der Bismarck heißt, der vielleicht selber Nutznießer ist von der Kolonialzeit, was auch immer Leute denken über mich, jetzt da eine kritische Ausstellung zu machen, was auch immer Leute denken über mich. Vielleicht komm ich da auch zwischen die Fronten. Wir müssen uns als Gesellschaft stark verändern und ich hoffe, dass ich da einen Beitrag zu leisten kann. Jetzt werden die ganzen Arbeiten hier abtransportiert, dann hab ich sie nicht mehr im Studio, aber dafür sind sie im Museum."
Autorin: Charlotte Pollex