Gefahr für Zahnfleisch & Zähne - Parodontitis: Ursachen, Symptome & Behandlung
Bei Parodontitis greifen Entzündungen Zahnfleisch & Zahnhalteapparat an. Zahnverlust und Entzündungen im Körper drohen. Wichtig: schnelle Behandlung.
Hierzulande gibt es fast zwölf Millionen Betroffene. Parodontitis ist neben Karies die zweite große Volkskrankheit, die unbehandelt zu Zahnverlust fortschreiten kann. Die Daten der letzten Deutschen Mundgesundheitsstudie zeigen, dass bereits Dreiviertel aller 35- bis 44-Jährigen unter einer Zahnbettentzündung leiden, bei den 30 Jahre Älteren sind sogar neun von zehn betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Parodontitis bereits vor Jahren zur Volksseuche erklärt; neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Depressionen zählt sie zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit.
Außerdem kann sich Parodontitis auf den ganzen Körper auswirken und so wiederum Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und Entzündungsprozesse im Körper befeuern.
Was ist Parodontitis?
Die Parodontitis ist eine chronische Entzündung im Mund, die früh diagnostiziert, systematisch behandelt und lebenslang kontrolliert werden sollte. Ausgelöst wird die Entzündung durch Bakterien, die sich z. B. an den Zahnzwischenräumen erst am Zahnfleisch ansiedeln und dann als Belag bzw. Zahnbelag oder Biofilm auch auf der Zahnoberfläche.
Das Problem: Die ersten Schritte der Ansiedelung durch Bakterien und auch der Entzündungen sind schmerzfrei und werden deshalb gar nicht oder zu spät bemerkt.
Vorbeugen lässt sich vor allem durch gute Mundhygiene: also gründliches und regelmäßiges Reinigen der Zähne, Zahnzwischenräume und dem Übergang zwischen Zahnfleisch und Zahn. Das hilft die Bakterienzahl klein zu halten und so einen Rückzug des Zahnfleisches durch Zahnfleischentzündung und freiliegende Zahnhälse zu verhindern.
Auch Zahnstein, also mineralisierter Zahnbelag, sollte regelmäßig entfernt werden - besonders an den Zahnzwischenräumen. Zahnstein entsteht durch Einlagerung von anorganischen Stoffen, wie Mineralien, in den weichen Zahnbelag, der dann "verkalkt".
Dieser "harte Belag" bietet leider eine Oberfläche, die gern von Bakterien genutzt wird, um sich anzusiedeln. Breiten sie sich aus, drohen Zahnfleischentzündung, die zu chronischen Entzündungen - Parodontitis - werden, Zahnhälse und dann den Zahn selbst in Gefahr bringen und in Sachen Entzündungen Auswirkungen im ganzen Körper haben können.
Auslöser am Anfang: Woher kommen Parodontitis Bakterien?
Rund fünf Milliarden Keime kleben an den Zähnen, am Zahnfleisch, der Zunge und am Gaumen. Damit ist die Mundhöhle der schmutzigste Bereich unseres Körpers.
Gerade mal elf Keime davon, genauer Bakterien, machen Experten für die Parodontitis verantwortlich. Sie tragen sonderbare Namen wie Porphyromonas gingivalis, Aggregatibacter actinomycetem-comitans und Tannerella forsythia.
Was sind die Ursachen von Parodontitis?
Durch eine Infektion mit diesen Bakterien entzündet sich die Schleimhaut schleichend und unbemerkt. Zunächst bilden sich durch schlechte Mundhygiene Zahnbeläge. Mineralisiert dieser Belag, kommt es zum Zahnstein - der liefert eine wunderbare Oberfläche für die weitere Ausbreitung der Bakterien; Zahnstein ist aber keine Grundvoraussetzung für Parodontitis.
Die Bakterien vermehren sich durch Stoffe, die sie im Speichel und Nahrungsresten finden. Vor allem Zucker kurbelt die Vermehrung an. Die Bakterien bilden einen Biofilm - Zahnbelag -, der sich vom Zahnfleischrand entlang der Zahnwurzeloberfläche ausbreitet.
Die Bakterien scheiden Säuren und Gifte ab, das Zahnfleisch entzündet sich. Löst sich nun durch die Zahnfleischentzündung das Zahnfleisch von der Zahnoberfläche, entsteht eine Zahnfleischtasche. Das bedeutet auch: Die Zahnhälse werden durch diesen Rückzug freigelegt, ein typisches Anzeichen für Parodontitis.
Siedeln sich in den Zahnfleischtaschen über Jahre weitere Bakterien an, bauen sich der Zahn tragende Faserapparat und der umgebende Knochen ab.
Ist die Zahnfleischtasche bis zu 3,5 Millimeter tief, besteht noch kein Grund zur Sorge. Alles, was tiefer geht, muss behandelt werden - und auf eine schnelle Behandlung kommt es an.
Ab sechs Millimeter Tiefe sprechen Experten von einer schweren Parodontitis.
