Die DB-Navigator-App auf dem Smartphone (Quelle: IMAGO/Political-Moments)
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Multimedia | Beitrag | Lesedauer etwa 3 Minuten - DB Navigator: die Alleswisser-App

Digitalexperten werfen der Deutschen Bahn übermäßigen Datenhunger vor, die App "DB Navigator" steht dabei im Zentrum der Kritik. Was ist dran?

Die App der deutschen Bahn, der DB Navigator, "ist der ideale Reisebegleiter im Nah- und Fernverkehr sowie für U-Bahn, Straßenbahn und Bus" - so wirbt die Deutsche Bahn. Mit der App können wir die besten, schnellsten oder günstigsten Verbindungen raussuchen, digitale Tickets buchen, alle Änderungen zur Fahrt erfahren und den Komfort-Check-In benutzen. Was viele nicht wissen: So wie wir sozusagen den Zug "tracken", also verfolgen können, der uns von A nach B bringen soll, verfolgt die DB uns - mit zahlreichen Trackern innerhalb der App.

So trackt die Deutsche Bahn

Dabei gilt: Viele Tracker lassen sich auch in Apps ausschalten. Bei iOS geht das in den Einstellungen, beim Reiter "Datenschutz". Bei Android lassen sich allerdings nur Werbetracker so einfach ausschalten. Viele der DB-Navigator-Tracker sind aber keine klassischen Werbetracker - und laufen deshalb selbst nach dem Ausstellen im Hintergrund weiter.
 
Der Bielefelder Verein Digitalcourage hat gemeinsam mit dem IT-Blogger Mike Kuketz und dem Datenschutz-Anwalt Peter Hense eine Klage gegen die Deutsche Bahn und den übermäßigen Tracker-Gebrauch im DB Navigator eingereicht. Ein Verhandlungsdatum steht noch aus.
 
Der Verein wirft der Deutschen Bahn vor, dass auch unter der scheinbar datenarmen Einstellung "Nur erforderliche Cookies zulassen", die die Kund:innen beim Start der App wählen können, massenhaft Informationen über Userinnen und User gesammelt und weitergegeben werden. Und dabei auch Daten, die nicht wirklich erforderlich sind.
 
"Es sind insgesamt zehn Unternehmen und Dienstleister, deren Mitwirkung laut Bahn angeblich zwingend erforderlich ist, und an die deshalb Daten abfließen - ohne dass wir Nutzer.innen das abschalten könnten", erläutert Digitalcourage.
 
So erführe zum Beispiel das US-Unternehmen Adobe die Anzahl der Reisenden, ob ein Kind mitfährt, Abfahrtstag, Start- und Zielbahnhof - "ohne dass es eine Möglichkeit gibt, dem zu widersprechen".
 
Doch: "Nicht abwählbare Tracker dürfen nur eingesetzt werden, wenn sie objektiv unbedingt erforderlich sind", so der Verein. Es reiche nicht, dass ein Anbieter diese Tracker einfach nur unbedingt einsetzen will, weil das zum Geschäftssmodell gehört.
 
Für den Abruf von Zugverbindungen in einer Fahrplan-App und die Buchung von Tickets sei die kommerzielle Weiterverwertung der personenbezogenen Daten der Reisenden nicht "zwingend erforderlich", argumentiert Digitalcourage. Das Tracking sei also ein klarer Verstoß gegen das Telemediengesetz und die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
 
Für den Verein steht fest, dass diese Verstöße umso mehr ins Gewicht fallen, weil Bahnfahren zur Grundversorgung zählt: "Der DB Navigator ist nicht irgendeine App, die Menschen nach Lust und Laune benutzen können oder auch nicht - sie ist Teil einer Mobilitäts-Grundversorgung. Und die sollten alle nutzen können, ohne dabei ausspioniert zu werden."

Das sagt die Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn legt nach eigenen Anhaben "großen Wert auf Datensparsamkeit und Schutz ihrer Kund:innen", so eine Bahnsprecherin gegenüber SUPER.MARKT. Zu Aspekten, "die Berührungspunkte zum erwähnten Klageverfahren haben", möchte sich die Sprecherin nicht äußern - doch sie versichert, dass der Umfang der Datenverarbeitung sowie der Einsatz entsprechender Dienstleister kontinuierlich geprüft werde.
 
Auf das Beispiel der Tracker angesprochen, die Userdaten an Adobe weitergeben, erläutert die Bahnsprecherin, Adobe sei als Auftragsverarbeiter für die Deutsche Bahn tätig und könne nicht eigenständig über die Daten, welche für Bahn-Zwecke mittels Adobe-Infrastruktur verarbeitet werden, verfügen.
 
"Das Analysesystem Adobe Analytics wird von der DB ausschließlich für eigene Zwecke eingesetzt, um sicherzustellen, dass die Reiseplanungs- und Buchungsplattform - wie von den Nutzer:innen zurecht erwartet - zuverlässig zutreffende und aktuelle Informationen zur Verfügung stellt, dass sie stabil läuft, dass sie verfügbar ist, und dass sie die sie betreffenden Pflichten gemäß der Fahrgastrechteverordnung erfüllt. Beispielsweise sollen Verbindungsinformationen Nutzer:innen und Bahnreisenden auch dann kurzfristig und umfassend zur Verfügung stehen, wenn es zu einer ungewöhnlich hohen Anzahl an gleichzeitigen Zugriffen und Abrufen kommt. Dafür muss bereits nachvollziehbar sein, welche tatsächlichen Zugriffs- und Abrufbedarfe bestehen und wie erfolgreich sie bedient werden konnten."
 
Also doch eine zwingend erforderliche Datenabfrage? Eine Frage, die vor Gericht geklärt werden muss.

Was können Kund:innen tun?

Wer nicht getrackt werden will - oder zumindest nicht in dem Ausmaß - der muss aktuell auf die Nutzung des DB Navigators verzichten. Tickets lassen sich auch ohne App online, am Automaten oder am Schalter kaufen. Wer via Webbrowser kauft, der kann über verschiedene Add-ons Tracker ausschalten. Dies führt teilweise allerdings zu Performance-Problemen der Website.
 
Über Verspätungen im Ablauf kann man sich ebenfalls - etwas mühsamer - auf der Webseite der Deutschen Bahn erkundigen, bzw. können Sie im Kundenkonto der DB angeben, dass Sie via E-Mail über Änderungen im Ablauf informiert werden möchten. Und der Check-in, früher: Fahrscheinkontrolle, erfolgt dann eben total altmodisch im Zwiegespräch mit dem Schaffner.

Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 17.06.2024.