Wohnen | Beitrag | Lesedauer etwa 4 Minuten - Waschbären: unerwünschte Untermieter
Waschbären breiten sich in Deutschland aus. Dabei sind die Tiere keineswegs so süß, wie sie aussehen: Sie können sogar richtig zerstörerisch sein. So wird man die Allesfresser wieder los - vielleicht.
Eigentlich sieht er ja ganz süß aus, mit der schwarzen Brille um die Augen, dem Stupsnäschen und den kleinen Händen - der Waschbär. Nicht mehr so süß ist es, wenn die Mülltonnen morgens umgekippt vor dem Haus liegen oder sich die Allesfresser sogar im Haus unter dem Dach eingenistet haben. Denn dort können sie ziemlich heftige Schäden an der Fassade und Dachisolierung sowie jede Menge Dreck verursachen. Mal ganz abgesehen von den Geräuschen so eines ungewollten Untermieters.
Berliner Waschbären fühlen sich wohl
Wie viele Waschbären in Berlin leben, dazu gibt es keine genauen Zahlen. Derk Ehlert, Berlin Wildtierexperte, geht von über 1.000 Tieren aus. Die Population habe über die Jahre zugenommen Die meisten Tiere leben am Stadtrand, dort, wo sie leicht Nahrung finden und nah an Gewässern leben können. Aber auch am Breitscheidplatz seien schon Tiere gesichtet worden. "Die Lebensbedingungen in der Stadt sind grundsätzlich gut", so Derk Ehlert.
Auch in Brandenburg ist die Population ordentlich gewachsen. Zwar gibt es auch hier keine offiziellen Zahlen zu den Tieren, aber im Jahr 2023 wurden circa 32.000 Stück erlegt - laut Alexander Wach von der Unteren Jagdbehörde Cottbus eine Zunahme von knapp acht Prozent zum Vorjahr, wie er im Gespräch mit rbb24 sagt.
Fangen oder gar abschießen?
Ist der Waschbär einmal da, ist er leider nicht so einfach wieder loszuwerden. Fangen geht in Berlin nicht, denn hier ist das Aufstellen von Lebendfallen laut Tierschutzrecht verboten, weil die Tiere dadurch unnötigem Stress ausgesetzt werden. "Nur im Einzelfall dürfen, wenn eine Genehmigung vorliegt, Lebendfallen in Berlin aufgestellt werden. Zum Beispiel, wenn ein Waschbär in einem Gebäude auftaucht, wo er zur Gefahr für den Menschen werden kann. Das könnte in einem Krankenhaus oder einem Trafohäuschen der Fall sein", erklärt Derk Ehlert.
Der Abschuss durch Jägerinnen und Jäger ist nur in Forstgebieten erlaubt, in befriedeten - also städtischen - Gebieten nicht. In Brandenburg ist die rechtliche Lage etwas anders, hier dürfen Lebendfallen auf der Jagdfläche Brandenburgs aufgestellt werden. Allerdings nur durch Jägerinnen und Jäger. Auf befriedeten Flächen kann eine eingeschränkte Jagdausübung genehmigt werden. Damit sollen lokale, für den Naturschutz wertvolle Gebiete und heimische Arten geschützt werden. Denn laut EU-Verordnung gelten die Waschbären als invasive Art.
Vergrämen und aussperren
Fangen lassen dürfen wir die Waschbären also nicht. Doch wie den unerwünschten Besucher dann wieder loswerden? Es bleibt nur: Aussperren oder, wenn der Waschbär schon unterm Dach oder ähnlichem heimisch geworden ist, vergrämen.
Aussperren
Der Waschbär ist ein guter Kletterer. Um ins Dach zu kommen, benutzt er entweder die Fallrohre von Regenrinnen oder überhängende Äste von Bäumen. Man sollte daher regelmäßig die Äste von nahe stehenden Bäumen und andere Kletterhilfen, wie Ranken und Büsche an der Hauswand, kürzen. Dabei aber unbedingt die örtliche Baumschutzverordnung beachten! Für die Fallrohre kann man sogenannte Abwehrgürtel kaufen. Das sind Metallgürtel mit langen Stacheln, die Waschbären, aber auch Marder, daran hindern, die Fallrohre als Kletterhilfe zu benutzen. Diese Gürtel gibt es übrigens auch für Bäume, falls man verhindern möchte, dass ein Waschbär das ganze Obst von den Ästen frisst.
Vergrämen
Ist der Waschbär schon Untermieter, kann man versuchen, ihn zu vergrämen. Derk Ehlert empfiehlt technische Abwehrmaßnahmen wie beispielsweise oben genannte Metallgürtel an Dachrinnen und Bäumen: "Es gibt Ultraschallgeräte oder Geruchsstoffe, die hier angewandt werden können. Allerdings muss man sagen: Je städtischer ein Waschbär ist, desto weniger reagiert er auf solche Störfaktoren. Ein Ausprobieren lohnt sich aber trotzdem", so der Wildtierexperte. Wenn der Waschbär darauf nicht reagiert, könne man nur abwarten, bis er nachts sein Heim verlässt und dann die Abwehrgürtel rund ums Haus anbringen. So hat der Waschbär keine Chance mehr, zurück in sein Versteck zu kommen.
Beim Aufräumen der Waschbär-Behausung bitte unbedingt Handschuhe und Mundschutz tragen. Denn der Waschbärkot kann Erreger enthalten, die auch bei uns Menschen für Krankheiten sorgen. Übrigens: Tollwut ist bei den hiesigen Waschbären nicht so verbreitet. Dafür aber Räude und Staupe, welche für Haustiere gefährlich werden können. Für Staupe gibt es aber eine Pflichtimpfung.
Hilfe beim Vergraulen
Der Landesverband vom NABU - Naturschutzbund Deutschland - hat für Berlin ein ein Wildtiertelefon geschaltet. Unter der Nummer 030-54 71 28 91 können Problemfälle mit Wildtieren gemeldet werden - gleichzeitig kann man sich über Wildtiere im Stadtgebiet informieren. Die Hotline ist von Oktober bis März immer Montag bis Mittwoch und Freitag von 10 bis 13 Uhr sowie Donnerstag von 12 bis 15 Uhr erreichbar. Von April bis September Montag bis Mittwoch und Freitag von 10 bis 15 Uhr sowie Donnerstag von 12 bis 17 Uhr.
Man kann sich auch direkt an die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt wenden. Die Senatsverwaltung hat zu den verschiedenen Wildtieren im Stadtgebiet Flyer veröffentlicht, die auch online als PDF erhältlich sind.
In Brandenburg helfen die unteren Jagd- und Naturschutzbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte.
Super anpassungsfähig
Waschbären sind nicht nur ziemlich hartnäckig, sie sind wahnsinnig anpassungsfähige Tiere. Sie in Deutschland wieder auszurotten, ist unmöglich. Die übermäßige Jagd von Waschbären kann sogar zum Gegenteil führen. In einer Studie hat man herausgefunden, dass Waschbären ihre Geburtenrate erhöhen, wenn die Population sinkt. Waschbärweibchen bekommen dann nicht nur mehr Nachwuchs, sondern auch mehr weiblichen Nachwuchs, um die Population aufrecht zu erhalten.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 09.10.2024.