Gesundheit | Beitrag | Lesedauer etwa 4 Minuten - Beratung: in Krankheitsfragen gerne unabhängig
Der Arztbrief ist unverständlich, der Arzt war frech und die Kosten horrend? Bei Patienten-Fragen und Problemen soll die "Unabhängige Patientenberatung" helfen.
Wie oft versteht man nur Kauderwelsch, wenn man vor einem Facharzt oder einer Fachärztin sitzt - und doch eigentlich nur Hilfe will? Für solche Fälle, aber etwa auch, wenn Patient:innen Konflikte mit Ärztinnen und Ärzten haben, medizinische Befunde ihnen unverständlich sind oder sie Beratung in Rechtsfragen benötigen, ist die "Unabhängige Patientenberatung Deutschland" (UPD) gedacht. Diese ist seit Mai dieses Jahres nach einer umstrittenen Neustrukturierung wieder am Start. Was kann sie?
Das will die UPD leisten
Patienten sollen auf Augenhöhe mit Ärzt:innen kommunizieren können, das ist die Grundidee der UPD, die 2000 zunächst als Modellprojekt gegründet worden war. Die Patientenberatung soll deshalb in gesundheitlichen, gesundheitsrechtlichen und sozialrechtlichen Fragen beraten - unabhängig, neutral, qualitätsgesichert, verständlich und kostenfrei, so die Grundsätze.
"Unser Ziel ist es, ein umfassendes und gut durchdachtes Beratungsangebot zu schaffen, das den Bedürfnissen unserer Ratsuchenden optimal gerecht wird", sagt Heike Morris, juristische Leiterin der Stiftung, gegenüber SUPER.MARKT.
Nach der Neustrukturierung ist die UPD im Mai 2024 zunächst mit einer Telefonhotline gestartet. Etwa 40 qualifizierte Beratungskräfte, darunter Mediziner:innen, Psycholog:innen, Anwältinnen und Anwälte, nehmen die Anrufe entgegen und helfen weiter - Anrufende dürfen anonym bleiben.
Mittelfristig soll das Angebot erweitert werden: So sollen gemäß gesetzlichem Auftrag 16 Regionalstellen aufgebaut werden, in denen Patient:innen persönlich beraten werden können. "Der Ausbau weiterer Beratungskanäle wie Chat, schriftliche Beratungsangebote sowie die face-to-face Beratung ist ein wichtiger Bestandteil unserer langfristigen Planungen. Wir befinden uns aktuell in der Übergangsphase von der Planung zur Umsetzung dieser Vorhaben, was jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird", erläutert Morris.
Der Bedarf ist anscheinend vorhanden: 2022 wandten sich etwa 123.000 Ratsuchende an die UPD.
Keine Diagnosen, stattdessen Navi im Gesundheitsdschungel
Was die UPD nicht macht: Sie stellt keine medizinischen Diagnosen und beurteilt nicht die Eignung spezifischer Behandlungen oder Untersuchungen und empfiehlt weder einzelne Praxen noch Krankenhäuser.
Stattdessen soll sie geeignete Ansprechpartner vermitteln und durch das Gesundheitssystem navigieren. Es geht also eher um ein Sortieren und Informieren - für das nächste Arztgespräch, den nächsten Anruf bei der Krankenkasse. "Wir lotsen Sie durch unser Gesundheitssystem und helfen Ihnen, geeignete Anlaufstellen zu finden", versprechen die Initiatoren.
Hier gibt es die "unabhängige" Beratung
Die Unabhängige Patientenberatung ist derzeit mit einem telefonischen Basisangebot unter der kostenfreien Rufnummer 0800 011 77 22 zu erreichen.
Das Beratungstelefon ist Montag, Dienstag und Donnerstag von 09:30 bis 12:00 Uhr und von 15:00 bis 17:00 Uhr, Mittwoch und Freitag von 09:30 bis 14:00 Uhr verfügbar.
Im Netz findet sich die UPD auf der Website Patientenberatung.de.
Deshalb gab es Streit um die UPD
Bis 2015 wurde die Patientenberatung vom Sozialverband VdK Deutschland, von dem Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Verbund unabhängige Patientenberatung als Gesellschafter betrieben. Dann wurde der kommerzielle Gesundheitsdienstleister und Call-Center-Betreiber Sanvartis mit der Trägerschaft beauftragt. Seitdem wuchs die Kritik an der Beratung und an möglichen Interessenkonflikten. 2020 monierte der Bundesrechnungshof, die UPD habe rund ein Drittel der jährlichen Fördersumme an die Muttergesellschaft überwiesen.
2023 verabschiedete die Ampelkoalition im Bundestag deshalb ein Gesetz, mit dem die Trägerschaft der UPD ab 2024 in eine Stiftung des öffentlichen Rechts umgewandelt werden sollte. Auch weiterhin hagelte es allerdings Kritik, denn der Bund hatte gerade den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) dazu verpflichtet, diese gemeinnützige Stiftung zu errichten und sie mit 15 Millionen Euro pro Jahr zu finanzieren, anstatt das Angebot zum Beispiel aus Steuergeldern zu finanzieren.
Patientenverbände und Verbraucherschützer kritisierten, dass der Bundesgesundheitsminister den Kassen diese tragende Rolle übertrug - denn Konflikte zwischen Patienten und Krankenkassen machten einen großen Teil der Patientenberatung aus. "Zum Selbstverständnis der UPD gehört es, unbequem zu sein und unrechtmäßiges Handeln gegenüber den Versicherten aufzuzeigen", so etwa Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Minister Karl Lauterbach (SPD) liefere die UPD "vollständig den Krankenkassen aus", erklärten Patienten- und Verbraucherschutzverbände.
Die Pläne wurden noch einmal überarbeitet. Jetzt steht fest: Die Geldgeber dürfen auf die Tätigkeit der Stiftung keinerlei Einfluss nehmen. Außerdem gehören dem Stiftungsrat neben Repräsentanten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen auch Patientenorganisationen an, sowie Vertreter von Ministerien und Abgeordnete des Bundestages. Der Vorsitzende der Stiftung ist der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Mit diesen Maßnahmen soll die Unabhängigkeit garantiert werden.
Verbraucherschützende begrüßten den Neuanfang. Denn in vielen Fällen sei Unabhängigkeit zentral, "etwa weil Leistungen verweigert oder geschmälert worden sind durch die Krankenkassen", wie Ramona Pop, der Deutschen Presse-Agentur zum Neustart des Angebots im Mai sagte.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von KNA und DPA, 01.08.2024.