Bargeld wird am EC-Automaten abgehoben (Quelle: IMAGO/Gottfried Czepluch)
Bild: IMAGO/Gottfried Czepluch

Geld | Beitrag | Lesedauer etwa 5 Minuten - Geld: der Kampf ums Bargeld

Verbraucherschützende ringen darum, dass die Zahlung mit Bargeld weiterhin großflächig akzeptiert wird. Warum eigentlich?

Karte drüber, swoosh, bezahlt ist. Oder noch einfacher, mit dem Smartphone. Der Trend weg vom Bargeld hin zum mobilen Bezahlen ist ungebrochen: 2017 fanden noch rund 74 Prozent der Bezahlvorgänge mit Scheinen und Münzen statt, 2021 lag dieser Anteil nur noch bei etwa 58 Prozent (Quelle: Deutsche Bundesbank). Eigentlich sollten sich doch jetzt alle freuen, oder? Deutschland hinkt bei dem Thema nicht mehr hoffnungslos hinterher, auch wir können Karte! Und dennoch kämpfen Verbraucherschützer:innen darum, dass das Bezahlen mit Bargeld Standard bleibt. Aus guten Gründen.

Warum ist Bargeld so wichtig - und für wen?

Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist der langsame Rückzug des Bargelds nicht nur ein Problem der schwindenden Teilhabe, das Menschen betrifft, die zum Beispiel kein Konto haben und damit keine Möglichkeit, mit Karte zu bezahlen - nach Schätzungen der Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungen immerhin etwa eine halbe Million Menschen.
 
Bargeldlos zahlen hieße immer auch, die dahinterliegenden Dienste mitzuzahlen. Die dominanten Anbieter nehmen teils hohe Gebühren für Transaktionen, erläutert Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverand (vzbv(, "zum Ärger der Händler, die die Kosten letztlich an die Konsumierenden weitergeben".
 
Wichtig auch bei dem Kampf um das Bargeld: der Datenschutz. "Die meisten der gängigen Zahlungsmethoden (z. B. Kreditkarten, Mobiltelefone, Zahlungsdiensteanbieter oder über Bankkonten) erlauben keine anonyme Nutzung", erläutert Simon Rebiger, Sprecher des Berliner Datenschutzbeauftragten. Nur bei der Bezahlung mit Bargeld würden grundsätzlich keine personenbezogenen Daten anfallen, weshalb die Nutzung und das Anbieten dieser Zahlmethode vor dem Hintergrund des Prinzips der Datenminimierung vorzugswürdig sei.

Bargeld ist "systemrelevant"

So könnten etwa über Kartenzahlungen bzw. zu Mobile Pay-Zahlungen Standortdaten, Daten über das Konsumverhalten oder auch Informationen über das Verhältnis zwischen Personen weitergegeben werden. "Diese und ggf. weitere Daten sind je nach Einzelfall für Kreditkartenunternehmen, Karten ausgebende Banken und Anbieter der Mobile Pay-Lösungen einsehbar", so Rebiger. Die beteiligten Unternehmen könnten solche Daten beispielsweise untereinander bzw. mit Dritten austauschen, ohne dass für die betroffenen Personen nachvollziehbar sei, wer über diese verfügt. "Bei der Bargeldzahlung fallen die o. g. Daten gar nicht erst an und können in der Folge auch nicht offengelegt oder ausgewertet werden."
 
Die Gefahr sei groß, "dass Verbraucher:innen (…) kategorisiert und bewertet werden", so auch der vzbv. Wer seine Daten nicht preisgeben möchte, würde in diesem Szenario von vornherein von Dienstleistungen ausgeschlossen.
 
Ein weiteres Problem für Verbrauchende beschreibt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim vzbv. "Der Zahlungsverkehr ist Teil unserer kritischen Infrastruktur - und Bargeld ein gutes Mittel für mehr Resilienz in diesem Bereich", so Schröder. Bargeld mache unseren Zahlungsverkehr und damit unser gesamtes Wirtschaften sicherer und unabhängiger. Denn: "Was passiert, wenn kritische Infrastrukturen ausfallen und wie können wir uns davor schützen?" Ein Ausfall der Systeme, etwa durch großangelegte Hacks, könne zum Beispiel bedeuten, dass nicht mehr mit Karte gezahlt werden kann. Schon ein Ausfall der Karten-Terminals im Frühsommer 2023 "führte es uns allen vor Augen: Bargeld bleibt auch in Zeiten von Girocard, Klarna und PayPal systemrelevant", so Schröder.

