Frau hält Packung einer Anti-Baby-Pille in der Hand (Quelle: colourbox)
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Risikofaktor neue Pille - Gleicher Schutz, mehr Thrombosegefahr?

Neu ist besser - davon gehen viele auch in Sachen Arzneimittel aus, beispielsweise, wenn es um die Verhütung mit der Pille geht. Ein gefährlicher Irrglaube, wie Studien beweisen, denn neue Wirkstoffe bergen oft auch andere Risiken. Jetzt schlagen Krankenkassen Alarm: Gerade die beliebten neuen Pillen auf dem Markt verursachen bei ihren Konsumentinnen ein höheres Thromboserisiko. 

Die Anti-Baby-Pille hat die moderne Verhütung einst revolutioniert. Sie ist einfach, verhindert effizient ungewollte Schwangerschaften und gilt als sicher. Doch die Verhütung mit der Pille beruht auf der künstlichen Zuführung von Hormonen - und das birgt auch immer die Gefahr für Nebenwirkungen.

Eine davon ist die sogenannte Thromboembolie, oft kurz Thrombose genannt. Bei dieser Gefäßerkrankung bildet sich ein Gerinsel in einem Blutgefäß, also eine Art Pfropfen. Der kann ein Gefäß unmittelbar am Entstehungsort verstopfen oder durch den Blutkreislauf des Körpers zu einer Engstelle wandern und diese dann verstopfen. Die Folge ist immer: Körperzellen werden mindestens teilweise von der Sauerstoffversorgung durch das Blut abgeschnitten. Es droht der Zelltod. Im Zusammenhang mit der Pille treten die Nebenwirkungen besonders häufig in den Beinen auf.

Das Risiko ist immer dabei

Dass die Pille dieses Risiko erhöht, ist seit rund 50 Jahren bekannt. Die in allen Verhütungspillen in unterschiedlicher Form kombinierten Sexualhormone Östrogen und Gestagen unterdrücken den Eisprung. Außerdem beeinflussen sie jedoch die Blutgerinnung. Vor allem die Gestagene unterscheiden sich von Pille zu Pille - und damit schwankt auch das Thromboserisiko. Gerade neue Gestagene der 3. und 4. Generation wurden in mehreren großen Studien in den vergangenen fünf Jahren als besonders risikoreich identifiziert.

Natürlich: Grundsätzlich erhöht jede Anti-Baby-Pille die Gefahr eine Thromboembolie zu bekommen, vor allem in den ersten drei Monaten der Einnahme. Und besondere Gefahr droht Frauen immer dann, wenn sie auch andere Risikofaktoren für Thrombosen in sich vereinen: weil sie beispielsweise rauchen, übergewichtig sind, an Diabetes leiden, schon mal eine Thrombose hatten oder besonders häufig lange Flüge unternehmen. Doch zwei Faktoren steigern dieses Grundrisiko noch: der Anteil des Östrogens in der Pille und die Art des Gestagens in der Pille.

Auf die Wirkstoffe kommt es an

Je niedriger das Östrogen dosiert ist, desto sicherer ist sie – das untere Limit setzt die Wirksamkeit. Heute gelten rund 20 Mikrogramm Östrogen als gut verträglich und das Risiko als überschaubar. In Sachen Gestagen kommt es auf die Art des Wirkstoffes an: Als besonders risikoreich gelten Desogestrel oder Gestoden, aber auch Cyproteronacetat oder Drospirenon. Unter 20.000 Frauen einer niederländischen Studie, die Pillen mit diesen Wirkstoffen einnahmen, erlitten sieben bis acht eine Thrombose – also fast doppelt so viele Betroffene, wie unter den Frauen, deren Pillen z.B. das ältere Gestagen Levonorgestrel enthalten.

Für diese größeren Gefahren bei den Pillen der "neuen Generationen" gab es schon den sogenannten Rote-Hand-Brief: Experten des Bundesinsituts für Arzneimittel und Medizinprodukte mahnten Hersteller der Pille mit Wirkstoffen aus der sogenannten 3. und 4. Generation 2014 an, die erhöhte Thrombosegefahr als Warnhinweis in die Beipackzettel aufzunehmen.

Verlockende Zusatzwirkungen?

Trotzdem sind gerade die neuen Pillen beliebt – besonders unter jungen Frauen. Nicht nur weil mit ihnen der vermeintliche Glanz des Neuen und Weiterentwickelten gut vermarktet wird, sondern auch der "Beautyfaktor". So sollen zum Beispiel die Präparate mit den Wirkstoffen Desogestrel oder Cyproteronacetat neben der Verhütung auch das Hautbild verbessern, also gegen Akne helfen. Außerdem werden sie gerne als die Pillen vermarktet, mit denen junge Anwenderinnen nicht an Gewicht zunehmen.
 
Vermarktung ist das entscheidende Stichwort: Denn diverse Studien, die verschiedene Verhütungspillen in Sachen Wirkung auf die Haut oder das Gewicht verglichen, kamen immer wieder zu dem Schluss: Die großen Vorteile dieser Art durch die "neuen Pillen" gibt es nicht. Trotzdem verkaufen sie sich inzwischen in der Breite auch in Deutschland besser als die Präparate mit Wirkstoffen der 1. und 2. Generation.

Beitrag von Lucia Hennerici