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6,3 Millionen Deutsche leiden an Knochenschwund. Oft wird die schleichende Erkrankung übersehen, meist sind Frauen nach den Wechseljahren betroffen. Mit der Zahnheilkunde wird die Krankheit hingegen nur selten in Verbindung gebracht.
Bei Frauen in den Wechseljahren sinkt die Konzentration an Östrogenen, die den Knochen normalerweise vor dem allzu raschen Abbau schützen. Rückenschmerzen sind meistens der erste Hinweis auf eine Osteoporose. Aber auch weniger auffällige Symptome wie Größenverlust, Auftreten eines Rundrückens oder Muskelverspannungen mit folgender Schonhaltung können ein Hinweis auf die Erkrankung sein.
Doch die Osteoporose spielt eine Rolle, wenn Patientinnen sich beispielsweise ein Implantat setzen lassen wollen. Leiden sie an Knochenschwund, kann dies Auswirkungen auf die Kieferknochen haben. Bei Osteoporose wird die filigrane Mikroarchitektur des Knochens zerstört, es kommt zu winzigen Rissen in der tragenden Struktur.
Schließlich reicht ein Stolpern, um einen Oberschenkelknochen zum Bersten zu bringen; Wirbelkörper fallen einfach in sich zusammen. "Auch im Kiefer ist die Struktur bei Osteoporose deutlich lockerer, der Knochen fühlt sich viel weicher an, wenn man hineinfräst", weiß Gerhard Iglhaut, Zahnarzt für Oralchirurgie aus Memmingen. "Natürlich fragt der Zahnarzt aber jede Patientin nach Osteoporose, bevor er ihr Implantate setzt."
Lange Zeit dachte man, dass die Osteoporose eine Kontraindikation für Implantate sei. "Heute wissen wir es besser", betont der Zahnarzt. "Studien belegen, dass die Implantate bei Osteoporosepatienten genauso lange halten wie bei Gesunden." Schätzungen zufolge ging man Ende der 1980er Jahre von 40 Prozent Misserfolgsrate bei den Implantaten durch eine falsche Beschichtung aus.
"Hauptsächlich entstanden die Probleme durch die geriffelte Oberfläche der Titanstifte", erläutert der Experte der Deutschen Gesellschaft für Implantologie. Heute seien die Titanstifte meist gestrahlt und geätzt. "Damit heilen über 96 Prozent aller Implantate problemlos im Mund ein, auch wenn der Knochen eine geringere Dichte zeigt".
Einige Osteoporosepatienten lassen vor einem Eingriff beim Zahnarzt eine Knochendichtemessung (Osteodensitometrie, kurz DXA) durchführen. Dabei werden schwache Röntgenstrahlen durch die Knochen geleitet und so der Mineralsalzgehalt des Knochens bestimmt. Je poröser die Knochen sind, desto mehr Röntgenstrahlen durchdringen sie. "Allerdings erlaubt die Knochendichtemessung keine sicheren Rückschlüsse auf den Zustand des Kieferknochens", so Iglhaut. Wir gut die Knochensubstanz in der Region ist, erkennt der Experte besser im Röntgenbild.
Ist die Knochendichte niedrig, können jedoch Medikamente vorbeugend sinnvoll sein. Das gängigste Osteoporose-Präparat sind so genannte Bisphosphonate, die täglich als Tablette eingenommen werden müssen. Der Wirkstoff hemmt die Knochenfresszellen (Osteoklasten), der gesteigerte Knochenabbau wird verlangsamt. Doch die Gabe ist nicht ohne Risiko, die Medikamente können Knochennekrosen auslösen.
Speziell der Kieferknochen ist gefährdet, mitsamt dem darüber liegenden Zahnfleisch kann er von dem Mittel zerstört werden. Anstehende Eingriffe am Kiefer und den Zähnen müssen also mit der Bisphosphonat-Therapie mit dem behandelnden Orthopäden oder Internisten abgestimmt werden. Wer die Arznei in Tablettenform nicht verträgt, bekommt das Medikament vierteljährlich in die Armvene injiziert. "In diesen hohen Dosen ist die Bisphosphonateinnahme problematisch", erklärt Iglhaut. "Ist gleichzeitig eine Implantatversorgung geplant, raten wir dazu, die Osteoporosetherapie für eine Zeit lang zu unterbrechen."
Mit bestimmten Maßnahmen kann der Implantologe zudem dafür sorgen, dass es bei Patienten mit Osteoporose für Implantate im Kiefer eine ausreichende Grundstabilität gibt. Er arbeitet sich bei der Operation besonders vorsichtig vor und setzt bestimmte Techniken ein. Anhand des Widerstands des Knochens beim ersten Bohren bekommt er ein Gefühl dafür, wie stark der Knochen geschädigt ist.
Bei kritischen Fällen bohrt der Operateur nur ein kleineres Loch. Der Durchmesser des Implantats ist dann verhältnismäßig größer. Die Kontaktfläche zwischen Knochen und Implantat erhöht sich, wenn der Titanstift eingeschraubt wird. Bei einer anderen Strategie klopft der Operateur das Implantat vorsichtig ein. So trägt er kein Knochenmaterial ab, sondern der Knochen bleibt erhalten und wird verdichtet. Das Implantat hat dann einen besseren Halt.
Beitrag von Beate Wagner