Lesungskritik - Sonneborn und Berg im Berliner Ensemble: Satire oder Wahlkampf?

Di 30.04.24 | 08:20 Uhr | Von Barbara Behrendt
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Archiv: Parteigründer "Die Partei" Martin Sonneborn. Bild: imago images/ CommonLens
Audio: rbb24 Inforadio | 30.04.2024 | Barbara Behrendt | Bild: imago images/ CommonLens

Die Satirepartei "Die Partei" geht mit Martin Sonneborn und Sibylle Berg an der Spitze in den Europawahlkampf. Das Berliner Ensemble hat ihnen die große Bühne zur Verfügung gestellt. Eine Wahlkampfveranstaltung? Mitnichten! Von Barbara Behrendt

"Die Veranstaltung ist kein Teil der Wahlkampftour", sagt das Berliner Ensemble auf Nachfrage. Und auf der Webseite der Satirepartei "Die Partei" fügen die Verantwortlichen am Nachmittag rasch noch einen Satz hinter die Ankündigung der Show mit dem Titel "Hoffnung": Dass diese Satire-Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Europawahlkampf von "Die Partei" stehe, wird darin aufs Schärfste zurückgewiesen.

Na, dann ist ja gut. Sonst hätte man glatt meinen können, ein subventioniertes Theater böte seine große Bühne zwei Spitzenkandidat:innen (Sibylle Berg und Martin Sonneborn) einer Partei für Wahlkampfzwecke an – nur weil eine der beiden dem Haus künstlerisch verbunden ist: Sibylle Bergs neues Buch kam hier vor wenigen Tagen zur Uraufführung.

"Hier erhalten Sie Informationen zum Europawahlkampf!"

Aber jetzt, da wir Bescheid wissen, dass dies Veranstaltung in keinem, aber auch gar keinem Zusammenhang mit dem EU-Wahlkampf steht, kann uns natürlich auch der Parteistand vor dem Berliner Ensemble mit Sonneborn-Bierdeckeln, Wahl-Flyern, Partei-Programmen und dem Partei-Kader nicht ins Boxhorn jagen: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger", ruft der Mann auf dem Bertolt-Brecht-Platz ins Mikrofon, "hier erhalten Sie Informationen zum Europawahlkampf. Das können Sie mitnehmen ins Berliner Ensemble. Nehmen Sie jetzt Ihre Plätze ein."

Und auch im Theatersaal ist selbstredend sofort klar, dass es sich keinesfalls um einen Parteipolitiker handelt, der hier aus seinem Buch "Herr Sonneborn geht nach Brüssel – Abenteuer im Europaparlament" liest und erklärt, warum er nicht für Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission gestimmt hat: "Die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erklärt, sie wolle ihre Kommission mit Männern und Frauen besetzen. Wichtiger wäre, paritätisch dahingehend zu besetzen, dass zumindest die Hälfte der Kommissare über ausreichend moralische Integrität verfügt, nicht vorbestraft ist, sich nicht gerade vor einem Untersuchungsausschuss verantworten muss und kein Millionenvermögen besitzt, dass zu Interessenskonflikten führen könnte."

Es muss sich um Satire handeln

Es muss sich also, da hat das Berliner Ensemble ganz Recht, um Satire handeln. Denn falls es, wie man versucht war zu vermuten, eine Lesung wäre, dann hätte Sibylle Berg doch nicht jene Passagen aus ihrer endlosen Hacker-Dystopie "RCE" vorgelesen, die sie selbst schon wieder völlig vergessen hat: "Und nun steht also der Präsidentenpalast in Frankreich an. Und den nimmt man einfach nicht ein. Da ist die RAID, die Recherche Aid Intervention…" Sie reicht Sonneborn das Skript, damit er die Abkürzung mit D liest. Was ist das nur für ein seltsames Wort da im eigenen Text? Sonneborn: "Das? Das hast du dir ausgedacht. Da steht... ist das französisch?"

Es lässt sich auch nur mit Satire erklären, dass Martin Sonneborn zehn, zwölf und, Tatsache, 14 Jahre alte Videos aus der ZDF-heute-show abspielt, in denen er, der clevere Martin, die ach so dumme Bevölkerung veräppelt. Zum Beispiel, als ihn 2010 ein paar doofe Dörfler jedes Zimmer ihres Hauses fotografieren lassen, für, haha, Google-Home nach Google-Streetview.

"Bitte nicht klatschen!"

Klatschen ist übrigens - kein Witz - verboten. "Bitte nicht zwischendurch klatschen. Wir müssen uns hier konzentrieren."

Und weil Sibylle Berg das Plaudern nicht so beherrscht wie ihr munterer Nachbar, klickt sich Martin Sonneborn halt durch seine Archiv-Videos und Sybille Berg liest, so gut sie kann. In die Stille hinein. Ohne Applaus. Zuletzt regnet es Null-Euro-Scheine mit Sonneborns Konterfei vom Bühnenhimmel. Aber: Ist ja kein Wahlkampf. Ein Glück für die beiden Spitzenkandidat:innen. Es wäre ein mieser Auftakt gewesen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.04.2024, 7:15 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

17 Kommentare

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  1. 17.

    Ich vermute Barbara Behrendt ist selbst Opfer der Aufklärung geworden? Sonneborn, der das Versagen und den Wahnsinn anprangert, muss ihr ein Dorn im Auge sein, wieso bekommt jmd mit Rückgrat eine Bühne. Sibylle Berg soll übrigens mehr können als vorzulesen, oder nicht?

  2. 16.

