Vegane Fruschtgummi (Quelle: IMAGO/Panama Pictures/Christoph Hardt)
Bild: IMAGO/Panama Pictures/Christoph Hardt

Recht | Beitrag | Lesedauer etwa 4 Minuten - "Klimaneutral": Als Werbeversprechen mit Vorsicht zu genießen

Katjes wirbt mit dem Wort "klimaneutral" - wer mehr wissen will, kann sich per Link informieren. Das sei irreführend und reiche nicht mehr aus, urteilt der Bundesgerichtshof.

"Klimaneutral" - mit diesem Begriff darf der Süßwarenhersteller Katjes von nun an nur werben, wenn an selber Stelle auch erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt. Das Unternehmen darf demnach eine strittige Anzeige aus dem Jahr 2021 nicht mehr verwenden, in der eben diese Erläuterungen fehlten. Das Urteil fällte der Bundesgerichtshof (BGH) am 26. Juni 2024. Das Gericht gab damit der Revision der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs recht (AZ.: I ZR 98/23). Der BGH hat so auch grundsätzlich strengere Anforderungen an umweltbezogene Werbung festgelegt.

Klimaneutral durch Kompensation oder Eigenanstrengung?

Die vor Gericht beanstandete Anzeige hatte Katjes in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche geschaltet. Sie warb mit folgender Aussage: "Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral". Daneben war ein Logo platziert, das den Begriff "klimaneutral" zeigte, außerdem die Adresse der Website des Partnerunternehmens Climate Partner. Über einen QR-Code war die Seite direkt zu erreichen.
 
Die Wettbewerbszentrale hielt diese Werbeaussage des Unternehmens für irreführend, denn der Herstellungsprozess selbst laufe nicht "klimaneutral" ab und verursache durchaus Kohlendioxid, erst durch kompensatorische Maßnahmen werde die Klimaneutralität hergestellt. Deshalb müsse die Werbeaussage zumindest dahingehend ergänzt werden.

Bundesgerichtshof kommt zu anderem Schluss als Oberlandesgericht

In den beiden ersten Instanzen des Verfahrens hatten das Landgericht Kleve und das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage der Wettbewerbszentrale abgewiesen und die Werbung als zulässig erklärt. Die Richter:innen argumentierten, Verbraucher:innen verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz und wüssten, dass diese auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Entscheidend sei, dass sich jede:r online darüber informieren könne, wie die Klimaneutralität der Produkte erreicht werde.
 
Der Kläger konterte, dass Angaben darüber, wie die Klimaneutralität zustande kommt, schon in der Werbung selbst hätten auftauchen müssen. Den Wettbewerbshütern war wichtig, dass Kund:innen den Unterschied zwischen Unternehmen, die mit hohen Investitionen und technischen Weiterentwicklungen eine tatsächliche Reduzierung ihrer Emissionen erreichen, und solchen, die im eigenen Betrieb nichts ändern, aber Geld an Klimaprojekte zahlen, erkennen können.
 
Dem stimmte der BGH nun zu. Die Leserinnen und Leser der Fachzeitschrift hätten - nicht anders als Verbraucher:innen - den Begriff "klimaneutral" sowohl als Reduktion als auch als Kompensation der Emissionen verstehen können. Die Werbung sei daher im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb irreführend.

Zur Begründung des BGH-Urteils

Bei umweltbezogener Werbung sei die Gefahr der Irreführung besonders groß, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung. In diesem Bereich gebe es - wie auch bei gesundheitsbezogener Werbung - ein höheres Aufklärungsbedürfnis der Verbraucher:innen. Dies habe das Düsseldorfer Oberlandesgericht nicht berücksichtigt.
 
Würde ein mehrdeutiger Begriff wie "klimaneutral" verwendet, müsse er schon in der Werbung selbst erklärt werden - Hinweise außerhalb der Werbung reichten nicht aus. Vor allem, weil die Reduktion von CO2-Emissionen und die Kompensation dieser Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung der Klimaneutralität seien. Für den Klimaschutz sei die Reduktion gegenüber der Kompensation vorrangig.
 
Die Irreführung sei dabei auch wettbewerblich relevant, weil die vermeintliche Klimaneutralität für Kaufentscheidungen von Verbrauchenden von erheblicher Bedeutung sei.

Wie "klimaneutral" wird die Zukunft?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat Signalwirkung: Wer mit mehrdeutigen Begriffen wie "klimaneutral" werben will, muss demnach künftig schon in der Werbung selbst erklären, was genau dahintersteckt.
 
Schon im Januar hat das Europaparlament ein Gesetz zum sogenannten Greenwashing beschlossen. Slogans wie "umweltfreundlich", "klimaneutral" oder "biologisch abbaubar" sollen demnach künftig nicht mehr ohne belastbare Beweise auf Produkte gedruckt werden.
 
Zusätzlich einigten sich die Umweltministerinnen und -minister der EU kürzlich auf einen Gesetzesentwurf für strengere Regeln für Umweltkennzeichen. Demnach sollen Unternehmen zur Untermauerung ihrer Angaben und Kennzeichnungen klare Kriterien und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verwenden. Es soll zudem klar erkennbar sein, worauf sich Umweltaussagen beziehen - etwa auf die Haltbarkeit oder Recyclingfähigkeit. Das Gesetz geht nun in die Verhandlungen mit dem Europaparlament, diese dürften im Herbst beginnen.

Erste Reaktionen auf das Urteil

Reiner Münker, Hauptgeschäftsführer der Wettbewerbszentrale, zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, vor allem, weil sie branchenübergreifend gelte, alle Hersteller müssten sich daran halten.
 
Der Kompensationspartner von Katjes, Climate Partner, teilte mit, das Label "klimaneutral" bereits nicht mehr anzubieten, man habe neue Labels eingeführt. Ziel sei es, auch in Zukunft so viele Unternehmen wie möglich zum Klimaschutz zu motivieren.

Ein Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von AFP, DPA; EPD, 27.06.2024.