Reportage -
In Brandenburg gibt es über 1500 Dorfkirchen. Viele von ihnen werden nicht mehr gebraucht, weil immer mehr Menschen aus der Kirche austreten oder sterben. Aber die Kirchenbauten sind Kulturdenkmäler, oft Wahrzeichen und noch immer Mittelpunkt eines jeden Dorfes. Was also tun mit den Gebäuden und Grundstücken? Ein rbb-Team hat einige kreative Beispiele für „alternative“ Kirchennutzung gefunden.
Eine Kirche zum Wohnen
Jahrelang fuhr Horst-Werner Schneider regelmäßig an der Kirchenruine in Kreuzbruch bei Liebenwalde vorbei und musste den Verfall mit ansehen. 1998 kaufte der Ingenieur und Kunstmaler die Kirche für 30.000 D-Mark und steckte nochmal viel Geld und Zeit in die Sanierung. Heute hat die Kirche Fußbodenheizung, eine Küche und ein Bad. Wohnen und schlafen kann man hier auch. Kirchenmitglied ist Horst-Werner Schneider schon lange nicht mehr. Dafür hat er jetzt seine eigene Kirche, die er aber auch der Allgemeinheit für Veranstaltungen öffnet.
Kirchencafé zwischen Himmel und Erde
Sandra Zank ist eigentlich Lehrerin. Aber als sie hörte, dass in Kienitz bei Letschin eine neue Betreiberin für das Café in der alten Kirchenruine gesucht wird, hängte sie ihren sicheren Job an den Nagel und fing an, Kuchen zu backen. Die Kirche wurde im zweiten Weltkrieg stark zerstört. In den 1950er Jahren wurde nur der vordere Teil wieder aufgebaut. Das Kirchenschiff blieb eine Ruine. In der warmen Jahreszeit können die Gäste nun zwischen den historischen Mauern sitzen und selbstgebackenen Kuchen genießen.
Die Kirche als Wohngemeinschaft
Als vor über 20 Jahren die Dorfkirche in Rieben bei Beelitz wegen Baufälligkeit gesperrt werden musste, setzten sich die Riebener zusammen, um die Dorfkirche zu retten. Allein hätte das die Kirchengemeinde nicht stemmen können. Mit Geld von Land und EU sowie viel Eigeninitiative wurde die Dorfkirche saniert und umgebaut. Die Idee: die Kirche zukünftig gemeinsam zu nutzen. Heute gehört der Kirchengemeinde der vordere Teil. Hier feiern sie Gottesdienste, Taufen und Hochzeiten. Der hintere Teil gehört der Kommune Rieben. Hier trifft sich zum Beispiel der Gemeinderat oder die Rentnergruppe zum Kaffeetrinken.
Ein Gedenkort für die Kameraden
Die kleine Gutskapelle im Kyritzer Ortsteil Ganz ist schlicht und unauffällig. Seit Jahrzehnten wird sie kaum genutzt. Im letzten Sommer hat Polizist Axel Redepenning den Verein Blaulichtkirche gegründet. Die Kapelle soll ein zentraler Gedenkort für Kameradinnen und Kameraden werden, die im Dienst ums Leben gekommen sind. Auch die Diensthunde und -Pferde sollen einen Platz des Erinnerns bekommen. Die Kirchengemeinde hat die Kapelle an den Verein verpachtet. So bleibt sie Eigentum der Kirche, wird jetzt aber wieder regelmäßig genutzt.
Ein Windpark auf Kirchengrund
Die Kirchengemeinde Guben muss gleich neun Kirchengebäude in Schuss halten. Geld dafür hat die Kirche nicht, aber Ländereien. Früher waren sie mal dazu da, den Dorfpfarrer zu versorgen. Heute werden die Flächen an Windkraftbetreiber verpachtet, die auf dem Kirchenboden Windräder aufstellen. Neben den Einnahmen aus der Verpachtung, bekommt die Kirchengemeinde auch einen geringfügigen Anteil vom Gewinn. Mit den Geldern aus der Windkraft konnte schon eine Orgel saniert werden.
Ein Bett im Kirchturm
Wenn die Leute nicht mehr zum Beten in die Kirche kommen, dann vielleicht zum Schlafen, dachte man sich in Barsikow und bietet jetzt Bed & Breakfast. Seit 13 Jahren gibt es im Turm der Dorfkirche eine Pilgerherberge. Für kleines Geld kann man hier übernachten. Die meisten Pilger, die durch Barsikow kommen, wandern von Berlin nach Bad Wilsnack – das sind 120 km auf dem mittelalterlichen Jakobsweg. Durch den Einbau der Pilgerherberge wurde die Sanierung des Kirchenschiffs von der EU gefördert. Und die Pilger bringen neben etwas Geld auch Leben in die Dorfkirche.
Film von Daniel Friedrich, Philipp Gerstner, Carmen Gräf, Franziska Tenner, Karsten Zummack und Torben Zimmermann
Erstsendung: 29.12.2024/rbb