Viele Forderungen an die Politik

Das Bargeld muss zukunftsfest gemacht werden, so fordert es die vzbv-Vorständin Pop. Der vzbv hat deshalb klare Forderungen an die Politik: "Verbraucher:innen benötigen einen barrierefreien Zugang zum Bargeld, der effizient organisiert und gesetzlich abgesichert werden muss". Vor allem die Sparkassen hätten nach den Landessparkassengesetzen einen Versorgungsauftrag, der kaum noch gewährleistet sei, wenn sich Filialschließungen und Automatenrückbau fortsetzten.
 
"Auch das Recht aufs Barzahlen durchzusetzen ist ein wichtiger Hebel, um die Rolle des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel zu verankern", sagt Michaela Schröder, vzbv.
 
Gleichzeitig müsse die Akzeptanzpflicht für Bargeld gestärkt und konkretisiert werden, so dass es überall als Zahlungsmittel für die alltäglichen Einkäufe akzeptiert werde. Es müsse klar werden, welche engen Ausnahmen es gäbe oder welche Sanktionen bei Nichteinhaltung drohten. All dies sei bislang nicht geregelt.
 
Auch bei den mobilen Zahlungsmöglichkeiten gibt es Nachbesserungsbedarf - aus Sicht der Datenschüzer:innen. Die digitalen Zahlungsmethoden müssten so ausgestaltet werden, "dass sie für die Verbraucherinnen und Verbraucher datenschutzrechtlich bestmöglich nutzbar sind", so der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber.

Herausforderung: Bargeld abheben?

Im Februar 2024 veröffentlichte der vzbv eine Umfrage, in der 23 Prozent der Befragten angab, dass die Kosten für eine Bargeldabhebung gestiegen seien.

 

Gleichzeitig sagten 27 Prozent der Befragten, dass sie im vergangenen halben Jahr mindestens einmal in der Situation waren, nicht bar bezahlen zu können, weil eine Barzahlung gar nicht möglich war, so ein weiteres Ergebnis der repräsentativen Onlinebefragung.

 

Und: Über ein Viertel der Teilnehmenden gab an, dass sich der Weg zum Abheben von Bargeld in den vergangenen drei Jahren verlängert habe - weil Geldautomaten abgebaut und Bankfilialen geschlossen worden seien.

 

Die Zahlen dazu liefert die Bundesbank (Januar 2023): "Während sich die Anzahl der Geldautomaten in Deutschland im Jahr 2018 noch auf etwa 59.000 belief, waren im Jahr 2021 noch etwas über 55.000 Automaten verfügbar. Die Anzahl an Bankstellen ging im gleichen Zeitraum von knapp 30.000 auf etwa 23.000 zurück und hat sich im Vergleich zum Jahr 2006 sogar halbiert." Gleichzeitig hätten in den letzten Jahren allerdings Bargeldbezugsmöglichkeiten an der Ladenkasse an Bedeutung gewonnen.

 

Wer kennt es nicht, dass Abheben von Bargeld beim Bezahlen an der Kasse im Supermarkt oder in der Drogerie? Dieses Verfahren wird Cashback genannt. Im Jahr 2023 stieg die Summe des beim Cashback abgehobenen Geldes um rund 20 Prozent im Vorjahresvergleich - auf rund 12,3 Milliarden Euro, so das Forschungsinstitut EHI.

Bald soll es auch anders gehen

Die GLS-Bank will mit einem neuen Produkt die Datensicherheit des Bargelds ins Digitale übersetzen. "Bisher können Bürger:innen nur mit Bargeld selbstbestimmt und anonym zahlen", so eine Sprecherin der GLS-Bank gegenüber SUPER.MARKT. Dies seien aber aus Sicht der Genossenschaftsbank ein Grundpfeiler der Demokratie. Die Bank entwickelt deshalb gemeinsam mit verschiedenen Partnern die sogenannten Taler: Eine neue digitale Zahlweise, die anonym, sicher und nachhaltig sein soll. Taler sind E-Geld-Token, mit denen entweder browserbasiert oder per App bezahlt werden kann. "So können die Vorteile von Bargeld und digitaler Zahlung endlich verbunden werden", so die GLS-Sprecherin.
 
EU-Weit wird ebenfalls an einer Möglichkeit gearbeitet, digital und anonym zu bezahlen. Mit dem digitalen Euro plane die Europäische Zentralbank derzeit ein digitales Zahlungsmittel, das ein hohes Maß an Datenschutz gewährleisten soll und sowohl online als auch offline genutzt werden kann, erläutert Simon Rebiger, Sprecher des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit gegenüber SUPER.MARKT. Inwieweit der Digitale Euro wirklich anonym sein wird, ist noch ungewiss. Die Datenschutzbehörden haben sich allerdings dafür ausgesprochen, "dass Zahlungen mit dem digitalen Euro unter einem gewissen Schwellenwert komplett anonym sein sollen", so Rebiger.

Ein Beitrag von DEM, 30.05.2024.