Nachgefragt - Schilddrüse: Wieder volle Energie aus dem Hals?
Wachstum, Knochenbildung, Energiestoffwechsel - unsere Schilddrüse steuert lebenswichtige Prozesse im Körper. Bilden sich hier Knoten, droht Gefahr. Doch nicht nur deshalb fürchten sich viele vor der Operation. Das wichtige Organ sitzt an zentraler Stelle: nahe an Luftröhre, Kehlkopf und dem Nerv, der unsere Stimmbänder steuert. Am 14. Oktober 2015 begleitete die rbb Praxis live die OP von Knut Deimer, dessen linker Schilddrüsenlappen entfernt werden musste. Wir fragen nach: Wie verlief die OP? Und wie geht es Knut Deimer heute?
Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie
Krankenhaus Waldfriede e.V.
Argentinische Allee 40
14163 Berlin-Zehlendorf
Tel.: 030 - 81 810 247
Gut zwei Monate nach der Operation fühlt sich Knut Deimer wieder hervorragend, wie er sagt. Er dürfe wieder Sport treiben, sich körperlich anstrengen und esse auch ganz normal.
An den Tag nach seiner OP hat er eine ganz positive Erinnerung: "Dann bin ich morgens wach geworden und hab mich gewundert, dass mich jemand fragte, was ich denn zum Frühstück haben möchte. Ich dachte: Wieso Frühstück? Die haben mir am Hals rumgeschnibbelt, ich kann bestimmt nicht frühstücken. Und das Brötchen hat dann richtig gut geschmeckt. Das fand ich erstaunlich, das war schön." Was Knut Deimer dann aufgefallen sei, war, wie viel besser er atmen konnte: "Das muss schon sehr auf die Luftröhre gedrückt haben. Danach hab ich gemerkt, dass ich so richtig durchatmen konnte".
Auch heute ist Knut Deimer zufrieden mit seiner Entscheidung. Lediglich Jodtabletten nimmt er noch ein - Knut Deimer möchte verhindern, dass sein rechter Schilddrüsenlappen überstrapaziert wird und auch größere "heiße Knoten" entwickelt.
"Ich würde mich wieder operieren lassen - klar. Aber erst, wenn ich wieder das Gefühl habe, da drückt irgendetwas oder es behindert mich in irgendeiner Form. Also für mich ist das Thema abgehakt, und mir geht es besser als vorher, muss man ganz klar sagen," freut sich Knut Deimer.
BILDERGALERIE: KNUT DEIMER ZWEI MONATE NACH DER OP
Bild: rbb Praxis / Hennerici
An seinem Arbeitsplatz, dem Flughafen Berlin-Schönefeld, treffen wir Knut Deimer gut zwei Monate nach der OP wieder. Dort war er schon wenige Tage nach dem Eingriff wieder im Einsatz. Es geht ihm wieder richtig gut, wie er sagt: "Beschwerden hab ich nicht. Was ich noch habe - es ist aber ganz normal wurde mir gesagt - ist so ein ganz leicht taubes Gefühl am Hals morgens. Aber das soll angeblich nach sechs Monaten vorbei sein", sagt Knut Deimer.
Bild: rbb Praxis/Hennerici
An den Tag nach seiner OP hat er eine ganz positive Erinnerung: "Das war eigentlich meine erste OP, die ich in meinem Leben hatte und im Krankenhaus selber war ich auch das letzte Mal vor 25 Jahren also war das alles neu: Ich bin halt abends operiert worden - da hab ich ja nichts mitgekriegt, da hatte ich ja die Betäubung. Und dann bin ich morgens wach geworden und hab mich gewundert, dass mich jemand fragte, was ich denn zum Frühstück haben möchte. Ich dachte: Wieso Frühstück? Die haben mir am Hals rumgeschnibbelt, ich kann bestimmt nicht frühstücken. Aber was dann wirklich lustig war: Das Brötchen hat dann richtig gut geschmeckt. Das fand ich also erstaunlich, das war schön." Ein paar Tage nach der OP fiel ihm dann auf: "Das muss schon sehr auf die Luftröhre gedrückt haben. Danach hab ich dann gemerkt, dass ich so richtig durchatmen konnte".
