- Rundfunkrat kritisiert Novellierung des rbb-Staatsvertrags
Hiermit übermitteln wir Ihnen im Auftrag des Rundfunkrats des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) folgende Mitteilung. Rückfragen übermittelt die Gremiengeschäftsstelle (gremiengeschaeftsstelle@rbb-online.de) des rbb gern weiter.
In seiner heutigen (28.09.23) Sitzung in Potsdam befasste sich der Rundfunkrat des rbb u. a. mit der Novellierung des rbb-Staatsvertrags. Der rbb-Staatsvertrag enthält grundlegende Regelungen für die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt rbb und wird von den Staats- bzw. Senatskanzleien der Länder Brandenburg und Berlin erarbeitet. Die beiden Länder kommen darin überein, nach der erfolgreichen Errichtung des rbb im Jahr 2003 dessen gesetzlichen Rahmen zu modernisieren.
Der vorgelegte Entwurf gibt allerdings Anlass zur Kritik:
"Grundsätzlich begrüßen wir die Initiative beider Länder, eine Novellierung des rbb-Staatsvertrags auf den Weg zu bringen. Wir sehen den Entwurf zur Novellierung als Beitrag dazu, Regelungs- und Aufsichtslücken zu schließen, Strukturen und Prozesse zu klären sowie die zentrale Rechtsnorm an die Entwicklungen des Mediennutzungsverhaltens anzupassen. Als Rundfunkrat haben wir aber darauf zu achten, dass mögliche neue Regelungen nicht zu Lasten der Rundfunkfreiheit oder der Prorammautonomie des rbb gehen. Die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein sinnstiftendes Element unserer Demokratie, daran darf es keinen Zweifel geben," sagt Oliver Bürgel, Vorsitzender des rbb-Rundfunkrats.
In seiner Stellungnahme verweist der Rundfunkrat darauf, dass er sich des massiven Vertrauensverlusts in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Allgemeinen und den Rundfunk Berlin-Brandenburg im Besonderen, ausgelöst durch die ehemalige Geschäftsleitung des rbb, bewusst ist. Vertrauen wieder herzustellen, den Rückhalt der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zurückzugewinnen, transparenter und wirtschaftlicher zu handeln – das sei nur ein Teil der Aufgaben, vor denen der rbb steht.
Gleichzeitig weist das Gremium darauf hin, dass die vorgelegten Änderungsvorschläge tief – und möglicherweise rechtswidrig – in die grundgesetzlichen Freiheiten des rbb eingreifen und darüber hinaus die bestehende Architektur und das Zusammenwirken der Organe völlig neugestalten.
Zu den Kritikpunkten zählen u. a. die vorgesehene Schaffung sog. "Landesangebote" und die sich daraus ergebenden Strukturen und Prozesse, etwa zur Wahl und Stellung des Leitungspersonals. Dies betrachtet der Rundfunkrat als verfassungswidrigen Eingriff in die Programmfreiheit und das Selbstverwaltungsrecht des rbb. Die regionale Berichterstattung ist eine der vornehmsten Aufgaben des rbb. Die nun vorgesehene staatsvertragliche Schaffung zusätzlicher Sendestrecken – die noch dazu mit enormen Mehrkosten verbunden sind – greift aber in die Freiheit des rbb ein, über die Gestaltung des Programms zu entscheiden. Auch die Wahl unmittelbar programmgestaltender Mitarbeiter/innen durch den Rundfunkrat lehnt das Gremium ab.
Als ebenso schweren – und daher grundsätzlich abzulehnenden – Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht des rbb erachtet der rbb-Rundfunkrat die staatsvertragliche Festlegung der Anzahl sowie des Zuschnitts der Direktionen. Aus Sicht des Rundfunkrates muss der rbb eigenständig über den Ressortzuschnitt der Direktionen entscheiden können.
Auch die im Entwurf vorgeschlagenen Änderungen zu Haftungsfragen in der Gremienarbeit stoßen auf Kritik. Der vorgeschlagene Selbstbehalt für Gremienmitglieder in Höhe der doppelten jährlichen Aufwandsentschädigung würde zwangsläufig dazu führen, dass Gremienmitglieder selbst bei der Feststellung einer leichten Fahrlässigkeit mit ihrem jeweiligen Privatvermögen einstehen müssten. Dies ist für ansonsten ehrenamtlich Tätige nicht vermittelbar und würde aus Sicht des Gremiums zwangsläufig dazu führen, dass sich die Anzahl der für eine Gremientätigkeit zur Verfügung stehenden Personen massiv reduzieren würde und überdies von vorneherein gut situierten Interessenten vorbehalten wäre. Mit Blick auf die Arbeit der ehrenamtlich arbeitenden Aufsichtsgremien werden dabei die Prinzipien des Ehrenamtes, des bürgerschaftlichen Engagements für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland nicht nur in Frage gestellt, sondern an einigen Punkten auch unkenntlich gemacht.
Der Rundfunkrat besteht darauf, dass die Besetzung einer Findungskommission zur Wahl der Intendantin/des Intendanten allein dem Gremium obliegt und nicht staatsvertraglich vorgegeben wird. Auch die in der Präambel vorgesehene Bevorzugung von Bewerber/innen mit biographischen Bezügen zu den Ländern Berlin und Brandenburg, speziell Personen mit ostdeutscher Biografie, bei der Besetzung von Führungspositionen, lehnt der Rundfunkrat ab.
Dazu sagt der Vorsitzende Oliver Bürgel: "Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es zunehmend schwierig, 'ostdeutsche Biografien' von 'anderen' Biografien abzugrenzen. Der Rundfunkrat hält diese Regelung für einen Verstoß gegen die Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes."
Der Rundfunkrat teilt den Wunsch, die Präsenz des rbb in Brandenburg auszubauen, hält jedoch die Festlegung der Anzahl und Orte der Regionalbüros für einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht des rbb.
Die vorgesehene Werbezeitenbegrenzung mitsamt dem Verbot lokal- und regionalbezogener Werbung lehnt der Rundfunkrat ebenfalls ab. Mit der vorgesehenen Begrenzung ginge ein Einnahmeverlust für den rbb einher, der mit Rundfunkbeiträgen zu kompensieren wäre. Das Verbot lokal- und regionalbezogener Werbung würde überdies die entsprechenden Unternehmen in ihren Möglichkeiten beschränken. Dies scheint gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Einstellung lokaler Anzeigenblätter nicht zielführend.
Der Rundfunkrat erachtet die vorgesehene Erweiterung des Gremiums – völlig unabhängig von der Bedeutung und gesellschaftlichen Stellung der neu ausgewählten Entsendungsorganisationen – als eher willkürlich. Ziel der Zusammensetzung des Rundfunkrates sollte sein, die Gesellschaft der Länder Berlins und Brandenburgs möglichst genau zu repräsentieren.
Hinsichtlich der vorgesehenen Qualifikationen der vom Rundfunkrat gewählten Mitglieder des Verwaltungsrates ist zunächst unverständlich, dass die Befähigung zum Richteramt bei zumindest einem Mitglied vorliegen muss.
Auf diese Punkte weist der rbb-Rundfunkrat in seiner Stellungnahme in aller Deutlichkeit hin und verbindet dies mit der klaren Erwartung an die Staatsvertragsländer sowie die Parlamente, Änderungen an der grundsätzlichen Beschaffenheit des rbb mit Augenmaß, jedenfalls aber unter Beachtung der sich aus Artikel 5, Grundgesetz, ergebenden Rundfunkfreiheit vorzunehmen.