Älterer Mann mit medizinischer Atemmaske (Bild: imago images/YAY images)
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Notfallverfügung - Vorsorgen für den Ernstfall: Wie die COVID-19 Behandlung geregelt werden kann

Bilder von COVID-19-Patient*innen auf Intensivstationen werfen Fragen auf: Wie will ich in so einem Fall akut behandelt werden? Möchte ich künstliche Beatmung? Mit einer Patientenverfügung kann das geregelt werden. Neuerdings ergänzend in einer verkürzten Form, der "Notfallverfügung". Was mit ihr geregelt werden kann und wo man Beratung findet, hat die rbb Praxis mit Dirk Müller, Leiter der Spezialberatungsstelle "Zentrale Anlaufstelle Hospiz", besprochen.

Wie lange und mit welchen Mitteln soll geholfen oder dass Leben erhalten werden, wenn es einmal erst wird, man auf der Intensivstation liegt? Viele Menschen hatten sich dazu schon einmal mindestens Gedanken gemacht - vor dem Auftreten von SARS-CoV-2. Doch wie kann man die besondere neue Situation jetzt erfassen - und auch juristisch für sich regeln?

Herr Müller, Sie führen Gespräche mit Menschen darüber, wie sie sich ihr Lebensende vorstellen und welche medizinische Versorgung sie dann noch möchten. Verlaufen diese Gespräche in Coronazeiten anders?
 
Ich nehme schon wahr, dass viele Bürger und Bürgerinnen aufgeregter sind. Sie äußern Sorge darüber, dass ihnen ein Lebensende bevorsteht, was sie womöglich so nicht haben wollen. Was die Menschen wollen ist, möglichst unkompliziert für so einen Fall vorzusorgen und deswegen fragen viele nach einem Notfallplan.
 
Das war früher nicht so. Früher haben die Menschen nach einer Patientenverfügung und nach einer Vorsorgevollmacht gefragt und jetzt ist es so, dass die Menschen sehr auf den Notfall fokussieren, vielleicht auch, weil sie aufgrund der Berichterstattung vor Augen haben, wie auf einer Intensivstation möglicherweise COVID-19-Patienten versorgt werden.

Wie sehen solche Notfallpläne aus?
 
Notfallverfügungen gibt es ja schon länger. Es gibt viele Pflegeinrichtungen, die eigene Notfallpläne geschaffen haben. Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz wurde 2015 geregelt, dass es gezielte Gespräche am Lebensende geben soll ("Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase", kurz: GVP). Dazu hat auch unsere Anlaufstelle Hospiz viele Fortbildungen und Projekte organisiert und daraus ist auch für Berlin ein eigener Notfallplan entstanden.
 
Im vergangenen Jahr hat dann der Runde Tisch "Hospiz- und Palliativversorgung im Land Berlin" eine "Berliner Verfügung für Notfälle" verabschiedet. In dieser Verfügung werden auf zwei DIN A4-Seiten vier Therapieziele formuliert:
 
- Maximaltherapie/Krankenhaus und Intensivtherapie
- Krankenhaus ohne Intensivtherapie, keine Reanimation (REA)
- kein Krankenhaus, keine REA, vor-Ort-Therapie
und
- rein palliatives Vorgehen vor Ort.

Diese Notfallverfügung sollte man mit seinem Hausarzt besprechen und gemeinsam mit ihm ausfüllen. In Berlin muss die Notfallverfügung zudem vom Hausarzt und gegebenenfalls von einer weiteren beratenden Person unterschrieben werden.

Ist die Notfallverfügung eine gute Möglichkeit, um die Behandlung einer COVID-19-Erkrankung zu regeln?
 
Ich bin da etwas hin und her gerissen: Die Notfallverfügung ist ja dafür gedacht, dass sie den Patientenwillen auf einen Blick fokussiert und dass sie nicht im Widerspruch steht zu einer Patientenverfügung. Es zeigt sich, dass Ratsuchende, die eine Notfallverfügung ausfüllen wollen, unbedingt auch Beratung in Anspruch nehmen sollten. Denn: Wie bei der Patientenverfügung auch, müssen sie ja für ein Szenario Festlegungen treffen, das noch nicht eingetreten ist. Je mehr Informationen darüber sie durch Beratungsstellen und behandelnde Ärzte bekommen, desto besser gelingt es, den individuellen Patientenwillen festzulegen.
 
Wir erleben immer wieder, dass Menschen nicht viel über palliative Hilfe am Lebensende wissen. Also die pflegerische und medizinische Hilfe, die Schmerzen oder belastende Symptome lindert, aber das Leben nicht verlängert. Wenn ich aber nicht alle Optionen kenne, kann ich mich auch nicht für die für mich passende entscheiden.
Aufklärung ist hier gerade deshalb so wichtig, weil im Zusammenhang mit COVID-19 derzeit viele Ängste bestehen; zum Bespiel die Angst, bei einem schweren COVID-19-Verlauf ersticken zu müssen. Da ist es für viele Menschen sehr tröstlich zu hören, dass zum Beispiel auch eine Atemnot gut gelindert werden kann.

Verlieren manche Patientenverfügungen gerade an Bedeutung, weil mit COVID-19 eine neue Situation eingetreten ist? Also, zum Beispiel eine vormals abgelehnte invasive Beatmung doch wünschenswert ist?
 
Eine Patientenverfügung ist ja dafür gedacht, dass ein Patient festlegt, wie er im Falle seiner Nicht-Einwilligungsfähigkeit versorgt werden will. Wie sehr diese Patientenverfügung der aktuellen Situation entspricht, hat damit zu tun, ob diese konkret und auf den Einzelfall bezogen, formuliert wurde.
 
