Essen & Trinken | Dossier | Lesedauer etwa 7 Minuten - Bio-Siegel: Wie viel Bio ist drin?
Bio ist nicht gleich bio. Es kommt auf das Siegel an - und die Regeln, an die sich Landwirte dabei halten müssen. Das sind die Unterschiede bei den Bio-Siegeln.
Muss es immer Bio sein? Die Frage stellt sich spätestens beim Einkauf im Supermarkt. Ob man lieber auf Bio-Lebensmittel zurückgreift oder nicht, entscheidet natürlich jeder für sich selbst. In Sachen Tierwohl und Nutzung von Medikamenten oder Pestiziden sind die Regeln bei Bio-Produkten allerdings deutlich strenger als in der konventionellen Landwirtschaft und Produktion. So werden Tiere in Bio-Betrieben beispielsweise artgerecht gehalten und bekommen selbst auch Bio-Futter zu fressen.
Allerdings gibt es auch hier Unterschiede, je nachdem mit welchem Bio-Siegel die Produkte ausgezeichnet sind. SUPER.MARKT stellt die Unterschiede zwischen den vier gängisten Bio-Siegeln - EU-Bio-Logo, Bioland, Naturland und Demeter - vor.
Wer vergibt die Bio-Siegel und wer kontrolliert die Bio-Betriebe?
• EU-Bio-Logo: Betriebe, die ihre vorverpackten Produkte als "bio" vermarkten möchten und die Vorschriften der EU-Öko-Verordnung erfüllen, müssen diese verpflichtend mit dem EU-Bio-Logo kennzeichnen. Zusätzlich können noch weitere Siegel wie Bioland, Naturland, Demeter etc. angebracht werden. Es gibt übrigens auch noch das sechseckige deutsche staatliche Bio-Siegel, das auf den gleichen gesetzlichen Grundlagen wie das EU-Bio-Logo basiert. Das deutsche Bio-Siegel gibt es seit 2001 und es kann auf freiwilliger Basis benutzt werden.
• Zertifizierung EU-Bio-Logo: Wenn ein Betrieb auch Bio-Landwirtschaft betreiben oder komplett als Bio-Betrieb arbeiten möchte, muss er sich zertifizieren lassen. Für das EU-Bio-Logo muss sich der Betrieb über eine offizielle Kontrollstelle zertifizieren lassen. Die Vergabe des Logo richtet sich dabei nach Richtlinien der EU für ökologischen Landbau, die in der EU-Öko-Verordnung festgeschrieben sind. Betriebe werden einmal jährlich von staatlich geprüften Öko-Kontrollstellen überprüft.
• Bioland ist ein ökologischer Anbauverband in Deutschland und Südtirol mit knapp 9.000 Mitglieder-Betrieben. Die Vorgaben für den Anbau unter Bioland-Siegel sind strenger als die EU-Richtlinien. Über die Richtlinien stimmen die Bioland-Mitglieder demokratisch ab. Unabhängige staatliche Kontrollstellen überprüfen die Betriebe einmal pro Jahr auf Einhaltung der vertraglich vereinbarten Richtlinien.
• Naturland ist ebenfalls ein Anbauverband mit rund 4.200 Mitgliedern in Deutschland. Die Richtlinien sind auch hier strenger als die der EU-Öko-Verordnung. Bei der Zertifizierung durchlaufen die Betriebe mehrere Schritte. Am Ende wird auch hier durch eine unabhängige Kontrollstelle das Zertifikat vergeben und einmal jährlich die Einhaltung der Richtlinien überprüft. Zusätzlich arbeitet Naturland mit unangemeldeten Stichproben-Kontrollen.
• Demeter-Betriebe müssen nach den strengsten Bio-Richtlinen arbeiten. Sie gründen auf einer anthroposophischen Weltanschauung. Für die Zertifizierung muss unter anderem ein Vertrag mit dem Demeter e.V. und dem Landesverband abgeschlossen werden. Nach der Demeter-Inspektion werden die Ergebnisse von zwei unabhängigen Kontrollstellen ausgewertet. Die Kontrolle der Mitgliedsbetriebe erfolgt einmal jährlich.
Was heißt artgerechte Tierhaltung?
Bio-Betriebe müssen besonders auf eine artgerechte Tierhaltung achten. Das heißt, dass die Tiere hier mehr Platz als in konventionell arbeitenden Betrieben haben. Auch muss Auslauf garantiert sein und die Ställe müssen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Das routinemäßige Schnabelkürzen ist bei Gefllügel verboten.
• EU-Bio-Logo: Mehr Platz heißt in der Schweinemast beispielsweise, dass ein Tier mindestens 1,3 Quadratmeter statt 0,75 Quadratmeter (Mindeststandard) Platz haben muss, eine Milchkuh 6 Quadratmeter Stallfläche und 4,5 Quadratmeter Auslauf. Bei Kühen ist die Anbindehaltung verboten und Kälber, die älter als eine Woche sind, dürfen nicht in Einzelboxen gehalten werden. In der Legehennenhaltung sind pro Hektar 230 Legehennen und 580 Masthühner erlaubt.
