Recht | Beitrag | Lesedauer etwa 2 Minuten - Onlinedienstleistungen: Hier wird oft abgezockt
Zig Dinge lassen sich im Web regeln, vom Nachsendeauftrag bis zur Fahrkartenerstattung. Das ist aber oft nur auf den ersten Blick bequem - und stattdessen überteuert. Wie die Seite online-wohngeld.de zeigt.
Was man heutzutage nicht alles online erledigen kann! Arzttermin klarmachen? Check. Nächste Reise buchen? Check. Bei der Deutschen Bahn Fahrgastrechte geltend machen? Check. Nachsendeauftrag aufgeben? Check. Führungszeugnis bekommen? Check. Bonität prüfen lassen? Check. Dumm nur, wenn jedes zweite "check" mit einem fetten Scheck beglichen werden muss - die Dienstleistungen also immens überteuert sind. Und das kommt immer häufiger vor, warnen die Verbraucherzentralen.
Tolle Webseiten für olle Maschen
Die Adressen lauten mein-sozialversicherungsausweis.de, fahrkartenerstattung.de, nachsendeauftrag-direkt.com oder - ein ganz aktueller Fall: online-wohngeld.de - und lesen sich, als seien sie genau das, was wir brauchen. Tatsächlich agieren diese Anbieter aber vollkommen unabhängig vom eigentlich gesuchten Unternehmen oder der zuständigen Behörde.
Unter oben genannter Adresse kostet ein Nachsendeauftrag zum Beispiel 109,90 Euro, obwohl die gleiche Dienstleistung bei der Deutschen Post lediglich 37,90 kostet, rechnen Verbraucherschützende vor. Und manche der angebotenen "Dienstleistungen" wären bei den offiziellen Adressen sogar komplett kostenfrei - wie etwa das Stellen des Antrags auf Wohngeld.
Das Perfide an diesen Maschen: Bei den Bestellungen muss in der Regel vorzeitig auf das Widerrufsrecht verzichtet werden. So wird ein Widerspruch oft unmöglich.
Hinzu kommt, dass die Anbieter im Grunde gar keinen Service leisten. "Einige Unternehmen nehmen Geld dafür, Anfragen nur an Behörden weiterzuleiten, die Leistung aber gar nicht selbst zu erbringen", erläutert Andrea Steinbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Andere stellten anstatt des gewünschten Dokuments lediglich Informationen zur Beantragung aus.
Aktuelle Warnung vor online-wohngeld.de
Aktuell warnen die Verbraucherzentralen vor der Webseite online-wohngeld.de. Hier könnten Verbraucher:innen den Eindruck bekommen, dass sie dort Wohngeld beantragen können. Leider ist das jedoch nicht der Fall - stattdessen wird hier ordentlich Geld gemacht.
Allein im September seien beim hierfür nicht zuständigen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen tausende Anträge auf Wohngeld eingegangen, wie das Ministerium laut der Berliner Verbraucherzentrale (VZB) mitteilte. Offenbar wurden die Anträge über online-wohngeld.de gestellt. "Die Seite wird vom Unternehmen SSS Software Special Service GmbH betrieben, das bereits wegen verschiedener 'Antrags-Services' von mehreren Verbraucherzentralen abgemahnt wurde und wird, so die VZB.
"Es scheint so einfach und bequem. Man googelt nach 'Wohngeldantrag' und landet bei online-wohngeld.de. Dort gibt man lediglich Name, Geburtsdatum und Adresse ein und erfährt nur einen Klick später, dass der Antrag an das zuständige Amt weitergeleitet worden sei", erläutert Simon Götze, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale Berlin.
Doch durch die falsche Vorgehensweise von online-wohngeld.de drohen Ansprüche verloren zu gehen. Und die Nutzer:innen des Service wissen nicht, dass ihr Antrag gar nicht bearbeitet wird. "Obendrein rechnet das Unternehmen für den eigentlich kostenlosen Antrag 29,99 Euro ab", so die VZB - sie warnt davor, den Service zu nutzen.
Zusätzlich verstecken die Macher:innen der Seite geschickt die Kosten für den Nicht-Service: Bei normaler Bildschirmauflösung kann man laut Verbraucherzentrale den Preis nicht wahrnehmen wenn man oben direkt auf "Jetzt beantragen" klickt, stattdessen erscheine direkt das Eingabeformular. Der Preis werde nicht in der Nähe des Buttons "kostenpflichtig bestellen" genannt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat den Anbieter wegen unzureichender Informationen abgemahnt. Je nach Reaktion zieht der Verband nach eigener Aussage eine Unterlassungsklage in Erwägung. Außerdem wird geprüft, ob eine Sammelklage angestrengt wird.
So schützen wir uns vor überteuerten Online-Dienstleistern
Oft ist es erst auf den zweiten Blick zu sehen, dass die von uns angeklickte Internetseite gar nicht die offizielle Seite ist. Zu geschickt spielen die Verantwortlichen mit dem Markenauftritt des eigentlich gesuchten Anbieters. Es gibt aber Möglichkeiten, zweifelhafte Online-Anbieter zu erkennen.
• Am besten zuerst immer ins Impressum schauen. Ist dort nicht das gesuchte Unternehmen als Verantwortlicher verzeichnet, ist diese Seite schlichtweg die falsche.
• Wenn man im Netz sucht, gibt man so viele Stichworte wie möglich ein, oder befiehlt der Suchmaschine, nur eine bestimmten Seite nach dem gesuchten Schlagwort zu durchkämmen. Das macht man, indem man im Suchfeld den Befehl "site:XXX" eingibt. Statt der XXX muss dann die gewünschte Seite angegeben werden. Also etwa "site:deutschepost.de nachsendeauftrag"
• Und nicht vergessen: Die Ränge eins bis drei sind bei Google oft gekaufte Werbungen. In den meisten Fällen können wir an denen gemütlich vorbeiscrollen, erst danach kommen die echten Suchergebnisse. Und gerade dort oben tummeln sich die zweifelhaften Anbieter gerne.
• Sinnvoll ist es laut der Verbraucherzentrale auch, auf den Seiten der eigenen Gemeinde zu schauen, ob die gesuchte Dienstleistung dort online kostenfrei angeboten wird. Also etwa das Ausstellen eines Führungszeugnisses.
Hat man erst einmal einen Auftrag an einen Abzocke-Anbieter herausgegeben, sollte man der Beauftragung widersprechen. Auch dann schon, wenn man etwa eine Mahnung erhalten hat. Möglicherweise, so raten die Fachleute der VZ RLP, wurde gegen die gesetzlich vorgeschriebene Button-Lösung verstoßen, die Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft erfolgt oder das Widerrufsrecht wurde zu Unrecht verweigert.
In diesem Fall kann auch die Rechtsberatung der Verbraucherzentralen in Anspruch genommen werden. Die Preise liegen in Berlin und Brandenburg in der Regel bei 15 bis 20 Euro. Es ist immer sinnvoll, während eines Kauf- oder Beauftragungsvorgangs im Netz Screenshots zu machen und E-Mails aufzubewahren. Diese kann man bei der Beratung vorlegen.
Ein Beitrag von SUPER.MARKT, 04.10.2024.