    Mir sind die großen Plakate lieber. Da wird man auf einen Blick über Inhalt und Personal informiert. SPD wirbt mit Scholz und Barley für Sicherheit. Oder Frieden. Dass Olaf Scholz jetzt nach Brüssel will, hatte ich gar nicht mitbekommen, aber er will wohl jetzt doch raus aus der Ampel, was ich verstehen kann.
    Sonneborn und Scholz passen schon äußerlich gut zusammen. Wenn die sich in Brüssel zusammentun, wackelt das Atomium. Aber ich denke, "die Partei" geht ohne Koalitionszusage ins Rennen.

  3. 15.

    2010 wurde noch freundlich um die Teilnahme bei Google maps home gefragt...heute ist es Pflicht.

  4. 14.

    Die wahlkämpfe der anderen Parteien sind doch auch nicht mehr ernst zu nehmen. Dieses heucheln vor wahlen nervt doch nur noch.

    Es geht doch schon lange nicht mehr um Persönlichkeiten und wählerwunsch. Es wird umgesetzt was die Parteien wollen.

    Berühmtes zitat: Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.

    Nach den Wahlen werden die Ergebnisse von fast allen Parteien als Erfolge verkauft.

    Dann lieber gleich die einzig ehrliche Partei. Die Partei.

  5. 13.

    Hallo Konrad, hab spontan gelacht! Danke dafür und ich ergänze: spd UND cdu klein schreiben, fdp und grüne auflösen, verbieten oder zur KAPITALISTISCHEN EINHEITSPARTEI WESTDEUTSCHLANDS zwangsweise zusammenschließen

  6. 12.

    Ja - dieser Martin Sonneborn ist einer der hellsten Köpfe, die mir begegnet sind. Die Realität, geprägt von "weniger hellen Köpfen", ist vermutlich auch für Menschen anderer Berufsgruppen nur mit Satire ertragbar. Sibylle Berg kenne ich leider nur vom Lesen, aber auch hier liebe ich, wie auch bei Martin Sonneborn, den Finger in der Wunde statt auf dem Mund!

  7. 11.

    Zeugt das Volk an Wahltagen denn nicht immer, bei unverfälschten, allgemeinen und gleichen Wahlen mit geheimer Stimmabgabe, ob mit oder ohne die PARTEI, auf welcher "Höhe" es sich befindet?

  8. 10.

    Für mich die einzige Partei in Old Germany , die Wahlkampf auf höhe der Wähler macht.
    Wer lesen und denken kann , kommt an dieser Gruppierung nicht vorbei.

  9. 9.

    Vielleicht seien Sie so gut und informieren Sie die hier Lesenden, dass PARTEI nicht Partei ist, sondern eine Abkürzung sein soll: Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative.

    (Analog einer Liste seinerzeit in Hessen: Union nicht Genügend überdachten Lächelns trotz innerer Genialität.)

    Im Sinne der jeweiligen Anfangsbuchstaben P-A-R-T-E-I im oberen, U-n-g-ü-l-t-i-g im unteren Beispiel verwendet. Es nutzt sich allerdings auch ab. ;-

  10. 8.

    Ich fände es angemessen, CDU und SPD sogar grundsätzlich klein zu schreiben.
    Aber das ginge womöglich zulasten der Lesbarkeit.
    Und was Ihren Einwand betrifft:
    Handelt es sich denn auch in diesem Fall um eine (punktlose) Abkürzung?
    Wenn ja: Wofür steht sie?

  11. 7.

    Ja, aber seine Reden vor dem EU - Parlament haben Anklage den und aufklärerischen Charakter. Dafür kann man ihm nur danken. Viel zu wenigen Leuten sind die kriminellen Machenschaften einer von der L ...bekannt .

  12. 6.

    Warum schreiben Journalisten den Parteinamen immer wieder falsch? Es heißt: Die PARTEI . Man schreibt ja auch nicht "Spd","Cdu" etc

  13. 5.

    Die derzeitige Politik von Akteuren jeglicher Coleur ist ohne Satire unerträglich. So öffnet Herr Sonneborn ein Ventil , um emotionalen Druck aus dem geschundenen Volk zu nehmen

  14. 4.

    Was die Eulenspiegelei namens "Die Partei" betrifft, werde ich aus ihr nicht schlau.
    Was will sie?
    Amüsieren?
    Falls ja: Wie lange sollen die Leute über denselben alten Witz lachen?
    Und falls sie noch ein anderes Anliegen hat:
    Worin besteht das?
    Nur in der Aussage "Nehmt uns nicht ernst"?

  15. 3.

    Schlimm ist dich eigentlich, dass die Realität die Satire mit nem Affenzahn überholt…
    Wenn man sich die Reden von Sonneborn im Parlament anhört, haben die meist mehr Substanz als die übrigen…
    Die letzten Wahlen hab ich die Partei gewählt, weil die Alternativen teils nur noch gruselig sind.

  16. 2.

    Wahlkampf oder Satire? Die Frage passt aber auch zu manch Parteiveranstaltungen.

  17. 1.

    ....was ist das denn? Ich weiß momentan nicht so genau, wie ich diese Kritik einordnen soll: ist das eine persönliche Abrechnung von Barbara Behrendt mit Martin Sonneborn und Sibylle Berg oder war die Veranstaltung wirklich so schlecht? Ich empfinde ihre Beschreibung stellenweise schon fast in Richtung zynisch, aber vielleicht geht es ja nur mir so? Es liest sich für mich, als wäre jemand sehr wütend über diese Art der Veranstaltung und versucht dieses, auf irgendeine merkwürdige Weise zu beschreiben, finde ich jedenfalls. Wie sehen das denn andere?

    "........in denen er, der clevere Martin, die ach so dumme Bevölkerung veräppelt."

    Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen und für sich sprechen.

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