Schlafende Frau (Quelle: imago/Science Photo Library)
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Interview | TK-Studie zu Schlaf - "Schlaf ist Fürsorge für sich selbst"

"Schlaf gut, Deutschland" heißt die aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse. So gut schlafen die Deutschen demnach aber nicht. Vor allem Schichtarbeiter haben Schlafprobleme. Schlafexperte Utz Niklas Walter kennt weitere Details der Studie – und Tipps, wie man in den wohlverdienten Schlaf findet.

Herr Dr. Walter, warum ist Schlaf so wichtig für uns?

Schlaf hilft uns, uns körperlich und seelisch zu regenerieren. Er füllt die Energiereserven auf und stärkt das Immunsystem. Schlaf bedeutet dabei keineswegs nur Ruhe, sondern ist ein aktiver Prozess, der das Gedächtnis stärkt und bei dem Erinnerungen verarbeitet werden. Deshalb ist der Sauerstoffverbrauch des "schlafenden" Gehirns auch ähnlich hoch wie im Wachzustand.

Viele Leute reden davon, dass sie schlecht oder zu wenig schlafen. Wie viel Schlaf braucht der Mensch?

Viele Faktoren beeinflussen das Schlafbedürfnis. Erwachsene benötigen zwischen sechs und neun Stunden Schlaf. Das entspricht auch der Empfehlung von Experten, die sechs Stunden Schlaf pro Tag als Minimum angeben. Neugeborene haben einen Schlafbedarf von etwa 17 Stunden. Ältere Menschen benötigen häufig nur fünfeinhalb bis sechs Stunden.

Schlafstörungen scheinen ein häufiges Problem zu sein.

Die TK-Studie hat gezeigt, dass der Großteil der Deutschen gut schläft und sich erholt fühlt. Nur etwa ein Drittel ruht mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht. Allerdings scheinen Schlafprobleme in den letzten Jahren zugenommen zu haben. Das ist nicht nur das Ergebnis der TK-Schlafstudie, sondern auch anderer Untersuchungen.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Reflexartig denkt man an die veränderte Arbeitswelt. Zum großen Teil stimmt das auch. Es gibt immer mehr Flex-Beschäftigte, die Komplexität und Menge der Arbeit nimmt in vielen Bereichen zu. Arbeit und Privatleben lassen sich schlechter trennen. Gleichzeitig stelle ich immer wieder fest, dass die Menschen selbst zu wenig für ihren Schlaf tun. Man möchte Karriere machen, sich weiterbilden, möglichst viel für die Kinder da sein und nach Feierabend am besten noch ins Fitnessstudio. Und wo knapst man die fehlende Zeit ab? Beim Schlaf!

Wie definiert man Schlafstörungen eigentlich korrekt?

Jeder kennt das von sich, dass er mal schlecht schläft, weil er Stress mit dem Partner hat, die Kinder Sorgen machen oder eine Erkrankung einen um den Schlaf bringt. Von einer Einschlaf- oder Durchschlafstörung sprechen Experten erst, wenn man über einen längeren Zeitraum mehr als drei Mal pro Woche mindestens 30 Minuten zum Einschlafen benötigt oder nachts mindestens 30 Minuten wachliegt. Außerdem gibt es viele weitere Formen von Schlafstörungen wie etwa Atmungs- oder Bewegungsstörungen.

Wer ist betroffen?

Besonders viele Schlechtschläfer sind unter den Berufstätigen, die unregelmäßige Arbeitszeiten haben oder im Schichtdienst arbeiten. Knapp 40 Prozent gaben in der TK-Studie beruflichen Stress als Ursache für Schlafstörungen an, danach folgen private Probleme. Wer dauerhaft schlecht schläft, ist übrigens öfter krank: Schlechtschläfer sind häufiger erschöpft, gereizt und niedergeschlagen. Auch das Depressionsrisiko steigt und Diabetes wird begünstigt.

Was ist Ihnen von den Ergebnissen der TK-Schlafstudie besonders in Erinnerung geblieben?

Positiv aufgefallen ist uns, dass der Großteil der Deutschen seinen Schlafrhythmus auch am Wochenende beibehält. Das ist gut so. Denn wer am Wochenende viel später ins Bett geht und morgens deutlich länger schläft als unter der Woche, hat am Montagmorgen eine Art Jetlag, wenn er wieder zur gewohnten Zeit raus muss. Interessant ist auch, dass 41 Prozent der Befragten aufgrund von Wärme oder Kälte im Schlafzimmer schlecht schlafen. Laut TK-Studie ist das der größte "Schlafstörer" überhaupt. Das hat uns überrascht, denn hier kann sich jeder leicht selbst helfen. Experten empfehlen 15 bis 18 Grad Raumtemperatur. Ich benötige 20 Grad.