Bild: rbb Praxis/Hennerici
Heute hat Knut Deimer nur noch eine kleine Narbe am Hals. Die dürfe er zwar noch nicht in die Sonne recken, das sei aber auch schon alles, sagt er. Auch Beschwerden hat er nicht und essen könne er auch, was er wolle. Nur Jodtabletten, die nimmt er noch, damit sein rechter Schilddrüsenlappen nicht überstrapaziert wird und auch größere "heiße Knoten" entwickelt.
Bild: rbb Praxis/Hennerici
Auch heute ist Knut Deimer zufrieden mit seiner Behandlung: "Ich würde mich wieder operieren lassen - klar. Aber erst wenn ich wieder das Gefühl habe: da drückt irgendwas oder es behindert mich in irgendeiner Form." Bisher sei das aber nicht nötig - der Softwareexperte fühlt sich fit und sehr wohl.
Bild: rbb Praxis/Hennerici
"Also für mich ist das Thema abgehakt und mir geht es besser als vorher, muss man ganz klar sagen," sagt Deimer heute. Die Schilddrüse wird er natürlich weiter im Auge behalten, aber wenn doch einmal etwas sein sollte, dann würde er sich wieder auf das Team um Dr. Leister verlassen: "Mir hat gefallen, dass da der Patient im Zentrum stand. Die haben sich alle sehr gekümmert." Am liebsten wäre es ihm aber trotzdem, wenn er nicht mehr ins Krankenhaus müsste.
Zwei Jahre lang stand die Diagnose bei Knut Deimer aus Heidesee fest: Knoten bildeten sich in seiner Schilddrüse, vor allem im linken Lappen des wichtigen Organs. Einer OP entzog er sich lange: "Ich hab das nicht ernst genommen und auch ein bisschen verdrängt. Als die [Knoten] entdeckt worden sind hat man auch gesagt: Kann man operieren. Daraus hab ich dann gemacht: Kann man auch lassen." Doch als ihn als Folge der wachsenden Knoten auch ein trockener Husten quälte, entschloss sich Knut Deimer doch zur OP. Er wandte sich an den Schilddrüsenexperten Dr. Ingo Leister im Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf. Die rbb Praxis übertrug die OP live in der Sendung vom 14. Oktober 2015.
Gefahr durch "Heiße Knoten"
Aus dem Jod in unserer Nahrung produziert die Schilddrüse lebenswichtige Hormone, die unsere Körperzellen für Stoffwechsel und Wachstum benötigen. Gesteuert wird sie dabei von der Hirnanhangdrüse, der Hypophyse. Knoten in diesem wichtigen Organ können sich entweder genetisch bedingt entwickeln, oder vor allem durch eine Überfunktion der Drüse: Reicht das Jod im Körper nicht aus, versucht die Drüse durch eine Art Hyperaktivität den entstehenden Mangel auszugleichen und vergrößert sich. Weil Teile des Schilddrüsengewebes dann zu viele Hormone produzieren, bilden sich sogenannte "Heiße Knoten".
Diese entwickelte auch die Schilddrüse von Knut Deimer. Die Folge: Vor allem der linke Lappen seiner Schilddrüse schwoll stark an, der größte Knoten wurde in Ultraschalluntersuchungen auf rund drei Zentimeter geschätzt - und drückte auf Kehlkopf und Luftröhre. Dazu löste die Vergrößerung bei Deimer einen permanenten Reizhusten aus - ein häufiges Phänomen.
BILDERGALERIE: DIE OP IM RÜCKBLICK
Bild: rbb Praxis
Am 14. Oktober 2015 traf Reporterin Britta Elm Knut Deimer im Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf noch vor seiner OP. Ein Knoten in seinem linken Schilddrüsenlappen quälte ihn. Unter anderem löste er Reizhusten aus.
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Lange hatte Knut Deimer mit der Behandlung gezögert: "Ich hab das nicht ernst genommen und auch ein bisschen verdrängt. Als die [Knoten] entdeckt worden sind hat man auch gesagt: Kann man operieren. Daraus hab ich dann gemacht: Kann man auch lassen." Von der Diagnose "Heiße Knoten in der Schilddrüse" wußte er schon lange. Schließlich entschied er sich doch zur OP. Wenige Stunden davor überprüfte Chirurg Dr. Ingo Leister nochmal die Schilddrüse - etwa drei Zentimeter groß schätzte er den Knoten.
Bild: rbb Praxis
Um 19.30 Uhr beginnt die OP an Deimers Schilddrüse. Britta Elm wird live aus dem OP-Saal zugeschaltet und berichtet.
