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Das, was Berlin jahrelang ausmachte - dass hier Platz für Kunst und Kultur ist - könnte mit Streichungen und steigenden Kosten bald vorbei sein. Die "filmArche" ist solch ein Ort, der um seine Zukunft bangt, obwohl er gar nicht an Fördertöpfen hängt. Die unabhängige Filmschule bietet seit über 20 Jahren einen Weg in die Filmbranche - selbstorganisiert, mit flachen Hierarchien und vor allem bezahlbar. Allein finanziert aus den Studienbeiträgen konnte hier die Lehre gesichert werden - doch die steigende Miete zwingt die Schule zum Umzug. Bis Januar müssen sie noch 30.000 Euro auftreiben, sonst platzt der Umzug.
Garance Calvet ist 23 Jahre alt und will Regisseurin werden. Dafür ist sie extra aus Toulouse nach Berlin gezogen. Sie hat sich an mehreren Filmschulen in Frankreich beworben. Aber als ihr eine Freundin von der Filmarche erzählte, war klar, dass sie hier studieren möchte.
Garance Calvet, Regiestudentin
"An Unis habe ich immer mit der Hierarchie zwischen Lehrern und Studierenden gekämpft. Ich finde es richtig cool, dass wir hier voneinander lernen und uns gegenseitig Dinge beibringen, denn wir alle wissen bereits ganz viel. An anderen Filmschulen, wo ich mich beworben habe, da ging es immer um die einzelnen Charaktere, hier sehen wir uns als Gruppe."
Die Filmarche in Neukölln ist selbstorganisiert und ein Verein. Das heißt: die Studierenden zahlen für ihre Schule und entscheiden selbst, was sie lernen wollen und wen sie als Lehrende einladen.
Vera Paulmann engagiert sich seit ihrem ersten Jahr an der Arche im Vorstand, denn sie weiß: Es braucht diesen anderen Lernort.
Vera Paulmann, Vorstandsvorsitzende der Filmarche
"Ich hatte, bevor ich an der Arche war, immer die Erfahrung, dass ich alle Leute, mit denen ich einen Film gemacht habe, danach nicht mehr sehen wollte und dachte, so ist das wohl beim Film. Da ist einfach so viel Stress, da wird das Menschliche beiseitegelegt. Aber die Erfahrung hat sich dann sehr verändert, als ich hier war."
Weil die Miete der Filmarche in den letzten Jahren extrem gestiegen ist, frisst sie über die Hälfte des Budgets. Vera will, dass die Studienbeiträge mit 90 Euro pro Monat bezahlbar bleiben. Deshalb hat sie den Umzug in eine Genossenschaft in der ehemaligen Kindl Brauerei Neukölln angestoßen. Dafür wirbt die Arche um Spenden mit diesem Spot, der gerade in Berliner Kinos läuft.
Vera Paulmann, Vorstandsvorsitzende
"Wir sind jetzt seit ungefähr einem Jahr in dem Prozess und sind schon Mitglied in dieser Genossenschaft und haben jetzt ungefähr zwei Drittel von dem Eigenkapital, was wir für diese Genossenschaft aufbringen müssen, schon beisammen über Spenden und Direktkredite. Und jetzt müssen wir bis Ende des Jahres noch ungefähr 30.000 € zusammenbekommen."
Die Schule finanziert sich seit über 20 Jahren ganz ohne staatliche Förderung. Und sie hat einige erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen hervorgebracht. Eine von ihnen ist Constanze Wolpers. Sie hat mit ihrem Kurzfilm "Eine einzelne Tat" gerade die Lola in Gold gewonnen. Der Dokumentarfilm zeigt, wie Ermittlungsbehörden den rassistisch motivierten Messerangriff in Celle auf Arkan Hussein Khalaf zur Zufallstat erklären.
"Unser Wunsch ist es, dass diese grausame Tat keinen anderen Menschen ein weiteres Mal trifft und Rassismus in Deutschland auf härteste Weise bekämpft werden muss."
Constanze Wolpers, Absolventin
"Ich habe an der Filmarche gelernt, dass Filmemachen Teamarbeit ist. Ich glaube, das kann man woanders auch lernen. Aber es ist hier so absolut eindeutig und stark, weil wir kommen hier alle gar nicht voran nicht, nicht im Unterricht, nicht in der ganzen Schulstruktur, wenn wir nicht zusammenarbeiten. Dieser Spirit oder diese Idee, die hat sich durch mein weiteres Filmemachen total durchgezogen, dass für mich klar war, also alleine kann ich das nicht und alleine will ich das auch gar nicht."
Gemeinsames Arbeiten beginnt für die Studierenden mit einem Stimmungsbild: Wie geht es allen heute?
Garance Calvet, Regiestudentin
"Braucht ihr etwas bestimmtes während des Drehs, oder gibt es etwas, das euch triggert – jetzt könnt ihr es uns sagen."
Im Kurzfilm geht es passend zum Umzug um eine drohende Wohnungsräumung.
"Eigenbedarf? Sie wollen unsere Wohnung einfach teurer weitervermieten. Und wir finden nie wieder so eine Wohnung."
Garance Calvet, Regiestudentin
"Wir machen eine Menge Fehler und sind zu spät dran, aber das macht nichts. Wir sind alle hier, um zu lernen!"
Constanze Wolpers, Absolventin
"Wenn die Filmarche nicht mehr gäbe. Das wäre ein sehr großer Verlust, diese Art der des Denkens, dass ja durch das Lernen entsteht, nicht mehr in der deutschen oder der Berliner oder auch der ganzen europäischen Filmlandschaft zu haben."
Im neuen Gebäude soll ein richtiges Filmstudio gebaut werden und die Miete wäre fast hundert Jahre gedeckelt. Ob diese auf allen Ebenen unabhängige Institution ihr Happy End bekommt – die nächsten Wochen werden es zeigen.
Autor:innen: Luis Babst, Vera Drude