Hintergrund | Antibiotika-Resistenzen - Neuartiges Antibiotikum ohne Resistenzbildung entdeckt
Immer mehr bakterielle Krankheitserreger entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. Weltweit forschen Wissenschaftler deshalb, um neuartige Antibiotika zu entdecken. So auch ein Forscherteam aus den USA, Großbritannien und dem Universitätsklinikum Bonn. Sie untersuchen ein neues, vielversprechendes Antibiotikum. Erste Tests deuten darauf hin, dass das Antibiotikum eine Resistenzbildung erschwert.
Der zum Teil leichtsinnige Einsatz von Antibiotika hat dazu geführt, dass manche bakterielle Erreger sich längst auf die einstigen Wundermittel eingestellt haben. Die Keime werden in der Folge resistent (widerstandsfähig) oder sogar multiresistent (unempfindlich) gegen Antibiotika. Bereits im April vergangenen Jahres hat die WHO vor der weltweiten Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen gewarnt. Die Ausbreitung könne dazu führen, dass häufige Infektionen und leichte Verletzungen, die in den letzten Jahrzehnten relativ einfach behandelt werden konnten, bald wieder tödlich enden könnten.
Multiresistente Keime im Krankenhaus
Ausgerechnet im Krankenhaus, wo Patienten auf Heilung hoffen, droht die größte Gefahr. Denn dort treffen kranke Menschen und Keime gebündelt aufeinander. Die Keime können sich von Patient zu Patient verbreiten und in den geschwächten Körpern vermehren. Immer wieder treten auch Bakterien auf, die gegen Antibiotika eine Resistenz aufgebaut haben, was für die Patienten lebensgefährlich werden kann. Einer der häufigsten Erreger von Krankenhausinfektionen ist Staphylococcus aureus. Ein Teil dieser Staphylococcus aureus-Erreger ist resistent gegenüber Methicillin und zum Teil auch gegenüber anderen Antibiotika-Gruppen und wird dann als MRSA bezeichnet.
Derzeit steht das Universitätsklinikum in Kiel in den Schlagzeilen. Es kämpft seit Mitte Dezember vergangenen Jahres gegen die Ausbreitung eines gefährlichen multiresistenten Keims. Es handelt sich um das gegen fast alle Antibiotika resistente Bakterium Acinetobacter baumannii – ein Umweltkeim, der im Boden und im Wasser vorkommt und auch im menschlichen Darm oder auf der Haut zu finden ist. Acinetobacter baumannii ist ein sogenannter Opportunist. Das bedeutet, das Bakterium breitet sich am besten unter günstigen Bedingungen aus, z.B. bei abwehrgeschwächten Patienten mit schweren Vorerkrankungen, wie sie häufig auf einer Intensivstation zu finden sind. Es löst Wund- oder Lungenentzündungen aus, die im schlimmsten Fall zum Tod führen.
Auf der Suche nach neuartigen Antibiotika
Pilze und Bakterien produzieren Hemmstoffe, um mit anderen Mikroorganismen zu konkurrieren. Unter diesen Hemmstoffen - so die Hoffnung von Wissenschaftlern - könnten neuartige Antibiotika sein. Auf der Suche nach solchen neuen, bisher unbekannten Antibiotika-produzierenden Organismen durchforsten Wissenschaftler Ozeansedimente, Böden und sogar Tierexkremente. Doch die Suche ist mühsam, denn die Erfolgsquote einen wirklich neuen Wirkstoff zu finden, ist äußerst gering.
Mit einem speziellen Kultivierungsverfahren ist es nun einem Forscher-Team der Northeastern University in Boston (USA) gelungen, bislang unerforschte und unkultivierbare Bodenbakterien im Labor zu isolieren.
Dabei fanden die Forscher die gesuchte Nadel im Heuhaufen: Eines der unbekannten Bakterien produziert eine Substanz, die sich gegen ein weites Spektrum häufiger Krankheitserreger als sehr wirksam erwies. Die Wissenschaftler nannten das Bakterium "Elefhtheria terrae" und das von ihm produzierte Antibiotikum "Teixobactin". Weitere Tests lassen vermuten, dass es eine Resistenzbildung erschwert.
Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn haben den Wirkmechanismus des neuen Bakterienhemmstoffs entschlüsselt: Teixobactin setzt an der Achillesferse vieler Krankheitserreger an, indem es die Synthese (Zusammenbau) der Bakterienzellwand verhindert. "Teixobactin greift an vielen entscheidenden Stellen den Aufbau der Zellwand an und macht bakterielle Anpassungsstrategien nahezu unmöglich.", sagt die Mikrobiologin Dr. Tanja Schneider, Leiterin der Forschungsgruppe. Es sei davon auszugehen, dass eine Resistenzentwicklung dadurch deutlich erschwert und verzögert werden könne. Die Verträglichkeit und Wirksamkeit beim Menschen muss für Teixobactin jedoch erst noch in klinischen Tests erwiesen werden.