Eine Krankenkassenkarte (Quelle: IMAGO/Bihlmayerfotografie)
Bild: IMAGO/Bihlmayerfotografie

Recht | Beitrag | Lesedauer etwa 2 Minuten - Telematiktarife: Rabatte für gesundes Verhalten?

Wer gesund lebt, soll mit einem günstigeren Versicherungsbeitrag belohnt werden, so wirbt Generali-Tochter Dialog. Der BGH sieht jedoch Änderungsbedarf bei der Ausgestaltung.

Wenn eine Versicherung einen Tarif anbietet, dessen Beitragshöhe sich danach richtet, wie gesundheitsbewusst sich die versicherte Person verhält, müssen die Kriterien für den Tarif transparent dargelegt werden. Macht die Versicherung dies nicht, sind entsprechende Vertragsklauseln unwirksam - zu diesem Urteil kam der Bundesgerichtshof (BGH) am 11. Juni 2024 (Az. IV ZR 437/22).
 
Der BGH beschäftigte sich zum ersten Mal mit sogenannten Telematiktarifen - und stärkt mit der Entscheidung Versicherungsnehmerinnen und - nehmern gleich mal den Rücken.

Berufsunfähigkeitsversicherung mit "Vitality Status"

Das Urteil betrifft einen Telematiktarif für eine Berufsunfähigkeitsversicherung der Generali-Tochter Dialog. Laut Vertrag können die Versicherten per App Punkte sammeln, indem sie sich etwa bewegen, Sport treiben oder Arztbesuche wahrnehmen. Der mit diesen Tätigkeiten erreichte "Vitality Status" wirkte sich auf die Überschussbeteiligung und damit letztlich auch auf die Höhe der Versicherungsprämien aus.
 
Seit Jahren kritisieren Verbraucherschützer dieses Programm. Der Bund der Versicherten (BdV) war nun gegen zwei Regelungen des Tarifs vorgegangen, die er für unwirksam hielt: Zum einen ging es um die konkreten Beiträge und etwaige Überschussbeteiligungen, zum anderen darum, was passiert, wenn Daten nicht rechtzeitig oder gar nicht per App übertragen werden. Die Regelungen in beiden Fällen seien intransparent und würden die Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligten, so der BdV. Die Richter in Karlsruhe schlossen sich der Einschätzung an; die Revision des Versicherers wurde zurückgewiesen.
 
Die beklagten Klauseln sind laut BGH unwirksam. Zum einen werde dem Verbraucher nicht hinreichend erklärt, nach welchen Maßstäben die "Modifikation der Überschussbeteiligung" und damit letztlich die Berechnung der Beiträge erfolge. Zum anderen gehe der Tarif bei fehlenden Angaben über gesundheitsbewusstes Verhalten davon aus, es habe ein solches Verhalten nicht gegeben. Hier trüge die versicherte Person zu Unrecht das Risiko einer ausbleibenden Übermittlung der Fitness-Daten. Damit würden den Versicherten unzulässig auch technische oder andere Fehler angelastet, für die sie nicht verantwortlich sind, kritisierte der Bundesgerichtshof.

Urteil bestätige den "Grundsatz der Vertragsfreiheit"

Laut Generali sei das Vitality-Gesundheitsprogramm des Versicherers vom BGH nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden, dass Programm selbst sei auch nicht Gegenstand der
Entscheidung gewesen. "Insofern bestätigt das Urteil den Grundsatz der Vertragsfreiheit, wonach jeder im Rahmen der bestehenden Gesetze frei entscheiden kann, wie und bei wem er oder sie sich versichert", so das Unternehmen.
 
Dennoch räumt Generali ein, die beiden in dem Verfahren monierten Klauseln anpassen und die nach eigenen Angaben knapp hundert betroffenen Kunden anschreiben zu wollen.

Ein Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von AFP und DPA, 14.06.2024.