Mögliche Fehlbildung durch Zika-Virus - Gefährlich kleiner Kopf: Mikrozephalie

Täglich steigt die Zahl von Verdachtsfällen auf Mikrozephalie, vor allem im Nordosten von Brasilien. Von rund 5.000 Fällen war zuletzt die Rede, in normalen Jahren sind es 150. Gefährlich ist sie vor allem für Ungeborene: Werden sie im Mutterleib mit dem Zika-Virus infiziert, soll das die gefährliche Mikrozephalie auslösen können. Doch was ist das? Und welche Rolle spielt das Zika-Virus dabei, sie auszulösen?

Das Zika-Virus verursacht bei Erwachsenen entweder gar keine oder nur relativ harmlose Symptome. Wenn, dann haben Betroffene Beschwerden wie bei einer Grippe: Fieber- Kopf- und Muskelschmerzen, manchmal Hautausschläge. Doch für ungeborene Kinder kann das Virus unter Umständen gefährlich werden. Experten halten es für sehr wahrscheinlich, dass das Zika-Virus eine Mikrozephalie verursachen kann, also eine Schädelfehlbildung mit zum Teil erheblichen Folgen für die geistige Entwicklung des Kindes.

Viel mehr Fälle als sonst

Täglich steigen die Zahlen von Verdachtsfällen auf Mikrozephalie, vor allem im Nordosten von Brasilien. Von fast 5000 Fällen war zuletzt die Rede, in normalen Jahren sind es 150. Bei 404 Kindern konnte man tatsächlich einen zu kleinen Kopfumfang feststellen; bei 17 von ihnen ist eindeutig nachgewiesen, dass die Mutter während der Schwangerschaft eine Infektion mit dem Zika-Virus hatte. Experten halten es für immer wahrscheinlicher, dass das Zika-Virus für die Fehlbildung verantwortlich ist, auch wenn der Nachweis dafür schwer zu erbringen ist. Das Erbgut des Virus ist nur während einer bestehenden Infektion nachweisbar. Danach erfolgt der Nachweis über Antikörper. Die Antikörper gegen das Zika-Virus sind allerdings denen gegen das Dengue-Virus sehr ähnlich, sodass kein Antikörper-Test im Moment zuverlässig zwischen den beiden Erkrankungen unterscheiden kann. Wie das Zika-Virus die ungeborenen Kinder schädigen könnte, ist noch weniger bekannt.

Mikrozephalie hat viele Facetten

"Eine Mikrozephalie ist keine Erkrankung an sich, sondern zunächst ein klinisches Zeichen", sagt Dr. Angela Kaindl, Kinderneurologin und Leiterin des Sozialpädiatrischen Zentrums der Charité. Kinder mit Mikrozephalie haben einen deutlich geringeren Kopfumfang als ihre Altersgenossen. Damit verbunden ist ein reduziertes Gehirnvolumen, was bei sehr vielen von ihnen zu einer Intelligenzminderung führt. Beobachtet werden auch motorische Auffälligkeiten, etwa beim Laufen, Sitzen und Greifen.
 
Eine Mikrozephalie kann isoliert oder im Rahmen eines so genannten Syndroms auftreten. Dabei können Sinnesorgane wie Augen und Ohren betroffen sein oder andere Organe wie Herz, Haut und Immunsystem. Je nach Schweregrad der Schädigung haben die Kinder mehr oder weniger gute Chancen, ein normales Leben zu führen.

Ursachen für Mikrozephalie

Die Mikrozephalie kann durch genetische oder äußere Faktoren entstehen. "Bislang sind fast 1000 verschiedene genetische Ursachen für die Entstehung einer Mikrozephalie bekannt", sagt Dr. Kaindl. In einer großen Studie mit 700 Kindern, die an der Universitätsklinik Dresden und an der Charité wegen einer Mikrozephalie betreut werden, habe man gesehen, dass etwa die Hälfte durch genetische, die andere Hälfte durch Umweltfaktoren und andere äußere Faktoren verursacht worden sei, so die Kinderneurologin.
 