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Die ganze Operation erfolgt über den sogenannten Kocher-Kragenschnitt, also einen - je nach Eingriff - rund sechs Zentimeter breiten horizontalen Einschnitt am unteren Hals. "Natürlich ist das eine sensible Region und man versucht heute den Schnitt so klein wie möglich zu halten […] nicht mehr wie man das in den 80er Jahren gesehen hat mit sehr großen Schnitten", so Leister.
Bild: rbb Praxis
Aus dem Jod in unserer Nahrung produziert die Schilddrüse (rotes, schmetterlingsförmiges Gewebe unter dem Kehlkopf in weiß) lebenswichtige Hormone, die unsere Körperzellen für Stoffwechsel und Wachstum benötigen. Gesteuert wird sie dabei von der Hirnanhangdrüse, der Hypophyse.
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Auf den Schilddrüsenlappen liegen die wichtigen Nebenschilddrüsen. Sie sind linsenförmig und -groß und versorgen unsere Körperzellen mit lebensnotwendigem Kalzium. Das dient nicht nur zum Aufbau von Zähnen und Knochen sondern auch, damit Muskeln und Nerven richtig funktionieren. "Wenn man die alle entfernen würde, dann hätte man massive Probleme mit dem Kalziumstoffwechsel. Das ist auch ein schweres Krankheitsbild und deshalb muss man diese Nebenschilddrüsen unbedingt erhalten", sagt Dr. Leister.
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Durch den Knoten (im Kreis markiert) ist der Stimmbandlappen von Knut Deimer extrem angeschwollen - er ist nun fast dreimal so groß, wie ein normaler Schilddrüsenlappen.
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Außerdem kontrolliert Dr. Leister immer wieder den Stimmbandnerv, der hinter der Schilddrüse liegt. Der muss vorsichtig von dem Lappen getrennt werden, der entfernt werden soll - sonst kann die Fähigkeit zu sprechen stark eingeschränkt werden.
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Zur Kontrolle des Nerves werden seine Impulse "abgehört" - ein Klopfen und der Ausschlag am Bildschirm zeigen: Der Nerv ist intakt und "sendet".
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Nach rund 45 Minuten ist es geschafft: Der Schilddrüsenlappen ist entfernt, die Nebenschilddrüsen hat der Chirurg "geschont", sie sind nicht entfernt worden.
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Auch die Kontrolle des Stimmbandnerves zeigt: Alles in Ordnung. Das Gewebe des Knotens wurde sauber entfernt. Dr. Leister ist zufrieden.
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Eine Überraschung gab es dann aber doch: Der entfernte Knoten ist noch größer, als im Ultraschall zu sehen war...
Bild: rbb Praxis
...tatsächlich mißt er stolze vier Zentimeter und drückte daher auf die Luftröhre des Patienten Deimer. Daher unter anderem seine Hustenbeschwerden. Auch einige kleinere Knoten wurden mit dem Schilddrüsenlappen entfernt. Später zeigt ein pathologischer Befund: Die Knoten sind gutartig. Wie in den meisten Fällen hat es auch Knut Deimer nicht mit bösartigem Krebs zu tun.
Schilddrüsenkrebs wächst in der Regel relativ langsam. Darüber hinaus sind über 90 Prozent der Wucherungen gutartig, auch wenn dies immer abgeklärt werden sollte. Knut Deimer ließ das Wachstum seiner Schilddrüsenknoten immer wieder kontrollieren, erst die zusätzlichen Beschwerden führten zur Veränderung seiner Entscheidung. Viele Patienten entscheiden sich dann für die OP, wenn das angewachsene Organ auf die Luftröhre drückt und die Atmung einschränkt.
"Mir hat dort in dem Krankenhaus gut gefallen, dass man gesagt hat, man macht wirklich nur so viel wie notwendig ist, und man hat sich angeschaut: Wie haben sich diese Knoten in den letzten Jahren verhalten? Also: Das hat mir auch generell gut gefallen, dass man mitreden konnte und einem gesagt wurde, was die Vor- und die Nachteile sein können," sagt Knut Deimer heute.
