Müll von Einweckverpackungen für Lebensmittel (Quelle: IMAGO/Michael Gstettenbauer)
Bild: IMAGO/Michael Gstettenbauer

Recht | Lesedauer etwa 3 Minuten - Urteil mit Signalwirkung: Steuern auf Einweg-Verpackungen rechtens

Wer in Tübingen Speisen und Getränke verkauft, muss auf Einweg-Verpackungen eine Verpackungssteuer zahlen. Laut einem aktuellen Urteil ist diese rechtens. Folgt nun die bundesweite Verpackungssteuer?

Wer Müll verursacht, zahlt. Die Stadt Tübingen verfolgt diesen Ansatz mit einer Steuer auf Einweg-Verpackungen, zu entrichten von den Schnellrestaurants und Cafés, die die Verpackungen ihren Kund:innen mitgeben. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
hat nun entschieden, dass diese umstrittene Verpackungssteuer verfassungsgemäß ist. Damit herrscht Rechtssicherheit - auch für andere Städte und Gemeinden.

Verfassungsgemäßer Eingriff in die Berufsfreiheit von Verkäufern

Im konkret vorliegenden Fall entschied der Erste Senat des Gerichts über die Verfassungsbeschwerde einer Tübinger Franchise-Nehmerin von McDonalds. (Az. 1 BvR 1726/23) Die Frau hatte nach Angaben des Fast-Food-Konzerns Beschwerde gegen die Steuer erhoben. Damit wendete sie sich auch gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das im Mai 2023 bereits die Rechtmäßigkeit der Tübinger Verpackungssteuer bestätigt hatte.
 
Diese Verfassungsbeschwerde wurde nun zurückgewiesen. Zur Begründung hieß es seitens des Senats, die Erhebung der Verpackungssteuer greife zwar in die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Verkäufer ein. Dieser Eingriff sei jedoch verfassungsgemäß. Die Stadt Tübingen könne sich auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder berufen. Bei der Verpackungssteuer handele es sich konkret um eine "örtliche" Verbrauchssteuer.
 
Die Reaktion von McDonalds: Bedauern über die Entscheidung des obersten deutschen Gerichts. Das Unternehmen betonte, solche kommunal individuelle Verpackungssteuern seien vor allem für landesweit tätige Unternehmen nicht darstellbar. Sie führten zu überbordender Bürokratie und einer zusätzlichen finanziellen Belastung - "sowohl für die bereits gebeutelte Gastronomiebranche als auch für die Menschen, für die ein Restaurantbesuch schon jetzt vielfach einen nicht mehr erschwinglichen Luxus darstellt", so das Unternehmen.

Muss jetzt die bundesweite Lösung her?

Bundesweit ist Tübingen die erste Kommune mit solch einer Steuer gewesen, einzelne Städte waren dem Beispiel gefolgt. Der Deutsche Städtetag rechnet nun damit, dass mehr Städte eine
lokale Verpackungssteuer einführen werden. "Der Aufwand der Städte für die großen Mengen an achtlos weggeworfenen Einwegverpackungen wird mehr und mehr", so Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Mit den Einnahmen könnten diese hohen Reinigungskosten abgefedert werden. Der Städtetag wolle bei der nächsten Bundesregierung um eine bundesweite Regelung werben.
 
Für diese sprach sich der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) ebenfalls aus - "denn die Kommunen werden wohl in höchst unterschiedlicher Weise vom Instrument der kommunalen Verpackungssteuer Gebrauch machen, womit ein unübersichtlicher Flickenteppich droht".
 
Davor warnt auch der Handelsverband Deutschland. Für Unternehmen bestehe die Gefahr einer unübersichtlichen Flut von unterschiedlichen Regelungen, die einen erheblichen bürokratischen Aufwand bedeuten würden. Und auch der Bundesverband der Systemgastronomie sprach von einer finanziellen Belastung seiner Mitglieder durch zunehmenden bürokratischen und technischen Aufwand.

Der Stand der Diskussion in Berlin

Die Diskussion um Sinn und Unsinn einer Verpackungssteuer flammt in Berlin nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neu auf. In der schwarz-roten Koalition ist das Thema hochumstritten. Die CDU sieht die Verpackungssteuer skeptisch, die SPD eher positiv.
 
Erst jüngst hatte der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Freymark, im Landesparlament eine Reihe von Bedenken aufgelistet. So sehen die Christdemokraten neue Steuern generell skeptisch und halten es auch für falsch, dass einzelne Städte Verpackungssteuern festlegen. Stattdessen sollte das Thema auf bundespolitischer Ebene
besprochen werden, so Freymark.
 
Die SPD-Fraktion hat stattdessen einen Prüfauftrag für eine Verpackungssteuer beschlossen. "Der Senat sollte die Möglichkeit einer Verpackungssteuer ernsthaft prüfen und nicht einfach ablehnen", so die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Linda Vierecke. Wichtig sei, dabei im Blick zu haben, welche Belastungen auf die vielen kleinen Betriebe zukommen und mit welchem bürokratischen Aufwand die Steuer verbunden sei. Doch sie bleibt dabei: Die stetig ansteigende Menge an Müll sei für die Berliner:innen nicht mehr tragbar.

In Tübingen zeige sie bereits die beabsichtigte Wirkung

In Tübingen bringe die Steuer Mehrweg-Lösungen voran und dränge die Müllflut im Stadtbild ganz wesentlich zurück, so Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos). "Wir wissen von vielen Städten, dass sie nur auf das Urteil gewartet haben, um ebenfalls eine Verpackungssteuer nach
dem erfolgreichen Tübinger Vorbild auf den Weg zu bringen", so Palmer. Dafür sei jetzt der Weg frei.

Beitrag von SUPER.MARKT mit Material von DPA, 22.01.2025.