Feine Wollkleidung in der Waschmaschine (Quelle: imago images/ShotShop)
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Haushalt| Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - Neue Kleidung: Anziehen oder ab in die Wäsche?

Neue Kleidung ist voller Chemie, deshalb erst einmal in die Waschmaschine. Stimmt? Genau. Wieso das so ist und warum es keine Ausnahmen gibt, checken wir.

Es ist neu, es ist toll, ich will es anziehen! Wie oft haben wir diesen Gedanken, wenn wir neue Kleidung frisch aus dem Geschäft nach Hause tragen oder im Paket geliefert bekommen? Aber auch wenn die Versuchung groß ist: Bleiben Sie standhaft; morgen sehen Sie in dem neuen Teil auch noch gut aus. Denn ein Großteil der Sachen wurde unter Einsatz diverser schädlicher Chemikalien produziert.

Wieso ist so viel Chemie ist der Kleidung?

Laut Greenpeace kommen fast 75 Prozent der weltweiten Kleidung aus Asien. Dabei werden über 3.500 verschiedene Chemikalien eingesetzt, viele davon umwelt- und gesundheitsschädlich. Eines der Hauptprobleme: Die große, unübersichtliche Modebranche ist wenig reguliert - verursacht aber viele globale Probleme.
 
Viola Wohlgemuth, Expertin für Überkonsum bei Greenpeace, kritisiert die laxen Gesetze und Grenzwerte für den Einsatz von Chemie: "Chemikalien, die in Europa verboten sind (...), sind in Süd-Ost-Asien oft zugelassen oder es wird nicht hinreichend kontrolliert" - laut Wohlgemuth ein strukturelles Problem, denn "diese Industrie bringt so viel Geld ins Land und die internationalen Firmen üben so viel Druck aus, dass die Gesetzgebung dort nicht stattfindet".
 
Hierzulande sei es dann die fehlende Transparenzpflicht, die es unmöglich mache, die Chemikalien in Textilien rückverfolgen zu können: "Als Verbraucherin würde ich erwarten: Ich kaufe ein Produkt und kann genau sehen, wo es hergestellt wurde, wie es hergestellt wurde und welche Chemikalien eingesetzt wurden." Das sei aber bisher nicht gesetzlich verankert.

Alles, was die Verbrauchenden wollen

Auch Oliver MacConnell, Dozent und Modedesigner aus Berlin, bezeichnet die Umstände der Textilindustrie als katastrophal - der Grund dafür: unsere Bequemlichkeit, gerade in der Vergangenheit. "Wir wollten es immer bequem haben, pflegeleicht, knitterfrei und so weiter und so fort. Und da ist Chemie der billigste Partner, um das zu machen", so MacConnell im Gespräch mit SUPER.MARKT. Sein Merksatz für den Kleidungskauf: "Billige Klamotten, die gut aussehen, wurden definitiv chemisch behandelt, weil sie sonst nicht gut aussehen würden." Zum einen würden diese Textilien mit viel Chemie behandelt, um sie vor dem Verkauf lagerfähig, knitterfrei und transportfähig zu halten.
 
Zum anderen sei es vielfach eine chemische Ausrüstung, die die Kunden ausdrücklich wünschten: "Immer wenn draufsteht 'bügelfrei', 'pflegeleicht', 'knitterarm' - dann ist das ein Hinweis, dass das chemisch ausgerüstet wurde." Aber auch ein Fleckenschutz oder ein UV- bzw. Mückenschutz lassen sich in der Regel nur mit der sogenannten chemischen Ausrüstung hinkriegen - selbst bei teuren Anziehsachen, etwa bei Funktionskleidung, ist die Chemie also ein Thema.

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Neue Kleidung im Geschäft (Quelle: imago images/Addictive Stock)
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8 min

Kleidung: Erst mal waschen!

Klar, wenn die Klamotte gekauft ist, soll sie natürlich so schnell wie möglich angezogen werden! Doch es lebt gesünder, wer sie vor dem ersten Tragen wäscht.

Der sicherste Weg: Erst waschen, dann tragen

Chemie in der Kleidung - ein Problem, das auch Hautärztin Natalie Garcia Bartels aus ihrer Praxis kennt: "Klassische Symptome sind Rötungen, Juckreiz, kleine Bläschen. Das nennt sich Kontaktdermatitis oder Kontaktekzem. Und das alles kennen wir in der Hausarztpraxis."
 
Denn gerade wenn wir in der neuen Kleidung schwitzen, würden die Chemikalien leichter aus den Stoffen und auf unsere Haut gelangen - "und bekommen so auch Kontakt zum Immunsystem unserer Haut", erläutert Garcia Bartels.
 
Damit das bei neuer Kleidung nicht geschieht, rät Garcia Bartels, die Kleidung immer zuerst zu waschen. Wer empfindliche Haut habe, solle man die Sachen sogar zwei oder drei Mal waschen, bevor man sie trägt, denn "100 Gramm eines Pullis haben schon 20 Gramm an Färbemittel, an Konservierungsmittel, an Bioziden". Welche Chemikalien allerdings genau eingesetzt werden, darüber steht nichts in der Kleidung.
 
Für frisch gekaufte Anziehsachen gilt also folgendes: Alles mit knalligen Farben, und alles, was Hautkontakt hat, gehört vorm Anziehen gewaschen.

Kleidung Chemie-arm kaufen

Wer schon vor dem Kauf darauf setzen möchte, möglichst chemiefreie Kleidung zu kaufen, kann sich darauf beschränken, Second-Hand-Ware auszusuchen. Diese ist in der Regel schon diverse Male durchgewaschen worden, Chemie hier nur noch in Ausnahmefällen vorhanden.
 
Bei Neuware rät Mode-Experte Oliver MacConnell, auf den lokalen Bezug der Fertigung zu achten, der "gibt immer auch indirekten Hinweis über die Nachhaltigkeit der jeweiligen Klamotte." Aber: Je näher die Kleidung produziert wurde, desto teurer ist sie in den meisten Fällen halt auch.
 
Spezielle Ökosiegel helfen zudem bei der Orientierung. Hier weist MacConnell auf das Label Öko Text Standard 100 hin, das sich hauptsächlich auf die Materialien bezieht. "Und dann gibt es noch GOTS, das ist der Global Organic Textile Sandard - der bezieht die Arbeitsbedingungen mit rein, der ist noch einen Hauch strenger. Auf die beiden Sachen kann man sich gut verlassen", so MacConnell. Zusätzlich gibt es noch das Siegel Naturtextil IVN zertifiziert BEST vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft.

Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 18.01.2024.