Entdeckt und behandelt wird Parodontitis - wenn überhaupt - leider meist zu spät, nämlich erst in der zweiten Lebenshälfte. Dabei hat der Weg zur Parodontitis - nicht ausreichende Mundhygiene, Zahnbelag, Zahnfleischentzündung, Rückzug des Zahnfleisches und der endgültige Angriff auf den Zahnhalteapparat durch Parodontitis - längst begonnen.
Anzeichen: Was sind typische Symptome von Parodontitis?
Wenn sich Bakterien aus Speichel und Nahrungsresten in Richtung Zahnfleischrand und Zahnwurzeloberfläche vorarbeiten, äußert sich das mit vielen verschiedenen Beschwerden.
Zu den häufigsten Symptomen der Zahnbettentzündung zählen:
• gerötetes & geschwollenes Zahnfleisch (Zahnfleischentzündung)
• Zahnfleischbluten
• entzündete Zahnfleischtaschen
• Mundgeruch
• Rückzug des entzündeten Zahnfleisches
• immer freier liegende Zahnhälse
• lockere Zähne.
Diagnose: Wie stellt man Parodontitis fest?
Die Diagnose kann jeder niedergelassene Zahnarzt oder jede Zahnärztin mit dem sogenannten Parodontalen Screening Index (PSI) stellen, er kann darum auch zur Früherkennung genutzt werden und dabei helfen schweren Formen der Parodontitis vorzubeugen.
Besonders wichtig ist das eben gerade auch, weil die Parodontitis eine "stille Erkrankung" ist, die in der Regel nicht mit Schmerzen verbunden ist und spät bemerkt wird - obwohl sie extreme Folgen für den ganzen Zahnhalteapparat, Zähne und "körperweit" durch Entzündungen haben kann.
Beim PSI pieken die Fachleute mit einer Sonde in das Zahnfleisch und zählen die Blutungspunkte. Mit einer speziellen Sonde messen sie auch die Tiefe der Zahnfleischtaschen an jedem Zahn. Die Ergebnisse des PSI werden dann in vier wesentliche Befunde eingeteilt:
• parodontal gesund
• Zahnfleischentzündung (Gingivitis)
• Zahnfleischentzündung (Gingivitis), Zahnstein oder überstehende Füllungs- oder Kronenränder (weil Zahnfleisch durch Zahnfleischentzündung schon zurückgezogen)
• Verdacht auf Parodontitis
Lautet das PSI-Ergebnis nicht "parodontal gesund" ist erster und wichtigster Schritt immer eine Verbesserung der Mundhygiene und gründlicheres reinigen durch die Betroffenen.
Ist Zahnstein vorhanden, sollte dieser entfernt werden, Kronenränder können z. B. geglättet werden.
Besteht der Verdacht auf Parodontitis folgt die parodontale Befunderhebung samt Röntgenbild als Basis auch für die weitere Therapieplanung, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Wie kann man Parodontitis vorbeugen?
Zentral ist gute Mundhygiene: Wer täglich mindestens zweimal ordentlich die Zähne putzt und zusätzlich Zahnseide oder spezielle Bürstchen (Interdentalbürsten) nutzt, um die Zahnzwischenräume zu reinigen, tut bereits einiges für seine Zahngesundheit und um Parodontitis vorzubeugen.
Aber auf Flächen, die Patientinnen und Patienten bei der täglichen Zahnpflege nur schwer erreichen, bilden sich im Laufe der Zeit trotzdem meist bakterielle Beläge. Wichtig ist daher die regelmäßige Kontrolle durch Zahnärztin bzw. Zahnarzt, die bzw. der auch darüber beraten kann ob und wie oft eine professionelle Zahnreinigung helfen könnte. Sie ist eine Möglichkeit die Mundhygiene sozusagen durch eine spezielle Reinigung zu verbessern, Zahnbeläge zu entfernen und vielleicht so besser Parodontitis vorzubeugen.
Allerdings ist die vorbeugende professionelle Zahnreinigung keine verpflichtende Kassenleistung, muss also meist allein selbst getragen werden.
Gesetzliche Kassenleistung ist lediglich die Entfernung von Zahnstein einmal pro Jahr.
Kann professionelle Zahnreinigung gegen Parodontitis helfen?
Bei der professionellen Zahnreinigung, kurz PZR werden Keime und Beläge zunächst von der Zahnoberfläche gekratzt. Je nach Befall reinigt das Team die Zahnfleischtaschen und entfernt mit Spachtel oder Ultraschall Zahnstein.
Der Zahnstein bildet sich aus Plaque und Mineralien des Speichels und setzt sich unterhalb des Zahnfleischsaumes ab - also zu tief, als dass er sich mit der normalen Mundhygiene und beim Zähneputzen entfernen ließe.
Anschließend werden die Zähne poliert (um wenig Anheftungspunkte für neue Keime zu bieten) und fluoridiert.