Generell sollte man eine solche Verfügung ja regelmäßig durchlesen und gegebenenfalls anpassen. Meine Erfahrung ist, dass die meisten Menschen, die in ihrer Patientenverfügung festgelegt haben, dass sie nicht künstlich beatmet werden wollen, das auch im Falle einer COVID-19-Erkrankung nicht wollen. Diejenigen, bei denen das anders ist, können das - ganz konkret bezogen auf eine COVID-19-Erkrankung - in der Patientenverfügung ergänzen und die Verfügung für Notfälle entsprechend ausfüllen.

Seit einigen Wochen bietet die "Zentrale Anlaufstelle Hospiz" eine zusätzliche telefonische Beratung zum Thema Vorsorge und Notfallplanung an. Warum haben Sie die eingerichtet?
 
Wir bieten bei uns in der Zentralen Anlaufstelle Hospiz schon seit 15 Jahren eine kostenlose Beratung zum Thema Patientenverfügung. Jeder Ratsuchende bekommt einen Berater an die Seite gestellt, der manchmal über Wochen den Prozess der Formulierung einer Patientenverfügung begleitet.

Wir haben jetzt gemerkt, dass im Kontext der Corona-Pandemie das Thema "Notfallplan" sehr relevant ist. Es gibt viele Menschen, die trotz Lebensalter und schwerer Diagnosen keine Vorsorge getroffen haben. Diese bekommen jetzt Angst und wollen nun ihren Willen darstellen. Und deshalb haben wir eine telefonische Sondernummer geschaltet.
 
Wir haben das Ziel, dass die Menschen von der Berliner Verfügung für Notfälle erfahren und Ansprechpartner haben, die sie über die Inhalte dieser Verfügung informieren. Die Beraterinnen und Berater, die bei uns am Telefon sitzen, fragen aber zusätzlich auch immer nach den Themen "Patientenverfügung" und "Vorsorgevollmacht", also: Wer soll für mich entscheiden, wenn ich es nicht mehr kann? Diese telefonische Beratung wendet sich vor allem an Menschen ab 60 Jahren und wird bislang sehr gut nachgefragt.

Welche Fragen werden bei dieser telefonischen Beratung gestellt?
 
Wir erleben häufig eine große Verunsicherung und das Bedürfnis nach schnellen Lösungen. Wir erleben, dass viele Ratsuchende vor Augen haben, dass, wenn sie diese Erkrankung bekommen, sie sofort ins Krankenhaus müssen und dort intensivmedizinisch versorgt werden müssen.
 
Manche formulieren ihre Angst, ganz allein auf einer Intensivstation sterben zu müssen. Und da ist es dann für viele gut zu hören, dass diese Erkrankung ja nicht in allen Fällen so schwer verläuft, auch wenn man schon älter ist.
Und im nächsten Schritt wollen die meisten Ratsuchenden wirklich ins Gespräch darüber kommen, was passieren soll, sollten sie dann doch auf eine Intensivstation kommen, beziehungsweise wie dies verhindert werden kann. Da ist es dann wichtig, dass die Berater und Beraterinnen gut darüber aufklären, was es zum Beispiel bedeutet, wenn man auf einer Intensivstation beatmet werden muss.
 
Indem wir die Menschen in die Lage versetzen, sich das vorzustellen und indem sie auch mit ihrem behandelnden Hausarzt noch einmal darüber sprechen, wird ihnen klar, was sie wirklich in solch einer Situation wollen. Und da erleben wir Menschen, die sagen, dass sie keine künstliche Beatmung wollen, gerade wenn sie schon alt und krank sind. Aber wir erleben auch Ratsuchende, die sagen: Ja, ich würde sehr gerne beatmet werden und möchte, dass man mir die zur Verfügung stehende Hilfe zukommen lässt.

Wie kann ich sicherstellen, dass meine Patientenverfügung oder Notfallverfügung auch von den Ärzt*innen zur Kenntnis genommen wird?
 
In der Regel haben die Menschen ja vorab mit ihrem Hausarzt darüber gesprochen und der weiß ja dann, dass es einen solchen Patientenwillen gibt. Manche Krankenhäuser wenden sich auch an die Hausärzte, wenn sie nicht wissen, ob es eine Patientenverfügung oder Notfallverfügung gibt.
 
Dann empfehlen wir, dass die Verfügung so in der Wohnung aufbewahrt wird, dass ein Notarzt auch schnell Zugang zu dem Dokument bekommt und dazu ein Hinweis gut sichtbar in der Wohnung angebracht wird.
In Pflegeeinrichtungen ist es so organisiert, dass solche Notfallpläne in der Patientenakte häufig oben liegen oder Markierungen an den Türen der Bewohnerzimmer zeigen, dass es eine solche Notfallverfügung gibt. Wichtig ist zudem, dass die in der Vorsorgevollmacht verfügte Person auch weiß, dass es dieses Dokument gibt und wo es zu finden ist.
 
Unsere Erfahrung zeigt, dass die Ärzte und Notfallmediziner Patienten, die mit so einer Notfallverfügung kommen, sehr wertschätzen und auch nach Möglichkeit dem Patientenwillen entsprechen wollen. Das ist der große Vorteil, dass die Berliner Notfallverfügung ja unter anderem vom Hausärzteverband Berlin und Brandenburg und der Berliner Feuerwehr beschlossen wurde und von daher auch vielen Akteuren im Gesundheitswesen bekannt ist.
 
Wer als Angehöriger Angst hat, dass eine Patientenverfügung oder eine Notfallverfügung im Krankenhaus nicht bekannt sind, kann ja trotz Besuchseinschränkungen dort anrufen und auf die Existenz dieses Dokuments hinweisen.

Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ursula Stamm

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