Umweltfaktoren sind zum Beispiel Infektionen, aber auch Strahlenbelastung oder Medikamenten- oder Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Bei den Infektionen spielt in Deutschland vor allem das Cytomegalie Virus als mögliche Ursache eine wichtige Rolle, allerdings auch Infektionen durch Röteln bei fehlendem Impfschutz. Eine Infektion mit dem Cytomegalie Virus (CMV), welches zur Gruppe der Herpesviren gehört, ist die häufigste Infektion, die während der Schwangerschaft auf den Fötus übertragen wird. Mütter, die vor der Schwangerschaft bereits eine CMV-Infektion hatten, sind geschützt. Wer das nicht weiß, kann einen Test auf Antikörper machen. Sind diese nicht vorhanden, sollten Schwangere ganz besonders darauf achten, geringen Kontakt zu häufigen Infektionsquellen wie Kleinkindern zu haben. Auch bakterielle Infektionen können zu einer Mikrozephalie führen. Etwa wenn eine solche aufsteigende Infektion eine Frühgeburt mit Komplikationen beim Kind auslöst.

Mechanismen der Schädigung noch unbekannt

Selbst bei einer Infektion mit Cytomegalie Viren oder Röteln, wissen die Forscher nicht sicher, wie die Viren die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Bei der Infektion mit dem Zika-Virus ist darüber noch weniger bekannt. Allerdings kann man davon ausgehen, dass je nachdem zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft die Infektion auftritt, verschiedene Strukturen und damit Funktionen geschädigt werden. "Da das Gehirn sich während der ganzen Schwangerschaft entwickelt, kommt es abhängig vom Schädigungszeitpunkt zu ganz unterschiedlichen Störungsbildern," so Dr. Angela Kaindl.
 
Doch selbst bei schweren Fällen von Mikrozephalie, kann die Fehlbildung manchmal erst im letzten Drittel der Schwangerschaft mit Sicherheit diagnostiziert werden. Das macht es Schwangeren, bei deren ungeborenen Kindern eine Mikrozephalie mittels Ultraschall diagnostiziert wurde besonders schwer, mit dieser Diagnose umzugehen.  
 
Im Sozialpädiatrischen Zentrum der Charité werden solche Eltern, oft gemeinsam mit anderen Kollegen aus der Perinatalmedizin und Humangenetik, beraten. "Wir informieren die Eltern über Erkrankungen und Unterstützungsmöglichkeiten und damit über mögliche Auswirkungen auf das Leben des ungeborenen Kindes und seiner Familie", so Dr. Kaindl. "Geraten wird ihnen allerdings nichts, die Entscheidung für eine Fortführung oder einen Abbruch der Schwangerschaft kann nur die Familie fällen."

Vorsichtsmaßnahmen für Schwangere

Frauen, die schwanger sind oder schwanger werden wollen, sollten sich von allen Risikofaktoren fern halten, die eine Mikrozephalie auslösen können. Wichtig sind deshalb nach Meinung von Angela Kaindl ein lückenloser Impfschutz, aber auch die Vermeidung von Strahlenbelastung und ein Verzicht auf Alkohol sowie weitere Drogen in der Schwangerschaft. Medikamente und auch sogenannte pflanzliche Präparate sollten nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt Schwangeren derzeit nicht nach Südamerika oder in andere Risikogebiete zu reisen.
 
Inzwischen meldeten die US-Behörden, dass das Virus bei einem Fall wahrscheinlich sexuell übertragen wurde. Auch Thomas Löscher von der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der Universität München spricht von der Möglichkeit, sich durch sexuellen Kontakt mit dem Zika-Virus infizieren zu können. Im Sperma und Urin sei der Virus in manchen Fällen sogar noch nach mehreren Wochen festgestellt worden. Reiserückkehrer, die den Zika-Virus in sich tragen, könnten ihre Partnerin unter Umständen infizieren. Die sexuelle Übertragung scheint in Einzelfällen möglich zu sein, die epidemiologische Bedeutung muss aber noch erforscht werden.
 
Der Deutschen Presse-Agentur sagte Löscher: "Neu ist der Nachweis im Urin auch für die Diagnostik, vieles ist aber noch nicht klar." In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Möglichkeit zur Blutspende. Für Personen, die sich mit dem Zika-Virus infiziert haben, gilt wie für diejenigen mit Denguefieber, dass sie mindestens vier Wochen kein Blut spenden dürfen. Löscher betonte in diesem Zusammenhang erneut, dass die Infektion nur in der Schwangerschaft problematisch werden könne.

Beitrag von Ursula Stamm