Antibiotika werden in Petrischale geträufelt (Quelle: imago/Westend61)
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Wenn Antibiotika versagen - Resistentes Gen nun auch in Deutschland nachgewiesen

Es gilt als eines der wenigen Reserve-Antibiotika, die immer noch wirken, wenn andere Präparate versagen: Colistin. Doch im November 2015 haben Forscher ein Resistenzgen in Bakterien entdeckt, welches diese dagegen unempfindlich macht. Dieses Resistenzgen wurde jetzt auch in Deutschland in der Bakterienprobe eines Menschen nachgewiesen. Über die Folgen dieser Entdeckung, sprach rbb Praxis mit Dr. Tim Eckmanns, Experte für Antibiotikaresistenz vom Robert-Koch-Institut.

Warum hat man gerade jetzt dieses Resistenzgen entdeckt und was ist so neu daran?

Wir wissen inzwischen, dass es dieses Resistenzgen schon länger gibt. Nachdem die Kollegen in China es offiziell nachgewiesen haben, wurden in vielen Ländern Bakterienproben von Tieren oder Menschen, so genannte Isolate, auf mcr-1 hin untersucht. Der älteste Nachweis ist im Moment eine  französische Probe von 2005. In China hat man eine Zunahme von Resistenzen gegen Colistin festgestellt und dann nach den Ursachen gesucht. Es gab auch in der Vergangenheit schon Bakterien, die resistent waren gegen Colistin. Aber diese Eigenschaft konnte nur chromosomal, also innerhalb der "Familie" eines Bakteriums übertragen werden. Die Kollegen in China waren jetzt die Ersten, die festgestellt haben, dass die neue Resistenz über so genannte Plasmide übertragen wird, was viel leichter geht. So kann diese Eigenschaft auch zwischen  verschiedenen Bakterienarten übertragen werden.

Kann man schon sagen, wie weit verbreitet die Resistenz ist?

Es gibt Zahlen aus China, dass das Resistenzgen mcr-1 in 15 Prozent der Fleischproben, 21 Prozent der Nutztierproben und in einem Prozent der humanen Proben gefunden worden ist. Letzte Woche ist ein Artikel in "Lancet Infectious Diseases" erschienen, der für Deutschland ein humanes Isolat und vier tierische Isolate nennt, die das Resistenzgen aufweisen. Aber das sind bislang Einzelfunde und wir können anhand dieser Zahlen nicht sagen, wie stark die Colistin-Resistenz insgesamt verbreitet ist. Es werden aber im Moment an mehreren Stellen, wie dem  Robert-Koch-Institut, dem Bundesinstitut für Risikobewertung und dem Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Krankheitserreger  vermehrt Isolate auf das Resistenzgen hin untersucht, um eine bessere Einschätzung der Situation in Deutschland zu gewinnen. Was positiv ist: obwohl das Resistenzgen offensichtlich schon länger existiert, haben wir, zumindest in Deutschland, bislang keinen deutlichen Anstieg von Resistenzen gegen Colistin. Das RKI wertet regelmäßig die mikrobiologischen Befunde von 500 deutschen Krankenhäusern aus und da konnten wir bislang keine deutliche Veränderung  erkennen.

Welche Rolle spielt es, dass Colistin auch häufig in der Tierzucht verwendet wird?

Colistin ist das fünft-häufigste Antibiotikum, welches im Agrarbereich eingesetzt wird. Sie müssen sich vorstellen, dass in riesigen Tierställen keine einzelnen Tiere behandelt werden. Wenn dort einige Tiere krank sind, wird unter Umständen der ganze Stall mit Colistin behandelt.  Wir wissen aber, dass Antibiotika, die unspezifisch eingesetzt werden, das Risiko für eine Resistenzbildung deutlich erhöhen. Für Colistin haben wir da keine Zahlen zur Resistenz in der Bevölkerung. Aber es gibt noch andere wichtige Erregergruppen, so genannte ESBL, die gegen alle Beta-Lactam-Antibiotika wie Penicilline resistent sind. Und da haben unsere bayerischen Kollegen in einer Studie festgestellt, dass sieben Prozent der gesunden Bevölkerung  diese ESBL in sich tragen. Das ist unter anderem höchstwahrscheinlich auf den übermäßigen Gebrauch von Antibiotika in der Tierzucht zurückzuführen. Wir fordern und unterstützen daher einen "One-Health-Ansatz"; das meint den sinnvollen Einsatz von Antibiotika sowohl beim Menschen wie in der Tierhaltung.

