Jobcenter Frankfurt (Oder) - "Vermittler bin ich vielleicht fünf Prozent - der Rest ist: Schulden, Drogen, Krankheit"

Di 30.04.24 | 18:21 Uhr
Jobcenter der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder)
Audio: Antenne Brandenburg | 23.04.2024 | Dorett Kirmse | Bild: Tony Schönberg/rbb

Sie hören zu, beraten, leisten Hilfe: Vermittler im Jobcenter sind für viele Arbeitslose eine wichtige Bezugsperson. Die Vermittlung einer Arbeitsstelle kann dabei auch zur Nebensache werden.

Rund 2.400 Menschen waren im April in Frankfurt (Oder) arbeitslos gemeldet. Betreut werden sie im ansässigen Jobcenter. Vorrangig ist dabei immer, die Menschen möglichst bald und zielgenau in Arbeit zu bekommen. Doch gerade bei Menschen, die schon länger arbeitslos sind, sind die Probleme oft vielschichtig.

Mehr als 1.000 Frankfurter Langzeitarbeitslose unter 30 Jahren und Migranten betreut ein dreizehnköpfiges Team im Jobcenter der Agentur für Arbeit in Frankfurt (Oder), darunter Arbeitsvermittler Jens Meier*. Einige Klienten - oder wie es im Jobcenter heißt "Bürger" - kennt Meier schon seit vielen Jahren.

Wie den großgewachsenen, drahtigen Mann Mitte 40, den Meier an einem Dienstagvormittag vor sich sitzen hat. Ihn jemals wieder in einen Job zu vermitteln sei fast aussichtslos, sagt Meier. Die Liebe des Mannes gilt alten Funkgeräten und Radios. Er könne sie alle reparieren, wisse aber auch selbst, dass das nicht mehr gebraucht wird. Hinzu kommen gesundheitliche Einschränkungen, Alkohol und psychische Probleme. Am meisten habe der Mann "Angst vor Putins Bomben", wie Meier sagt.

Mehr Gesprächspartner als Vermittler

Jens Meier hört sich alles geduldig an. "Vermittler bin ich vielleicht fünf Prozent", sagt er. "Der Rest ist: Schulden, Drogen, Krankheit oder irgendwelche alltäglichen Probleme". Meier sei für einige auch der einzige Kontakt zur Außenwelt. "Ansonsten gehen viele kaum noch raus", erzählt der Vermittler.

Viele Menschen, die ins Jobcenter kommen, wollen oder müssen sich beruflich umorientieren. Doch es sei immer seltener, dass Leute erfolgreich in neue Jobs vermittelt werden, bedauert Maier. Das bestätigt auch seine Kollegin Elena Baumann*. Die studierte Pädagogin arbeitet seit 2015 im Jobcenter. Der Fokus sei damals gewesen, die Menschen in eine Qualifizierung, Ausbildung oder einen Beruf zu vermitteln, berichtet sie. "Mittlerweile verschiebt sich unsere Arbeit immer mehr in den sozialen Bereich." Baumann spricht von Problemen wie Obdachlosigkeit, Sucht, Schulden oder auch psychischen Erkrankungen. "Der Gedanke oder der Ausblick, jemanden in eine Ausbildung oder Arbeit zu bringen, rückt in den Hintergrund, weil wir erstmal die Problemlage bewerkstelligen müssen."

Trotzdem schätzt Vermittler Jens Meier an seiner Arbeit, dass er nicht gezwungen sei, die Betroffenen in irgendwelche Maßnahmen zu bringen. Stattdessen würden in Gesprächen die nächsten Schritte besprochen und festgelegt. "Hier geht auch keiner raus und wird das Gefühl haben, er muss irgendwas machen, sondern im Normalfall hat er verstanden, was wir wollen, wo wir hinwollen, was er in seiner Situation machen muss, um beruflich wieder Fuß zu fassen. Dieser Zwang ist nicht da", so Meiers Ansicht.

Jobcenter der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder)Jobcenter in Frankfurt (Oder)

Schwerer Stand für Mütter bei Jobsuche

Zwei Büros weiter muss Arbeitsvermittlerin Elena Baumann Tränen trocknen. Vor ihr sitzt eine junge Mutter mit ihrem Kleinkind. Seit zwei Jahren sucht die 21-Jährige nach einem Job oder einer Lehrstelle. "Mein Traum ist tatsächlich, Immobilien-Kauffrau zu sein und für meine Familie zu sorgen", sagt die Suchende. "Ich möchte Geld verdienen und nicht nur auf der Tasche liegen." Doch bislang hat sie auf jede ihrer Bewerbungen eine Absage bekommen. Das lässt sie langsam verzweifeln. "Das liegt eventuell daran, dass ich frische Mutter bin und alleinerziehend. Ich habe echt keine Ahnung." Dann bricht die Frau erneut in Tränen aus.

Arbeitsvermittlerin Elena Baumann* zufolge stellen viele Unternehmen junge Mütter nur selten ein, weil sie befürchten, dass diese oft fehlen. Doch Aufgeben ist für Baumann keine Option, deshalb sucht sie nach Hilfsmöglichkeiten. Sie suche für die Mutter nach Qualifizierungen, "die sie für den Arbeitsmarkt ein bisschen attraktiver machen, die sie ein bisschen aus der Masse hervorstechen lassen", sagt sie.

Welche das sind und wer die anbietet, will Elena Baumann in den nächsten Tagen in Erfahrung bringen und der jungen Mutter beim nächsten Termin vorstellen.

Anmerkung: *Die Namen der Personen wurden auf Wunsch der Interviewpartner geändert.

Sendung: Antenne Brandenburg, 23.04.2024, 15:40 Uhr

Mit Material von Dorett Kirmse

Nächster Artikel