Ein Beitrag zur Debatte von Valerie Schönian - Vereinbarkeit von Beruf und Familie - eine westdeutsche Debatte?
In der DDR arbeiteten Frauen selbstverständlich in Vollzeit, auch mit Kind. Diese Selbstverständlichkeit wirkt bis heute nach und kann vor allem für uns junge ostdeutsche Frauen ein Privileg sein. Wir sind mit dem Besten aus zwei Welten aufgewachsen.
Seite 3 von 3
Gleichberechtigt waren Frauen auch in der DDR nicht
Natürlich, gleichberechtigt waren Frauen auch in der DDR nicht. Denn sie hatten genauso wenig eine Wahl - sie durften nicht nur arbeiten, sie sollten. Meine Oma ist vier Wochen nach der Geburt ihrer Kinder wieder in die Kaufhalle gegangen, auf die Babys aufpassen musste ihre Mutter. Hinzu kommt, dass Frauen so viel arbeiteten wie Männer, sich aber trotzdem mehr um Kind und Haushalt kümmerten. So hatten sie zwei Jobs. Sie haben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelebt, aber eine krasse Doppelbelastung war das trotzdem.
Im Vergleich zu Westdeutschland, hatten sie auf dem Arbeitsmarkt mehr Möglichkeiten, mehr Rechte. Aber sie hatten keine Räume sich zu fragen, ob das genug ist. In der Enge des DDR-Systems, in den Verpflichtungen und in der Mangelgesellschaft, konnte sich kaum emanzipatorisches Denken entfalten. Es wurde nicht großartig gefragt, ob die Frau am Sonntag die Ente braten muss, das war einfach so.
Vielleicht habe ich, als 1990 geborene ostdeutsche Frau, ein ziemliches Privileg
Meine Mutter sagte, als ich sie danach fragte, sie wäre nach meiner Geburt eigentlich gern noch Zuhause geblieben. Mindestens zwei Jahre, wie bei meinem Bruder später. Aber das war finanziell nicht möglich - und vor allem nicht gern gesehen. Der Mann ging ja auch arbeiten.
Diese verordnete Gleichstellung, die da noch aus der DDR nachwirkte, ist auch nichts, was ich mir zurückwünsche. Vielleicht habe ich, als 1990 geborene ostdeutsche Frau, ein ziemliches Privileg. Weil ich zumindest die Chance habe, das Beste aus beiden Systemen mitzunehmen; weil ich mit der Selbstverständlichkeit von arbeitenden Frauen aufgewachsen bin. Wo andere noch daran arbeiten, das, was sie gesellschaftlich wollen, in ihr antrainiertes Denken zu bekommen - da stellt sich für mich die Frage nicht, ob Arbeit und Kinder zusammen funktionieren.
Und gleichzeitig bin ich mit all den Freiheiten aufgewachsen, die uns die Wiedervereinigung brachte. Mit der Freiheit, mich auch gegen das Lebensmodell meiner Mutter und ihrer Mutter entscheiden zu können. Ich habe noch mehr Rechte als meine Mutter und meine Oma. Und gleichzeitig den Raum, mich zu fragen, ob mir das schon genug ist.
Die Autorin
Valerie Schönian ist 1990 in Gardelegen geboren und in Magdeburg aufgewachsen. In Berlin studierte sie Politikwissenschaft und Germanistik, in München absolvierte sie die Deutsche Journalistenschule. Von 2016 bis 2017 betrieb sie das Blog "Valerie und der Priester", wofür sie ein Jahr lang den Kaplan Franziskus von Boeselager begleitete.
Aus den Beobachtungen entstand das Buch "Halleluja: Wie ich versuchte, die katholische Kirche zu verstehen". Heute lebt die Journalistin in Berlin und schreibt als Autorin für das Leipziger Büro der Wochenzeitung "DIE ZEIT".
Hier schreibt sie als Autorin für das Ostfrauen-Projekt von rbb und MDR.