Wenn nötig werden Wurzelränder und Kronenkränze sogar operativ geglättet oder Zahnfleisch weggeschnitten, damit die Bakterien keinen Halt finden. Sind die Zahnfleischtaschen überall entkeimt, kann auch die Entzündung zur Ruhe kommen.
Wie oft braucht man professionelle Zahnreinigung bei Parodontitis?
Bei den meisten Menschen reicht es aus, 1-2 Mal pro Jahr eine professionelle Zahnreinigung (PZR) durchführen zu lassen. Bei einem hohen Risiko für Parodontitis können kürzere Abstände nötig werden, um Entzündungen in Schach zu halten.
Wie oft eine PZR sinnvoll ist, empfiehlt das Zahnärzteteam. In jedem Fall ist die Behandlung der Grunderkrankung, also einer Parodontitis, eine lebenslange Aufgabe.
Zahlen Kassen bei Parodontitis die professionelle Zahnreinigung?
Die professionelle Zahnreinigung (PZR) zur Vorbeugung ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings gibt es mittlerweile auch Krankenkassen, die im Rahmen von Bonusprogrammen oder speziellen Tarifen Zuschüsse geben.
Und: Die langfristige Nachbehandlung von Parodontitis, die sogenannte Unterstützende Parodontitistherapie (UPT), wird in regelmäßigen Abständen übernommen. Bei der UPT wird die Mundhygiene kontrolliert, das Zahnärzteteam reinigt alle Zähne von Biofilmen und Zahnbelägen und misst die Tiefe der Zahnfleischtaschen - wenn nötig werden auch die Zahnfleischtaschen gereinigt. Die Zahnreinigung ist auf diesem Weg also nach einer akuten Behandlung eingeplant und gehört damit nicht mehr zur Vorbehandlung.
Nach Abschluss der aktiven Parondontitisbehandlung können Betroffene die UPT zwei Jahre lang in Anspruch nehmen.
Wichtig für Patientinnen und Patienten ist auch: Die klassische Professionelle Zahnreinigung (PZR) darf nicht zur Vorbedingung einer Parodontalbehandlung gemacht werden.
Wie viel die PZR kostet, hängt vor allem vom jeweiligen Aufwand ab. In der Regel dauert eine professionelle Zahnreinigung rund 45 bis 60 Minuten und kostet in den meisten Zahnarztpraxen zwischen 80 und 120 Euro.
Je kürzer die Abstände zwischen den einzelnen Behandlungen sind, desto kürzer ist meist auch die Behandlungsdauer; die Kosten können sich dadurch verringern.
Auswirkungen: Wie gefährlich ist Parodontitis für den Körper?
Die Parodontitis kann nachweislich schwere Folgen haben, und zwar nicht nur im Mund, denn die Entzündungen können sich bei hoher Bakterienzahl sozusagen auch im ganzen Körper ausbreiten.
Irgendwann finden sich die Parodontalkeime in vielen Organen. Sie bilden Giftstoffe und stacheln das Immunsystem auf.
Infolge der Dauerinfektion schüttet der Körper Fresszellen und entzündungsfördernde Botenstoffe aus. Diese gelangen in den Blutkreislauf und können so auch topographisch von der Mundhöhle entfernt in anderen Organen krankhaft wirken.
Parodontitis wird in besonders enge Verbindung mit Herz-Kreislauferkrankungen gebracht und auch Parodontitis und Diabetes stehen in einer verhängnisvollen Wechselwirkung und können sich durch die Folgen von "mehr Entzündungsprozessen" im Körper gegenseitig befeuern.
Menschen mit Parodontitis haben allgemein ein deutlich erhöhtes Risiko für:
• Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall,
• Diabetes,
• Rheuma,
• chronische Atemwegserkrankungen,
• Komplikationen während der Schwangerschaft.
Diese Risikopatienten und Risikopatientinnen müssen auf eine tägliche Mundhygiene achten und regelmäßig vorsorglich den Zahnstatus und die Schleimhäute auf eine mögliche Parodontitis prüfen lassen.
Ist das Zahnfleisch angegriffen, oder gibt es gar eine konkrete Zahnfleischentzündung wird zum Beispiel vor einer Herzoperation auf jeden Fall eine antibiotische Prophylaxe empfohlen, so dass im Blut keine Bakterien vermehrt auftreten können.
Parodontitis Behandlung: Profitiert der ganze Körper?
Die gute Nachricht ist: Ja, die Behandlung von Parodontitis, bzw. Parodontitis vorbeugen hat umgekehrt auch positive Effekte für den Körper:
Wer seine Mundhygiene verbessert, die Zähne besser reinigt, Bakterien entfernt und Zahnfleischentzündungen vorbeugt - also insgesamt seinen Zahnstatus verbessert-, kann auch die anderen Erkrankungen positiv beeinflussen und Risiken z. B. für Herzerkrankungen und Diabetes senken.
Beitrag: Beate Wagner