Kann man sich durch den Genuss von Fleisch mit den resistenten Colistin-Bakterien infizieren?

Im Prinzip schon. Da sind die Penicillin resistenten ESBL quasi eine Art "Vorbild", denn auch deren Resistenz wird über Plasmide übertragen. Wir wissen aus Stichproben, dass  ESBL positive E. Coli Bakterien auf den Hühnern im Supermarktregal zu finden sind. Wird dann bei der Zubereitung nicht auf die erforderliche Hygiene geachtet, kann es ein, dass man die resistenten Keime über die Nahrung aufnimmt. Meine Großmutter hat noch gelernt, dass man Fleisch und Gemüse auf getrennten Küchenbrettern zubereitet und auch nicht das gleiche Messer für Fleisch wie für Gemüse benutzt. Das wissen heute viele Menschen nicht mehr und so steigt natürlich auch die Wahrscheinlichkeit für eine Übertragung dieser Keime.

Was bedeutet die Resistenzbildung gegen Colistin für Patienten mit Infektionen im Krankenhaus?

Als ich vor 25 Jahren Medizin studiert habe, spielte Colistin in der Behandlung von Infektionen keine Rolle. Es hat sehr viele Nebenwirkungen und wirkt toxisch - also giftig -  auf Nerven und Nieren.  Als dann immer mehr Antibiotika durch Resistenzbildung ihre Wirksamkeit verloren haben, hat man dann wieder auf das Colistin zurückgegriffen.  Es wird heute vor allem zur Bekämpfung so genannter gramnegativer Bakterien wie der Enterobakterien eingesetzt, weil  wir da auf immer weniger Antibiotika zurückgreifen können.  Wenn Colistin dann auch nicht mehr wirkt, haben wir ein großes Problem. Wobei man immer sagen muss, dass ein wirksames Antibiotikum allein einen infizierten Patienten auch nicht gesund machen kann.  Denn ohne eine einigermaßen funktionierende Immunabwehr hilft auch das beste Antibiotikum nichts. Und bei immunsupprimierten oder anderen schwer kranken Patienten, reicht das dann manchmal einfach nicht. Wir haben in deutschen Krankenhäusern immer noch mehr Patienten, die an Infektionen sterben, die durch Antibiotika sensible Erreger ausgelöst wurden als durch Erreger, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft. Aber es gibt bei etwa einer  von 1000 Infektionen die Situation, dass gar kein Antibiotikum mehr wirkt. Das darf auf keinen Fall mehr werden.

Was für Lösungs- oder Verbesserungsvorschläge gibt es aus Ihrer Sicht?

Es wird ja häufig nach neuen Antibiotika gerufen. Keine Frage: wenn ein Arzt mehr Antibiotika zur Verfügung hat, ist das immer besser als wenn er weniger zur Verfügung hat.  Aber man muss sagen: auch gegen dieses neue Antibiotikum können sich wieder Resistenzen entwickeln. Wir haben im Grunde noch sehr viel Spiel, dass wir die Antibiotika, die wir haben, auch sinnvoll einsetzen -  sowohl bei der Behandlung von Menschen als auch in der Tierzucht. Das gilt inzwischen global. Denn die Resistenzentwicklung bei den Antibiotika ist längst kein nationales Problem mehr.  Sowohl Reisen als auch der internationale Lebensmittelhandel sorgen dafür, dass  man resistente Keime nicht mehr im Ursprungsland halten kann.  Länder wie Griechenland, die Türkei oder USA haben deutlich mehr mit resistenten Bakterien zu kämpfen als wir. Aber auch ein Kontinent, wie Afrika, von dem wir immer dachten, dass der erzwungen sparsame Einsatz von Antibiotika Resistenzbildung verhindert, hat vermehrt mit Resistenzen zu kämpfen -  vermutlich durch den ungezielten Einsatz von Antibiotika.
 
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Eckmanns!
Das Interview führte Ursula Stamm.