• Bioland: Hühner und Mastschweine haben hier noch mehr Platz als nach den EU-Bio-Richtlinien. Zudem ist der Weidegang für Kühe und Rinder verpflichten. Es dürfen 140 Legehennen, 280 Masthühner, 280 Junghennen und 140 Mastputen pro Hektar gehalten werden (bei Naturland und Demeter genauso). Bei Legehennen muss der Stall ausreichend mit Tageslicht beleuchtet sein. Die Fensterflächen müssen mindestens fünf Prozent der Stallgrundfläche ausmachen. Die Anbindehaltung ist hier als einziges auch bei Kälbern und Jungrindern unter einem Jahr auch in Kleinbetrieben verboten.
• Naturland: Für Kühe, Schafe und Ziegen ist der Weidegang Pflicht - Ausnahmen dürfen nur bei unbeeinflussbaren Gründen gemacht werden, dann ist aber der Auslauf Pflicht. Wie bei den anderen Bio-Siegeln auch, haben die Tiere hier mehr Platz in den Ställen - Hühner und Mastschweine noch mehr als nach EU-Bio-Richtlinien. Legehennen haben ganzjährig Zugang zu einem Auslauf, der teilweise überdacht sein muss. Die Tageslichtregelung für Legehennen ist die gleiche wie bei Bioland.
• Demeter: Die Tiere haben hier genauso viel Platz wie bei Naturland und Bioland - also deutlich mehr als in der konventionellen Tierhaltung und je nach Tierart auch mehr als bei den EU-Richtlinien. Die Enthornung von Rindern ist bei Demeter verboten - es gibt auch keine Ausnahmen. Die Anbindehaltung ist ebenfalls verboten. Männliche Küken werden aufgezogen und nicht getötet.
Wie werden die Tiere in Bio-Betrieben versorgt?
Bei allen Bio-Richtlinen ist die vorsorgliche Antibiotikagabe verboten, ebenso Leistungs- und Wachstumsförderer.
• EU-Bio-Logo: Beim Futter ist keine Gentechnik und nur Biofutter erlaubt. Bei Kühen ist die Anbindehaltung verboten und Kälber, die älter als eine Woche sind, dürfen nicht in Einzelboxen gehalten werden. In der Schweinemast müssen die Böden der Ställe glatt, aber rutschfest sein. Es muss ausgewiesene Ruheflächen geben. Diese müssen mit trockenem Einstreu in Form von Stroh oder anderem geeigneten Naturmaterial ausgelegt sein.
• Bioland: Es wird grundsätzlich 100 Prozent Biofutter, dass den Bioland-Vorgaben entsprechen muss, verfüttert, Medikamente kommen erst im Notfall zum Einsatz, danach wird doppelt so lange wie gesetzlich vorgeschrieben mit der Verarbeitung gewartet. Bei Hühnern muss das Streu beispielsweise fünf Zentimeter tief sein und sauber und trocken gehalten werden.
• Naturland: Die Hälfte des Futters muss aus dem eigenen Betrieb stammen, auch bei Hühnern, im Sommer muss Grünfutter gegeben werden. Als Zusatz bei Futtermitteln sind nur wenige Eiweißfuttermittel erlaubt. Bei Wiederkäuern müssen die Ställe so belüftet werden, dass Außenklimaqualität herrscht.
• Demeter: Tier dürfen bei Demeter ausschließlich Biofutter bekommen, wovon mindestens die Hälfte aus dem eigenen Betrieb oder Kooperationsbetrieben stammen muss. Zwei Drittel der Jahresration an Futter muss zudem aus Demeter-Futter bestehen, im Sommer muss über die Hälfte Grünfutter, idealerweise direkt auf der Weide gegeben werden.
Welche Bio-Richtlinen gelten beim Pflanzenanbau?
Gentechnisch veränderten Organismen sind in der Bio-Landwirtschaft verboten. Auch der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden ist streng reguliert.
• EU-Bio-Logo: Auch der Bio-Landbau von Pflanzen muss nach strengen Vorgaben erfolgen, wenn ein Betrieb seine Produkte mit dem EU-Bio-Logo auszeichnen möchte. Die EU-Vorschriften hier regeln alle Produktionsstufen vom Saatgut bis zum verarbeiteten Endprodukt. So sind mineralische Stickstoffdünger verboten. Der Einsatz von Kunstdüngern, Unkrautvernichtungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln ist begrenzt. Der Anbau nach Fruchtfolge ist vorgeschrieben.
• Bioland: Seit 2022 müssen Bioland-Betriebe Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität umsetzen. Es dürfen keine chemisch-synthetischen Stickstoff-Dünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Stattdessen werden natürliche Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmittel benutzt und Nützlinge, wie beispielsweise der Marienkäfer, gezielt eingesetzt.
• Naturland: Der Anbauverband setzt auf organische Düngung und sinnvolle Fruchtfolgen statt chemisch-synthetische Stickstoffdünger. So müssen beispielsweise stickstoffbindende Pflanzen in der Fruchtfolge angebaut werden. Der Einsatz von konventionellem Geflügelmist sowie konventionelle Gülle oder Jauche zum Düngen sind verboten.
• Demeter: Bei Demeter-Betrieben ist die Tierhaltung verpflichtend, denn der Mist wird als Dünger benutzt. Dieser wird mit biologisch-dynamischen Präparaten aus speziellen Kräutern, Mineralien angereichert. Auf Demeter-Höfen kommt zudem fast ausschließlich Demeter-Saatgut zum Einsatz.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 28.10.2024.