Interview | Entzündung der Speiseröhre - Wenn das Essen zur Qual wird: Eosinophile Ösophagitis
Jeder Bissen ist eine Herausforderung, weil das Schlucken schwer fällt und Schmerzen verursacht. Die Eosinophile Ösophagitis ist eine chronische, allergieartige Entzündung der Speiseröhre, die selten ist und dadurch oft nicht rechtzeitig erkannt wird. Zumal die Symptome nicht immer eindeutig sind. rbb Praxis sprach mit dem Gastroenterologen Prof. Ulrich Böcker vom Vivantes Klinikum Neukölln über eine rätselhafte Erkrankung.
Herr Prof. Böcker, welche Beschwerden weisen auf eine Eosinophile Ösophagitis hin?
Da muss man unterscheiden, ob es sich um Kinder oder Erwachsene handelt. Im Kindesalter kann sich die Erkrankung durch Erbrechen und Übelkeit zeigen; die Kinder wachsen langsamer, wir Mediziner nennen das eine Gedeihstörung. Erwachsene dagegen leiden eher unter Problemen und Schmerzen beim Schlucken und es kann auch dazu kommen, dass Nahrungsbestandteile regelrecht in der Speiseröhre stecken bleiben und sich Patienten dann notfallmäßig in der Rettungsstelle vorstellen.
Die Eosinophile Ösophagitis (EÖ) führt zu Veränderungen der Schleimhaut und in der Folge zu narbigen Verengungen in der Speiseröhre. An diesen Einengungen bleibt dann die Speise beim Schlucken stecken. Das ist für die Betroffenen sehr unangenehm, weil sie einen starken Druck und Schmerz spüren. Man würde zunächst versuchen, die Speise mit Flüssigkeit herunter zu spülen. Das klappt allerdings nicht immer und dann muss man mit Hilfe der Endoskopie, also durch Verwendung eines biegsamen Instruments, den Speiserest entfernen. Es ist nicht selten so, dass erst durch einen solchen Notfall der Verdacht auf eine EÖ entsteht.
Was weiß man über die Ursachen dieser Erkrankung?
Die EÖ wird im weiteren Sinne zu den allergischen Erkrankungen gezählt. Man geht davon aus, dass es zu einer Immunreaktion gegen Allergene kommt, die mit der Nahrung aufgenommen werden oder sich in der Luft befinden. Zur Ursache der Erkrankung wird viel geforscht und wir wissen, dass es genetische Faktoren gibt, die dazu beitragen, dass man diese Erkrankung entwickelt. Es gibt bestimmte Umweltfaktoren, die unterstützen, dass die Erkrankung auftritt, dazu gehört zum Beispiel die Verwendung von Antibiotika im Kindesalter oder die Geburt per Kaiserschnitt.
Warum ist die Eosinophile Ösophagitis so schwer zu diagnostizieren?
Zum einen muss man sagen, dass die EÖ eine recht seltene Erkrankung ist. Die Prävalenz, also die Krankheitshäufigkeit, liegt bei 3/10.000. Es ist allerdings so, dass wir in den letzten Jahren eine Steigerung beobachten, wie bei allen allergischen Erkrankungen. Festgestellt werden kann die EÖ im Grunde nur durch eine Endoskopie, also indem ein biegsamer "Schlauch" in die Speiseröhre eingeführt wird.
Ganz wichtig ist es zudem, dass der Arzt überhaupt an eine EÖ denkt. Denn nur dann wird er während der Endoskopie nach typischen Veränderungen in der Speiseröhre suchen. Das sind zum Beispiel weiße Flecken, Wassereinlagerungen oder Furchen in der Schleimhaut. Letztlich muss dann an verschiedenen Stellen der Speiseröhre Gewebe entnommen und von einem Pathologen untersucht werden. Bei der EÖ finden sich typische Entzündungsmuster und auch sogenannte Eosinophile Granulozyten, das sind spezialisierte weiße Blutkörperchen, die der Erkrankung auch ihren Namen gegeben haben. Hinzu kommt, dass die Symptome einer EÖ auch schnell mit den Beschwerden einer Refluxkrankheit verwechselt werden können, bei der Magensäure zurück in die Speiseröhre gelangt.
Wie wird die Krankheit behandelt?
Die EÖ wird in erster Linie mit antientzündlichen Medikamenten behandelt, und zwar mit speziellen Kortisonpräparaten (Fluticason und Budesonid). Diese werden lokal eingesetzt, damit sie nicht den gesamten Körper belasten. Weil die EÖ durch eine allergische Reaktion auf bestimmte Nahrungsbestandteile entsteht, kann es helfen, bestimmte Lebensmittel, die häufig Allergien auslösen, zu meiden. Dies sind zum Beispiel Weizen, Milch, Soja und Nüsse.
Man sollte aber - am besten unter ärztlicher Aufsicht – testen, ob der Verzicht auf einzelne Nahrungsmittel tatsächlich zu einer Verbesserung der Symptome führt. Denn sonst riskiert man möglicherweise eine Mangelernährung, ohne dass es dem Patienten nützt. Sind im Laufe der Erkrankung Engstellen in der Speiseröhre entstanden, kann man diese im Rahmen einer Endoskopie und mit Hilfe eines "Ballons" wieder weiten.
Kann man die Eosinophile Ösophagitis heilen bzw. welche Behandlungserfolge kann man bei den Patienten erzielen?
Die Eosinophile Ösophagitis ist eine chronische Erkrankung, man kann sie im Moment also noch nicht heilen, aber in eine Ruhephase überführen. Eine Angst, die man den Patienten nehmen kann, ist die, dass aus der EÖ möglicherweise ein Speiseröhrenkrebs entsteht, wie das etwa bei der Refluxkrankheit möglich ist. Wir beobachten, dass innerhalb von drei Monaten deutlich mehr als 50 Prozent der Patienten eine Besserung durch die Kortisonmedikamente erreichen, auch eine komplette Beseitigung ihrer Beschwerden. Für viele Patienten ist es ein großer Erfolg, wenn sie wieder normal essen können.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Böcker.
Das Interview führte Ursula Stamm