Di 18.01.2022 | Beitrag | Lesedauer etwa 6 Minuten - Pfandbetrug: die Masche mit der Import-Dose
Warum Einweg-Dosen und Flaschen aus dem Ausland schon lange ein Problem sind
Schnell noch die letzte Dose in den Pfandautomaten gepackt und dann ab zur Kasse. Doch irgendwie will der Automat nicht. Die Dose kommt ständig zurück. Aber warum? Ist doch mittlerweile alles pfandpflichtig! Stimmt, wenn die Getränke aus Deutschland sind. Stimmt nicht, wenn sie aus dem Ausland stammen. Dann haben sie kein Siegel von der Deutschen Pfandsystem GmbH (DPG) und sind nicht pfandpflichtig. Auch nicht nach den neuen Pfandregelungen, die seit 1.1.2022 gelten. Im Prinzip ist es ganz einfach: Wer kein Pfand bezahlt hat, bekommt auch keins zurück. Wie kann es aber sein, dass solche Verpackungen in Deutschland im Umlauf sind? Wird hier bewusst das Pfandsystem umgangen?
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Genau diese Fragen stellt einer unserer Zuschauer, der bei seiner letzten Lieferando-Lieferung Cola-Dosen aus Ungarn bekommen hat. Wir wollen es genauer wissen und sprechen mit dem Umweltbundesamt und der Deutschen Umwelthilfe, stellen unsere Fragen der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, den Berliner Bezirksämtern und dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz in Brandenburg. Antworten bekommen wir nicht überall, aber doch genug, um uns ein Bild machen zu können.
Gezielte Getränke-Importe zur Umgehung der Pfandpflicht?
Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist es ganz klar ein Problem für die Umwelt. Und auch das Ordnungsamt Reinickendorf sieht das so: "Produkte, die nicht in Deutschland hergestellt werden und kein Recycling-Pfandsymbol haben, können nicht dem deutschen Recyclingsystem zurückgeführt werden und stellen mithin eine erhebliche Umweltbelastung dar, da die Verpackungen mit dem gewöhnlichen 'Hausmüll' entsorgt oder einfach weggeworfen werden." Sie landen auf der Straße, der Parkwiese oder im Wald. Mit Pfand passiert genau das sehr selten: Die Rücklaufquote liegt hier nämlich bei 98,5 Prozent. "Besser kann es gar nicht laufen", so Thomas Fischer von der DUH.
Umso frustrierender, wenn die Pfandpflicht immer wieder umgangen wird. Nach DUH-Recherchen wird Ware in großem Stil von Fachgroßhändlern aus den Niederlanden, Dänemark, der Türkei, Spanien und Polen importiert - ohne Pfand und DPG-Siegel. Das bestätigt uns auch das Bezirksamt Pankow: "Nach Einschätzung der Zentralen Stelle für Bekämpfung der Schwarzarbeit in Berlin existieren in Berlin Vertriebswege, auf denen Getränkedosen und -flaschen ohne Pfandsiegel insbesondere in Spätis, Imbisse und auch Einzelhandelsgeschäfte und Barbershops gelangen, zudem in regelmäßig großer Stückzahl."
Verstoß gegen das Verpackungsgesetz
Zum Verständnis: Der Import von Getränken aus dem Ausland ist legal. Erst der Wiederverkauf ohne Pfand ist illegal, aber eben ein lohnendes Geschäft. Die importierten Produkte sind günstiger, dazu spart man sich die 25 Cent Aufschlag, ist damit deutlich billiger als die Supermarkt-Konkurrenz und trickst dabei ganz nebenbei noch mit der Umsatzsteuer. Und natürlich beteiligt sich hier auch keiner am teuren Rücknahmesystem. Wer allerdings erwischt wird, für den kann es richtig teuer werden. Bis zu 100.000 Euro Strafe sind bei Verstößen gegen das Verpackungsgesetz laut zuständiger Senatsverwaltung möglich. Wie viel Bußgeld in Berlin dafür tatsächlich fällig wird, ist unklar.
Betrug in großem Stil oder eher nicht?
Von den 12 Bezirksämtern, die wir angeschrieben haben, kamen nur aus Lichtenberg konkrete Angaben dazu: "Es werden Ordnungswidrigkeitenanzeigen gefertigt und Bußgelder verhängt. Dabei wird, soweit möglich, ein entsprechender Verkaufsgewinn ermittelt und ein deutlich darüber liegendes Bußgeld festgesetzt, mindestens 250,00 € bei Erstverstößen, damit auch eine Eintragung im Gewerbezentralregister nach Rechtskraft erfolgen kann."
Die Anzahl der geahndeten Verstöße unterscheidet sich von Bezirk zu Bezirk. Die Spanne reicht für das Jahr 2021 von "in Spandau sind uns solche Fälle bisher nicht bekannt geworden" bis zu insgesamt 95 Verstößen in Lichtenberg. Dazwischen liegt Steglitz-Zehlendorf mit fünf Verfahren, Charlottenburg mit 14, in Reinickendorf waren es 15, in Tempelhof-Schöneberg gab es bei 335 Kontrollen insgesamt 25 Verstöße, das Bezirksamt Mitte hingegen hat 85 Verfahren auf den Weg gebracht. Andere Bezirke erheben diese Daten gar nicht, bzw. haben momentan aufgrund der Pandemie andere Prioritäten und dadurch zu wenig Kapazitäten für regelmäßige Kontrollen.
Allerdings gibt es Bestrebungen, in Zukunft "eine berlinweite Zentralisierung der Marktüberwachungsaufgaben umzusetzen (…), die den komplexen Herausforderungen Rechnung trägt und diesen Schwerpunkt auch gezielter verfolgen kann, als in der Fülle unterschiedlicher Ordnungsamtsaufgaben möglich wäre", wie uns der Leiter des Ordnungsamtes Spandau mitteilt.
Und in Brandenburg? "In der Gesamtmenge spielen Einwegdosen/ -Flaschen ohne DPG-Pfandlogo keine große Rolle", sagt Sebastian Arnold vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg. Allerdings gebe es in grenznahen Regionen immer wieder "entsprechende Getränkeverpackungen, da es sich um ein Pfandsystem handelt, welches nur in Deutschland existiert".
Problem seit Bestehen des Pfandsystems
Unser Zuschauer ist hier also auf ein altbekanntes Problem gestoßen, dass bereits seit Einführung des Einwegpfandes besteht. "Und daran werden auch die neuen Regelungen nichts ändern, das wird alles weiterlaufen wie bisher", da ist sich Thomas Fischer von der Umwelthilfe sicher.