15.06.2021 - Fake News und schlechte Nachrichten – Wie informieren wir uns?
Alternative Fakten, Fake News oder Evidenzen: Es fällt vielen Menschen schwerer, Fakten und Fiktionen zu unterscheiden. Wie Kommunikation und Information in der Wissenschaft funktionieren, und wie man schlechte Nachrichten am besten überbringt, das klärt Julia Vismann mit Prof. Jalid Sehouli, Charité Berlin und Prof. Christoph Neuberger von der FU Berlin.
"Von der Kunst schlechte Nachrichten zu überbringen" - das ist der Titel eines Buchs von Jalid Sehouli. Er ist Professor an der Berliner Charité und spezialisiert auf Eierstockkrebs. Eine schlechte Nachricht ist für Jalid Sehouli eine, die den Blick auf das Leben für immer verändert. Im Laufe seines Berufslebens musste er sehr oft Patientinnen eine Krebsdiagnose überbringen.
Eine halbe Million Deutsche haben im Jahr 2020 die Diagnose Krebs erhalten. Diese Diagnose ist ein Schock, der folgende Kampf gegen die Krankheit oft nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische Belastung. Psychoonkologen – also Psychologen, die Menschen mit Krebserkrankungen unterstützen – sprechen dabei von einem „Sturz aus der Wirklichkeit“.
Sehr häufig zeigen die Patienten Fassungslosigkeit und Unglauben. Nimmt der behandelnde Arzt darauf keine Rücksicht, kann es passieren, dass Patient*innen im ersten Gespräch einfach abschalten. Dann bekommen sie gar nicht mehr mit, welche Therapien oder weiteren Untersuchungen geplant sind. Wenn Jalid Sehouli im Arzt-Patienten-Gespräch schlechte Nachrichten überbringen muss, baut er Pausen in das Gespräch ein, so dass die Patient*innen Zeit haben, die Diagnose aufzunehmen.
Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten
Wenn Journalisten über Katastrophen, Anschläge oder Kriege berichten, überbringen auch sie schlechte Nachrichten. Aus Sicht von Christoph Neuberger, Professor an der Freien Universität Berlin, ist das aber auch die Aufgabe von Massenmedien.
Im Journalismus verkaufen sich negative Schlagzeilen viel besser als gute. Herausgefunden hat das der Kommunikationswissenschaftler Stuart Soroka aus den USA mit seinem Team. Sie haben mehr als 1000 Testpersonen auf sechs Kontinenten eine Reihenfolge positiver und negativer Fernseh-Nachrichten gezeigt.
Sensoren an den Fingern maßen die Leitfähigkeit der Haut und die Herzfrequenz. Bei negativen Beiträgen variierte die Herzfrequenz stärker als bei positiven. Auch die Leitfähigkeit der Haut änderte sich bei schlechten Nachrichten stärker als bei guten. Aus diesen Ergebnissen leiten die Forscher ab, dass die Probanden im Durchschnitt die negativen Informationen aufmerksamer und erregter verfolgen.
Aus Sicht von Evolutionsbiologen macht das durchaus Sinn: Negative Informationen weisen auf mögliche Gefahren hin.
Fake News nur wenig verbreitet
Auch wenn sich Fake-News in den vergangenen Jahren schneller und weiter verbreitet haben, ist ihr Anteil an Nachrichten insgesamt gering, so Christoph Neuberger. Anfällig für gefälschte Meldungen seien vor allem jene Menschen, die damit ohnehin ihre Einstellung bestätigen wollen. Nach dem Motto: Wusste ich es doch!
Die Stiftung Neue Verantwortung hat im März dieses Jahres erforscht, wir kompetent sich User*innen im Netz bewegen. Nur 13,3 von dreißig möglichen Punkten erreichen die Teilnehmer im Durchschnitt beim Online-Test zur digitalen Nachrichtenkompetenz. Defizite gibt es an vielen Stellen: bei der richtigen Einordnung, dem Erkennen von Absichten und dazu, wie Journalisten arbeiten und wie Algorithmen funktionieren.
Männer schneiden besser ab als Frauen, Teilnehmer mit höherer Bildung besser als jene mit niedriger. Menschen zwischen achtzehn und neunundzwanzig erweisen sich als medienkompetenter als die Generation über sechzig.
Woran Sie Fake-News erkennen, erfahren Sie im Podcast.