Donnerstagmorgen, 11 Uhr in Berlin-Friedenau. Gerhard Blum ist aus Potsdam in die Praxis der SMS Sportmedizin gekommen, um sich für den Berlin Marathon durchchecken zu lassen. Man sieht es ihm nicht an, aber er ist ein bisschen nervös: Immer wieder hat er sich gefragt, ob man ihm vielleicht die Teilnahme nicht erlauben könnte, ob das Risiko, einen Dialysepatienten starten zu lassen, den Veranstaltern zu groß sein könnte

Angela Hänsel von der SMS Sportmedizin bereitet alles vor: Erst einmal wird Gerhard Blum vermessen - Größe und Gewicht noch einmal gecheckt. Zuvor hat Gerhard Blum ein Formular abgegeben, das Thema Urinprobe kam auf: "Ich hab gesagt: Geht nicht!", erzählt er, "dann hat sie gefragt: 'Wie, geht nicht?' Ich bin Dialysepatient, hab ich gesagt."

Angela Hänsel bereitet einen Lungenfunktionstest vor. Dafür muss Gerhard Blum in eine kleine Glaskammer. Während er wartet, erzählt er vom Wochenende: Da waren seine Frau Ines und er von Heidesee zu seiner Tochter nach Italien gefahren, die an einem extremen Berglauf teilnahm. 

"Irgendwann fragte Ines [seine Frau, Anm. d. Red.], ob ich vorher nicht noch mal auf die Toilette wolle - ich hab gesagt ich gehe nächsten Montag", erzählt Gerhard Blum mit einem Grinsen. Dann wird seine Miene konzentriert - der Test ist startklar.

Gerhard Blum muss durch ein kleines Luftröhrchen atmen, mal langsam, dann schnell und zum Schluss so lange ausatmen, wie er kann. Ein Computer vermisst seine Atemfunktion dabei.

Ob die Werte gut sind, erfährt er später - erstmal folgt noch ein Ruhe-EKG. Angela Hänsel bringt Elektroden auf Brust, Armen und Beinen von Gerhard Blum an.

Sein Herzzyklus im beruhigten, normalen Zustand wird gemessen - auch um später beim Belastungstest optimale Vergleichsdaten zu haben, denn jeder Mensch ist anders, sowohl im Ruhezustand als auch unter Stress. Eines fällt auf: Gerhard Blums Herz macht regelmäßig kleine Extraschläge.

Dr. Ines Iacovella hat die Daten aus Lungenfunktionstest und Ruhe-EKG schon auf ihrem Rechner in Augenschein genommen, als Gerhard Blum zur ersten Auswertung und Besprechung in ihr Zimmer kommt. Seine Lunge arbeitet gut, jetzt kommen die Extraschläge zur Sprache. "Die habe ich schon lange. Mein Kardiologe hat sich das schon genau angeschaut und sieht da keine Gefahr."

"Und Sie merken davon nichts? Auch nicht beim Training?", fragt Dr. Iacovella. "Nein", antwortet Gerhard Blum. Er hat diverse Untersuchungsberichte gleich mitgebracht. Ines Iacovella folgt der Einschätzung seines Kardiologen. Dann sprechen sie über seine Dialyse und das Training. 

Dr. Iacovella checkt derweil Motorik und Gleichgewichtssinn von Gerhard Blum. Anschließend hört sie ihn noch einmal ab, schaut sich Gelenke, Füße und Beinmuskulatur an. 

"Sie sind also auf der Spenderliste?", fragt sie. "Ja! Wenn ich ein Organ kriege, möchte ich fit sein - dann will man ja nicht bei Null anfangen. Ich will nicht den Marathon gewinnen oder sowas - das ist für mich Vorbereitung", sagt Gerhard Blum. "Ok, dann geht's jetzt auf's Rad für Sie!" 

Wieder wird Gerhard Blum an Elektroden angeschlossen, zusätzlich legt Assistentin Angela Hänsel eine Blutdruckmanschette an. Diesmal kann von Ruhe keine Rede sein.

Gerhard Blum soll sich auf dem Rad auspowern, die Ärztin will sehen, wie sein Körper unter Belastung reagiert. Alle paar Minuten wird der Tretwiederstand des Rades erhöht. Normalerweise trainiert Gerd Blum im Pulsbereich 130 - jetzt soll er bewusst mehr geben. Nach etwa 20 Minuten ist er am Limit und die Belastungsdaten sind da. 

"Warum haben Sie jetzt Stopp gesagt? Lag's an der Puste?" "Nö, einfach die Beine, die Muskeln", sagt Gerhard Blum. Die brennen, aber er grinst: In den nächsten Tagen wird er wieder seine 60 Kilometer fahren. "Dann aber auf meinem Rad, der Antritt ist bei diesen Untersuchungsrädern ganz anders."

Alle Daten liegen auf dem Tisch. Gerhard Blum hat sich umgezogen und ist zurück bei Dr. Ines Iacovella. Erst einmal sieht alles gut aus, trotzdem hat Gerhard Blum als Dialysepatient ein besonderes Risiko zu tragen beim Marathon. Aber Dr. Ines Iacovella ist beeindruckt von seiner Vorbereitung, für die er zum Beispiel auch mit seinem Sohn getestet hat, wie viel Wasser er auf welchen Streckenabschnitten verliert. 

Am Ende gibt es eine gute Nachricht für Gerhard Blum: Er darf am Marathon teilnehmen! "Ich freue mich sehr, hatte doch ein paar Zweifel. Aber jetzt geht's los!", sagt er. "Auf dem Weg erzähle ich es Ines [seine Frau, Anm. d. Red.]". Glücklich macht er sich auf den Weg zurück nach Potsdam, zur Arbeit. Morgen ist der nächste Dialysetermin und am Wochenende wartet das Training.