PD Dr. Andreas Kaufmann, Immunologe, Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin (Bild: imago/Sabine Gudath)
Bild: imago/Sabine Gudath

HPV-Impfung - warum und wozu? - "Das größte Risiko ist, sich nicht impfen zu lassen"

Jedes Jahr erkranken tausende Frauen in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs. Ursache ist häufig das humane Pappilomvirus (HPV) mit dem sich über 80 Prozent der Weltbevölkerung infizieren. Frauen zwischen 20 und 25 Jahren sind zu 40 Prozent betroffen - oft ohne es zu merken. Ihnen droht bösartiger Krebs. Wie das HP-Virus Krebs auslöst und vor allem wie man sich schützen kann, darüber spricht Dr. Andreas Kaufmann, Immunologe an der Charité Berlin.

HPV - was ist das und welche Gefahren gehen davon aus?

Es geht um Viren, die uns ähnlich wie Schnupfenviren infizieren: Jeder von uns hatte als Kind schon mal Warzen an Händen oder Füßen. Die werden durch solche Viren hervorgerufen, sind also ansteckend. Und bestimmte Arten dieser Warzenviren können auch das Gebärmutterhalsgewebe befallen oder andere Schleimhäute und an diesen Stellen ebenfalls Wucherungen hervorrufen. Nur können diese Infektionen dann übergehen in Krebserkrankungen.

Wie hoch ist denn die Gefahr nach einer Infektion auch an Krebs zu erkranken?

Wir wissen aus Untersuchungen früherer Jahrhunderte oder aktuellen Untersuchungen aus Ländern, in denen es keine Vorsorge gibt, dass etwa ein bis fünf Prozent der Infizierten Gebärmutterhalskrebs entwickeln. Also jede 20. bis 100. Frau würde im Leben an Gebärmutterhalskrebs erkranken. Und das ist tatsächlich auch noch so in Ländern Afrikas, wo die Erkrankungs- und Sterberate an Gebärmutterhalskrebs noch so ursprünglich hoch ist, wie wir es in Europa hatten, bevor wir die Vorsorgeuntersuchungsmaßnahmen eingeführt haben.

Apropos Vorsorge: Wie kann man sich Ihrer Meinung nach am besten Schützen oder auf die Gefahr aufmerksam werden, wenn man schon infiziert ist?

Also vor einer Infektion schützen kann man sich kaum. Wir alle infizieren uns fast unweigerlich im Laufe unseres Lebens. Da für den Gebärmutterhalskrebs das Virus an die Gebärmuttermundzellen gelangen muss, ist Geschlechtsverkehr der häufigste Übertragungsweg. Da fällt einem natürlich ein: Man kann Kondome benutzen, um sich zu schützen. Ja, wir haben einen gewissen Schutz, aber keinen 100-prozentigen: Etwa 70 Prozent weniger Erkrankungen findet man bei Personen, die sehr konsequent Kondome benutzen. Aber man stelle sich vor, irgendwann will man schwanger werden - dann muss man diese Barriere weglassen und hat wieder das Infektionsrisiko.

Also es gibt als effektiven Schutz die Vorsorge, das heißt: Der Arzt findet die Infektion und die Vorstufen des Krebses. Diese Vorstufen hat man etwa 15 bis 20 Jahre lang, so dass man ein gutes Zeitfenster für die Diagnose hat. Und wenn diese Vorstufen tatsächlich auf dem Weg zum Krebs sind, dann werden die betroffenen Zellen heraus operiert. Darauf beruht seit 40 Jahren unsere Krebsprävention und die hat auch sehr viel erreicht: Diese Prävention hat die Krebshäufigkeit in Deutschland um 80 Prozent gesenkt. Das kostet uns als Gesellschaft viel, das kostet die Frauen sehr viel, die jedes Jahr zum Gynäkologen gehen müssen und vor allem die, die operiert werden müssen.

Seit etwa acht Jahren haben wir eine zweite Möglichkeit: die HPV-Impfung. Also man erhält eine Impfung, die davor schützt, dass das Virus, das an die Zellen kommt in die Zellen eindringen kann. Diese Impfung ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte der Medizin und der Forschung - kaum eine Impfung hat eine so hohe Schutzwirkung. 100 Prozent der geimpften bilden Antikörper, also es ist ein sehr guter Impfstoff und zwischen 95 und 99 Prozent der geimpften sind tatsächlich geschützt vor der Infektion, also auch sehr effektiv.

Nun geht es ja aus medizinischer Sicht optimalerweise um eine Impfung junger Mädchen zwischen neun und 14 Jahren, wie sie sagen. Welche Risiken birgt die Impfung?