Schlaf ist ein großes Thema in Ihrem Institut. Warum?

Schlaf wird aus unserer Sicht in den nächsten Jahren das wichtigste Gesundheitsthema überhaupt. Schlaf spielt eine Schlüsselrolle für die Leistungsfähigkeit, Produktivität und Fehlerquote – nicht nur von Beschäftigten. Gleichzeitig ist der Job einer der größten Störfaktoren des Schlafes. Durch Schichtarbeit und flexible Arbeitszeiten nehmen Schlafstörungen zu. Und auch wenn Leute "nur" einen Nine-to-five-Job haben, nehmen sie ihre beruflichen Sorgen häufig mit nach Hause und denken nachts darüber nach.

Wie können Sie diesen Menschen helfen?

Bislang bieten gerade einmal zehn Prozent der Arbeitgeber in Deutschland Unterstützung für ihre Beschäftigten beim Thema Schlaf an. Das wollen wir verändern und beraten Unternehmen entsprechend. Wir haben verschiedene Module entwickelt, je nachdem, wen wir ansprechen. Es gibt Impulsvorträge, bei denen wir verdeutlichen, was guter Schlaf ist und wie man besser schläft. Wir beraten in Seminaren oder an Gesundheitstagen, wie Leute mit persönlichen Schafstörern wie dem schnarchenden Partner oder einem nächtlichen Gedankenkarussell umgehen können. Und wir gehen auch nachts zu Schichtbeschäftigten an die Arbeitsplätze und erklären, wie sie tagsüber besser schlafen und nachts ausgeruhter sind.

Und was raten Sie ihnen?

Feste Rhythmen spielen eine große Rolle. Wer nachts arbeitet, sollte genauso Rituale pflegen, wie wir es bei einem Tagjob kennen, beispielsweise nach der Nachtschicht mit der Familie frühstücken oder am Abend zur ähnlichen Zeit vorschlafen. Wer vor der Nachtschicht schläft, fühlt sich nachts in der Regel fitter. Entscheidend ist dabei, wie lange man schläft. Schlafforscher empfehlen entweder einen Kurzschlaf von maximal 15 Minuten oder ein ausgiebiges Nickerchen von zwei bis zweieinhalb Stunden, bei dem man alle Schlafphasen durchläuft.

Sie kennen auch Tricks, wie man berufliche Probleme nicht mit nach Hause schleppt.

Wir empfehlen, dass die Menschen sich einen wiederkehrenden "Aufhänger" suchen, der das Ende des Arbeitstages darstellt. Das kann der Moment sein, in dem man den Computer am Arbeitsplatz herunterfährt, das Fahrrad am Betriebstor aufschließt oder die S-Bahn nach Hause betritt. Wer das nicht schafft, kann auch zuhause noch einmal den Tag Revue passieren lassen und alle offenen Punkte für den nächsten Tag auf einen Zettel schreiben – am besten immer an ein und demselben Ort in der Wohnung. Dieser Zettel sollte dann aber bis zum nächsten Morgen in der Arbeitstasche verschwinden.

Was wünschen Sie sich beim Thema Schlaf für die Zukunft?

Schlaf hat in Deutschland immer noch einen schlechten Ruf und wird häufig mit Schwäche verbunden. Das deutsche Schimpfwort "Penner" ist ein gutes Beispiel dafür. Hier wünsche ich mir ein Umdenken: Schlaf hat etwas mit Achtsamkeit zu tun, mit Fürsorge für sich selbst. Schön wäre auch, wenn es uns gelingt, Tagschlaf als etwas Normales zu akzeptieren. Die Südeuropäer machen Siesta, viele Studenten lassen mittags in der Bibliothek ihre Köpfe auf den Büchern ruhen. Das entspricht unserem Biorhythmus. Schlafpausen von maximal 15 Minuten können die Leistungsfähigkeit nachweislich um bis zu drei Stunden verlängern. Daran sollten auch Arbeitgeber ein größeres Interesse haben und entsprechende Rückzugsmöglichkeiten schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Walter.

Das Interview führte Constanze Löffler

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