Interview | EMDR -
Die Skepsis war anfangs sehr groß. Doch inzwischen ist EMDR eine anerkannte Methode bei der Behandlung der Postraumatischen Belastungsstörung. Man erforscht ihre Wirksamkeit inzwischen auch bei Depressionen und Angststörungen. rbb Praxis sprach mit Dr. Michael Hase, Vorsitzender des Fachverbandes der EMDR-Therapeuten, emria Deutschland e.V..
Herr Hase, was ist EMDR?
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, was auf Deutsch Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung bedeutet. Es ist eine innovative, junge Psychotherapie, die ihren besten Wirksamkeitsnachweis in der Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen hat.
Was passiert bei der EMDR?
Der EMDR-Therapeut holt nicht verarbeitete Erlebnisse in die Erfahrung zurück und macht so eine Nachverarbeitung möglich. Dabei löst er mithilfe schneller Fingerbewegungen vor dem Auge des Patienten das sogenannte Rapid Eye Movement aus, das man aus dem Traumschlaf kennt. Der Patient ist aber im Wachzustand und kann über die Erinnerungen sprechen.
Wie sieht so eine EMDR-Sitzung aus?
Sie dauert etwa 90 Minuten. Der Patienten wird gebeten, mit den Augen dem Finger des Therapeuten zu folgen, nach etwa 30 bis 50 Bewegungen, fragt er den Patienten, was er nun vor Augen hat. Der Patient berichtet von dem, was er sieht oder fühlt. Dieser Prozess wiederholt sich dann mehrmals nacheinander.
Sind die Patienten in einem hypnose-ähnlichen Zustand?
Nein, man hat in EEG-Untersuchungen herausgefunden, dass die Gehirnströme andere sind als während einer Hypnose.
Welchen Erfolg hat diese Therapie?
Studien zeigen, dass EMDR bis zu 40 Prozent weniger Sitzungen benötigt als etwa die Verhaltenstherapie. Meist brauchen die Patienten insgesamt 25 Sitzungen, aber wenn es sich um komplexe traumatische Erfahrungen aus Kindheit handelt, die sich durchs ganze Leben ziehen, dann kann so eine Behandlung auch länger dauern.
Was verändert sich durch diese Therapie?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: eine Patientin hatte eine traumatisches Kindheitserlebnis. Sie kam von der Schule nach Hause und klingelte an der Tür. Ihr Vater öffnete, doch bevor sie in die Wohnung treten konnte, gab er ihr eine Ohrfeige. Dieses Erlebnis bewertete sie zu Beginn der Behandlung auf einer Skala von 0 – 10 mit der Stufe 8 bis 9, also als sehr belastend. Am Ende der Behandlung sagte sie, sie habe nun ein ganz anderes Bild von dieser Situation, erlebe ihren Vater nicht mehr als Bedrohung und empfinde keine Belastung mehr.
Ist es wichtig, dass die Patienten noch einmal die schmerzvollen Gefühle erleben?
Nein, nicht unbedingt. In etwa der Hälfte der Fälle, gehen die Patienten nicht noch einmal durch den alten Gefühle sondern sie erfahren in der Therapie, dass sie eine andere Haltung gegenüber der Situation einnehmen können.
Für welche Krankheitsbilder kommt die EMDR denn in Frage?
Die Wirksamkeit der EMDR-Therapie ist erwiesen bei der Behandlung von Posttraumatischen Behandlungsstörungen. Derzeit laufen Studien, die testen, ob sie auch bei Depressionen, Angst- und Schmerz-Störungen helfen kann. Bei der Therapie von Menschen mit Zahnarzt-Ängsten gibt es bereits Erfolge.
Bezahlt die Kasse die Therapie?
Bisher werden die Kosten nur bei Posttraumatischen Behandlungsstörungen übernommen. Wir hoffen aber, dass die Indikationsliste erweitert wird. Selbstzahler zahlen für 90 Minuten ca. 135 Euro pro Stunde, das ist der normale Satz für eine Psychotherapie.
Wie findet man den richtigen Therapeuten?
Es gibt mittlerweile mehr als 1.800 zertifizierte EMDR-Therapeuten. Man findet sie unter der Internet-Adresse: www.emdria.de . Man sollte auf die Zertifizierung achten. Denn es gibt auch Anbieter, die keine fundierte psychotherapeutischen Ausbildung haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Angelika Wörthmüller.