Interview | Beratung zu Alternativmedizin - Alternativmedizin auf dem Prüfstand
Die Alternativmedizin ist beliebter denn je. Doch nicht jede Therapie ist seriös und nicht in allen Fällen reichen alternative Methoden allein aus, um eine Krankheit zu behandeln. Ein Verein im Emsland hat sich zur Aufgabe gemacht, Patienten zu begleitenden alternativen Methoden zu beraten - auch bundesweit. rbb Praxis sprach mit der Vorsitzenden Christina Bülow-Sartori.
Frau Bülow, Sartori, was verstehen Sie unter Integrativer Medizin?
Integrative Medizin meint in erster Linie die Verbindung von Naturheilkunde und Schulmedizin. Wobei wir im Verein den Begriff weiter fassen: für uns gehören auch Ernährung, Bewegung und Entspannung dazu. Das heißt, wir haben in unserem Verein zurzeit 21 Mitglieder aus den unterschiedlichsten Bereichen: Ärzte, Heilpraktiker, Psychotherapeuten, Osteopathen, Ernährungsberater. Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns über bestimmte Krankheitsbilder, zum Beispiel Arthrose oder entzündliche Darmerkrankungen aus. Daraus entstehen Behandlungsempfehlungen, auf deren Basis wir die Menschen, die unseren Rat suchen, beraten.
Mit welchen Anliegen kommen die Ratsuchenden zu Ihnen?
Viele Menschen suchen Rat, wenn es um Beschwerden des Bewegungsapparates geht, vor allem Rückenschmerzen oder Arthrose. Der zweite Schwerpunkt sind Magen-Darm-Beschwerden oder auch Allergien, aber auch psychische Belastungen sind immer wieder ein Thema. Die Menschen fragen weniger nach bestimmten komplementären Methoden. Vielmehr haben sie ein konkretes gesundheitliches Problem, bei dem sie nicht weiterkommen. Wir führen dann ein telefonisches oder persönliches etwa 30-minütiges Anamnesegespräch, in welchem es darum geht, welche Beschwerden vorliegen und welche Therapien bereits durchgeführt wurden. Auf der Basis dieser Informationen geben wir dann Tipps, welche Methoden aus der Naturheilkunde zusätzlich geeignet wären; aber auch welche Ernährung oder welches Entspannungsverfahren sich als Ergänzung anbieten würden. Schriftliche Beratung per Internet machen wir nicht, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass das sehr zeitaufwändig ist und den tatsächlichen Bedürfnissen der Ratsuchenden nicht gerecht wird. Wir empfehlen auch keine Therapeuten, sondern weisen darauf hin, wo man im Internet verlässliche Informationen dazu findet.
Woher nehmen Sie das Wissen, welche Methoden dann in so einem einzelnen Fall noch helfen könnten und raten Sie von bestimmten Methoden auch gänzlich ab?
Zum einen tauschen wir uns in unserem interdisziplinären Team genau darüber regelmäßig aus. Dann informieren wir uns natürlich auch über die aktuelle Studienlage zu bestimmten Therapien. Leider gibt es nicht zu allen alternativen Methoden Studien, weil häufig kein Geld dafür zur Verfügung gestellt wird. Auch werden die Ergebnisse von Experten oft sehr widersprüchlich bewertet. Zum Glück haben wir einen wissenschaftlichen Beirat im Hintergrund, den wir in solchen Fällen ansprechen können. Zur Wirkungsweise von Heilpflanzen, zur Akupunktur, aber auch zur Blutegel-Therapie gibt es ganz aussagekräftige Studien, was aber nicht heißt, dass wir von den weniger gut belegten Verfahren abraten. Eher vorsichtig sollte man allerdings bei Methoden sein, die im weitesten Sinne esoterisch sind, wie etwa geistiges Heilen. Wir geben vielmehr Tipps worauf man bei der Behandlung mit alternativen Methoden achten sollte.
Und worauf sollte man da achten?
Unser Verein setzt sich für die Integrative Medizin ein, also für das Zusammengehen von Schulmedizin und Alternativmedizin. Wichtig ist, dass besonders bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs, immer mit einem Schulmediziner zusammen gearbeitet wird. Und der Patient sollte dazu ermutigt werden, mit seinem Hausarzt über zusätzliche Therapien zu sprechen. Hellhörig sollte man immer werden, wenn jemand im wahrsten Sinne des Wortes Heilsversprechen macht. Wenn Sie bei einem Heilpraktiker oder einem anderen Therapeuten sind, fragen sie ruhig nach, wo er die Methode erlernt hat, die er ihnen anbietet und wieviel Erfahrung er damit hat. Das ist vielleicht im ersten Moment etwas ungewöhnlich, kann aber sehr schnell zeigen, ob der Therapeut vertrauenswürdig ist.
Wie finanziert sich Ihre Beratung?
Der Verein finanziert sich ausschließlich über Mitgliederbeiträge. Bislang bieten wir die Beratung kostenlos an. Das gilt auch für unsere so genannten Fallkonferenzen, wo Patienten persönlich vor dem Team ihre gesundheitlichen Probleme erörtern können. Unser Verein existiert seit Herbst 2012 und langsam kommen wir damit schon an unsere Grenzen. Jeder im Verein hat auch noch seinen Brotberuf und dafür bleibt dann durch die Vereinsarbeit oft nicht genügend Zeit. Daher können wir im Moment nicht mehr als 5-6 Beratungen pro Woche anbieten. Ich würde mir wünschen, dass die Krankenkassen solche Beratungsstellen für Integrative Medizin einrichten. Es sollte ja im Interesse der Kassen sein, das fundiert beraten wird und so auch nur Verfahren bezahlt werden, die auch wirklich helfen können. Diese Verfahren sollten dann aber auch tatsächlich finanziert oder zumindest gefördert werden. Ich habe schon mehrere Gespräche mit Krankenkassenvertretern geführt und bin da auf große Offenheit gestoßen. Vielleicht gibt es daher in ein paar Jahren nicht nur unser Angebot.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bülow-Sartori.
Das Interview führte Ursula Stamm.