Kontakt- und Beratungsstellen - Demenz: Angehörige nicht allein lassen
Eine Demenzerkrankung verändert nicht nur das Leben des Betroffenen von Grund auf. Auch die Angehörigen müssen sich mit der veränderten Situation auseinandersetzten. In Berlin und Brandenburg gibt es verschiedene Anlaufstellen, die hier Hilfestellung bieten. rbb Praxis sprach mit Brigitte Wagner von der Kontakt- und Beratungsstelle für Menschen mit Demenz und deren Angehörige in Potsdam.
Frau Wagner, was ist Ihre Aufgabe in der Kontakt- und Beratungsstelle?
Eine Demenzerkrankung ist ein sehr komplexes Geschehen, welches auch die Persönlichkeit des Betroffenen verändert. Das ist für die Angehörigen manchmal schwerer zu akzeptieren als für den Betroffenen selbst. In der Beratungsstelle wollen wir die Angehörigen ein Stück "auffangen". Wir bieten kostenlose Beratungsgespräche an, in denen es anfangs vor allem um Information geht. Alle sprechen zwar über Demenz und Alzheimer, aber das Wissen über diese Erkrankungen ist oftmals sehr lückenhaft. Vielen Angehörigen hilft es auch einfach, über ihre Probleme zu sprechen. Zumal sie Scheu haben, dieses Thema anderen Menschen gegenüber anzusprechen. Die Erkrankung wird eben doch immer noch tabuisiert. In Angehörigengruppen können Sie sich dann regelmäßig unter Gleichgesinnten austauschen. Es kommen manchmal aber auch Betroffene selbst, die vermuten, dass sie an Demenz erkrankt sind und die keine Angehörige haben. Denen können wir zum einen Stellen nennen, wo ihre Erkrankung diagnostiziert und eingeschätzt werden kann. Außerdem bieten wir auch eine Selbsthilfegruppe für Betroffene an.
Mit welchen Problemen kommen die Angehörigen konkret in Ihre Beratung?
Angehörige stehen dem Demenzerkrankten in der Regel ja sehr nah. Man ist jahrelang auf gleicher Ebene miteinander umgegangen und plötzlich geht das nicht mehr. Plötzlich können sie mit dem Angehörigen nicht mehr so sprechen wir früher. Das zu akzeptieren, fällt vielen sehr schwer. Hinzu kommt die enorme Belastung durch die Betreuung des Demenzkranken, die manchmal rund um die Uhr geht. Sie haben keine Zeit mehr für sich selbst und sind auf die Dauer auch sozial isoliert. Nicht allein, weil sie keine Zeit mehr haben, Freunde zu treffen. Sondern häufig auch, weil sie sich für die Erkrankung ihres Angehörigen schämen und deswegen Kontakte vermeiden. Trotz dieser enormen Belastung haben viele Hemmungen, ein Stück der Betreuung an andere abzugeben. Dazu können wir sie dann nur ermuntern. Denn nur wenn es den Angehörigen gut geht, geht es auch den Demenzerkrankten gut.
Welche konkreten Hilfen gibt es denn, um Angehörige bei der Betreuung zu entlasten?
Seit 2013 gibt es die Pflegestufe 0; sie wurde vor allem für Menschen mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz aufgrund einer Demenzerkrankung eingeführt. Wir beraten Angehörige, wie sie diese Pflegestufe beantragen können und sind auch manchmal bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen dabei. Da gibt es meiner Erfahrung nach wenige Probleme. Mit dem Geld aus der Pflegestufe 0 können sie sich Betreuungs- und Entlastungsleistung "einkaufen". Das heißt, sie engagieren zum Beispiel jemanden, der ihrem Angehörigen Gesellschaft leistet, wenn sie einkaufen gehen oder einen Sportkurs machen. Auch in der Beratungsstelle selbst bieten wir so genannte niedrigschwellige Betreuungsangebote an. Wir haben vier Gruppen, die von ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut werden, die mit den Demenzerkrankten spazieren gehen und sich mit ihnen beschäftigen. Stundenweise kommen diese ehrenamtlichen Betreuer auch in die Familien selbst, um die Angehörigen zu entlasten. Außerdem bieten wir gemeinsam mit der Barmer GEK und der Alzheimer-Gesellschaft zweimal im Jahr Schulungen für Angehörige an. Die Schulung geht über acht Wochen und informiert jede Woche über ein anderes Thema, zum Beispiel pflegerischer Umgang mit der Erkrankung, Rechtsfragen, Pflegeversicherung und Entlastungsmöglichkeiten für Angehörige.
Was passiert, wenn Demenzkranke nicht mehr zuhause gepflegt werden können?
Auch in dieser Situation stehen wir beratend zur Seite. Wir vermitteln zwar nicht an konkrete Einrichtungen wie Pflegeheime, zeigen aber auf, welche Möglichkeiten es gibt, zum Beispiel betreute Wohngemeinschaften. Es ist sinnvoll, wenn Angehörige sich schon im Vorfeld damit auseinandersetzen, welche Möglichkeiten es gibt. Denn ist die Krisensituation erst mal da - ist der Angehörige zum Beispiel weggelaufen und hat sich in Gefahr gebracht - ist es oftmals schwer, ad hoc eine Lösung zu finden. Wichtig ist aber, dass die Angehörigen selbst zu dem Entschluss kommen, dass es zuhause nicht mehr geht. Denn auch im Pflegeheim läuft nicht immer alles optimal und auch damit müssen sie ja klar kommen. Wenn sie jeden Tag ins Heim gehen, mit dem unguten Gefühl, dass es dort nicht richtig läuft, haben sie auch keine wirkliche Entlastung.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wagner.
Das Interview führte Ursula Stamm