Das größte Risiko ist, sich nicht impfen zu lassen. Das ist meine Grundüberzeugung. Die Mädchen, die wir heute nicht impfen, die setzen wir dem großen Risiko aus weiter an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Dagegen haben die Mädchen, die geimpft werden das Risiko für etwa drei Tage impftypische Nebenwirkungen zu bekommen, das heißt: einen dicken Arm um die Einstichstelle, Schmerzen um die Einstichstelle, vielleicht sogar erhöhte Temperatur, allerdings unter 39 Grad. In sehr sehr großen Studien weltweit und nach einer Beobachtungszeit von acht Jahren sind absolut keine dauerhaften Impfnebenwirkungen dokumentiert worden. Das waren Studien mit inzwischen über einer Million Frauen, die über ein halbes Jahr jeweils nachbeobachtet wurden, konnte keine einzige Erkrankung gefunden werden, die unter Geimpften höher war, als unter nicht Geimpften. Trotzdem versuchen Impfgegner immer wieder gegen die Impfung zu argumentieren, zum Beispiel weil sie Krankheiten anführen, die mit der Impfung gar nichts zu tun haben, aber in irgendeiner zeitlichen Nähe zum Impfzeitpunkt zufällig auch bei den Patientinnen aufgetreten sind. Also meiner Meinung nach ist das eine sehr sehr sichere Impfung und das größte Risiko ist, nicht geimpft zu sein und Krebs bekommen zu können.

In Zusammenhang mit Kommunikation und Information steht dann auch die Studie rund um "Botschafterinnen", die Sie gerade an der Charité durchführen?

Genau, wir haben aus der Aufklärungsarbeit ein Forschungsprojekt gemacht: Einerseits fragen wir Frauen, die die Krebserkrankung hatten und andererseits Frauen ohne diese Erfahrung, bitten sie mit dem gleichen Infomaterial aktiv zu werden und testen: Wer ist erfolgreicher bei der Aufklärung? Dahinter steckt die Idee: Die Patientinnen, die wir haben, die durch die Krebsbehandlung gegangen sind, sind die glaubwürdigsten Vermittler der Gefahren. Die sind nicht durch die Industrie beeinflusst und haben ein eigenes Interesse in ihrem Umfeld aufzuklären. Und es ist ja auch eine Intime Angelegenheit im Genitalbereich so eine Infektion zu haben. Da gibt es oft das Vorurteil, das sei durch ein unlauteres Leben erworben, was gar nicht stimmt - jeder von uns kann das abkriegen. Und in der ganzen Krebsprävention gibt es solche Kommunikationsstrategien gar nicht, weil man immer denkt: Die Betroffenen bloß in Ruhe lassen und nicht konfrontieren mit der Erkrankung. Die Psychologie legt das Gegenteil nah, deswegen erforschen wir: Welche Botschafterinnen sind erfolgreicher, betroffen oder nicht betroffen? Und zum Zweiten: Wie geht es den betroffenen Botschafterinnen bei dieser Aufklärungsarbeit?

Es gibt einen wirksamen Impfstoff und man weiß viel über das Virus - woran arbeitet die Forschung aktuell noch in Bezug auf HPV?

Zwei Sachen sind da wichtig: Wir wollen die Vorsorge, also das Auffinden der Erkrankung weiter verbessern. Das läuft jetzt über einen zytologischen Abstrich, der im Mikroskop angeschaut wird. Und das ist eine eher subjektive und nicht sehr empfindliche Methode - viele Erkrankungen werden übersehen. Ab September diesen Jahres soll das anders werden mit einem molekularen HPV-Test, der viel sensitiver ist. Und wir Forscher arbeiten daran, diesen Test sogar noch weiter zu verfeinern.
Die zweite Entwicklung liegt bei den Impfstoffen. Da kommt z.B. ab Mai 2016 ein weiterentwickelter Impfstoff auf den Markt. Der kann im Vergleich zum bisherigen mit Schutz vor zwei HPV-Typen dann vor neun HPV-Typen schützen und mehr Krankheiten verhindern. Außerdem wird auch wieder an der therapeutischen Impfung gearbeitet - also wenn schon eine Infektion vorliegt, Impfstoff einzusetzen um diese Infektion besser ausheilen zu können. Leider sind wir da immer noch in der Versuchsphase, aber das ist unsere große Hoffnung, dass wir Frauen, die eine Krebsvorstufe haben eines Tages nicht mehr operieren müssen, sondern therapeutisch impfen können.
 
Schon jetzt spielt die Impfung da für die Frauen eine Rolle, die die OP schon hinter sich haben, denn die haben oft wahnsinnige Angst sich wieder zu infizieren und denen empfehlen wir auch, auch wenn sie über das Alter von 18 Jahren, bis zu dem die Impfung bezahlt wird, sich trotzdem impfen zu lassen. Das schützt sie vor einer Widerinfektion. Das ist mir auch sehr wichtig, denn ich werde von Patientinnen angerufen - diese Paare sind oft total verunsichert und panisch, die Krebserkrankung noch einmal durchmachen zu müssen und die Impfung kann auch da helfen.

Vielen Dank für das Gespräch Dr. Kaufmann!
Das Interview führte: Lucia Hennerici