Knoten in der Schilddrüse
Heißer Knoten
Bereiche der Schilddrüse, die sich auf Grund einer Überfunktion vergrößern, bezeichnet der Mediziner als "heiße Knoten". Die Vergrößerung tritt meist im Zusammenhang mit einer Jod-Unterversorgung auf, die die Schilddrüse zu kompensieren versucht. Neben Jodmangel kann auch eine genetische Veranlagung der Grund für das Wachstum sein. Experten sprechen von einem heißen Knoten, wenn im Gewebe zu viel Schilddrüsenhormon gebildet wird. Beschwerden sind Gewichtabnahme, Haarausfall, Schwitzen, Nervosität. Operiert wird ein heißer Knoten, wenn er durch seine Größe und Lage Beschwerden verursacht, zum Beispiel auf die Luftröhre drückt. Eine Alternative zur Operation der heißen Knoten ist die Radiojodtherapie oder eine Tablettengabe. Gewebeveränderungen, die durch einen Jodmangel verursacht sind, treten bei Männern und Frauen gleich häufig auf.
Kalter Knoten
Von einem "Kalten Knoten" spricht man bei Schilddrüsenbereichen, die wenig oder keine Hormone mehr produzieren, also sehr inaktiv sind. Für diese kalten Knoten besteht ein geringes Krebsrisiko von etwa 0,1 Prozent. Es kann allerdings auf bis zu zehn Prozent ansteigen, wenn der kalte Knoten wächst. Die Schilddrüsenunterfunktion durch kalte Knoten geht mit unspezifischen Beschwerden einher, zum Beispiel Gewichtzunahme, Konzentrationsstörungen, Depressionen, Schlafstörungen oder Müdigkeit. Auch hier gilt: Wann ein Knoten operiert wird, hängt von der Größe und Größenzunahme, aber auch individuell vom Risiko des einzelnen Patienten ab, z.B. vom Alter oder Zusatzerkrankungen.
Eingriff mit Herausforderungen
Im Fall von Knut Deimer dauerte der Eingriff rund 45 Minuten. Dabei sind generell ein paar besondere Herausforderungen zu beachten, die sich aus der Lage der Schildrüse am Hals ergeben: Zum einen liegt die wie ein Schmetterling geformte Schilddrüse vor dem sogenannten Stimmbandnerv. Wird dieser beschädigt oder gar durchtrennt, kann das zu erheblichen Schwierigkeiten beim Sprechen führen. Außerdem liegen auf den Schilddrüsenlappen die wichtigen Nebenschilddrüsen. Sie sind linsenförmig und -groß und versorgen unsere Körperzellen mit lebensnotwendigem Kalzium. Das dient nicht nur dem Aufbau von Zähnen und Knochen sondern auch, damit Muskeln und Nerven richtig funktionieren.
Werden die Nebenschilddrüsen irrtümlich entfernt, treten schwere gesundheitliche Schäden auf: "Wenn man die alle entfernen würde, dann hätte man massive Probleme mit dem Kalziumstoffwechsel, also ein zu niedriges Kalzium mit Kribbeln in den Fingern und um die Nase herum bis zu Krämpfen. Das ist auch ein schweres Krankheitsbild und deshalb muss man diese Nebenschilddrüsen unbedingt erhalten", sagt Dr. Leister. Deshalb gelte es, diese linsenförmigen Drüsen unbedingt bei einer OP zu schonen.
Die ganze Operation erfolgt über den sogenannten Kocher-Kragenschnitt, also einen - je nach Eingriff - rund sechs Zentimeter breiten horizontalen Einschnitt am unteren Hals. "Natürlich ist das eine sensible Region und man versucht heute den Schnitt so klein wie möglich zu halten […] nicht mehr wie man das in den 80er Jahren gesehen hat mit sehr großen Schnitten", so Leister.
Für die Entfernung des linken Schilddrüsenlappens durchtrennt der Chirurg den "Isthmus", ein schmales Gewebestück, das linken und rechten Schilddrüsenlappen verbindet. Dann wird der Lappen unter Aussparung der Nebenschilddrüsen entfernt. Dabei wird der Stimmbandnerv hinter der Schilddrüse immer wieder auf seine Leitfähigkeit kontrolliert - ein kleiner Monitor macht die elektrischen Impulse des Nerves für das OP-Team hörbar und signalisiert damit: Der Nerv ist gesund und nicht durch den Eingriff verletzt oder gar durchtrennt worden. Auch die Nebenschilddrüsen wurden "geschont", wie Dr. Ingo Leister am Ende der OP überprüft und feststellt.
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