- Burg im Spreewald
Im "Gasthaus Eiche" speist Fontane nicht nur vorzüglich. Er dichtet auch ortstypische "Leberreime".
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band IV "Spreeland":
Endlich erreichen wir diesen Ausgang und fahren in abermaliger scharfer Biegung in einen breiten, aber überall mit Schlangenkraut überwachsenen Flußarm ein, der uns in weniger als einer Stunde nach der »Eiche«, einem mitten im Spreewald gelegenen und von der Frau Schenker in gutem Ansehen erhaltenen Wirtshause, führt. Dasselbe zeigt den echten Spreewaldsstil und unterscheidet sich in nichts von den wendischen Blockhäusern des Dorfes Lehde. Nichtsdestoweniger scheinen statt Sorben oder Wenden eingewanderte Sachsen von Anfang an an dieser Stelle heimisch gewesen zu sein, denn nicht nur, daß die fast allzu germanisch klingenden »Schenkers« in dritter Generation schon in diesem Hause haushalten, auch ein alter, mühsam zu entziffernder Spruch über dem Eingange läßt über den deutschen Ursprung der ganzen Anlage keine Zweifel aufkommen. Der Spruch aber lautet:
Wir bauen oftmals feste
Und sind nur fremde Gäste;
Wo wir sollten ewig sein,
Da bauen wir ja wenig ein
Frau Schenker ist eine freundliche Wirtin und eine stattliche Großmutter; ob deutsch oder wendisch, sie hängt am Spreewald und schreibt der Spree, neben allem sonstigen Guten, auch wirkliche Heil- und Wunderkräfte zu, worüber wir uns in einen scherzhaften Streit mit ihr verwickeln. Inzwischen ist die Tafel gedeckt worden, und wir blicken auf eine reizende Szenerie. Der Tisch mit dem weißen Linnen steht unter einer mächtigen und prächtigen Linde, zwischen uns und dem Fluß aber wölbt sich eine hohe Laube von Pfeifenkraut, vor derem Eingange – wie Puck auf seinem Pilz – Frau Schenkers jüngste Enkelin auf einem Baumstumpf sitzt und, das lachende Gesicht unter dem roten Kopftuch halb verborgen, in Neugier auf die fremden Gäste herüberblickt.
Und nun das Mahl selber! Das wäre kein echtes Spreewaldsmahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Tische stünde.
Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem Schleie,
Der Fisch will trinken, gebt ihm was, daß er vor Durst nicht schreie
Und mit diesem zeitgemäßen Leberreime ging es an die Entpuppung des Korbes, der bereits während der Fahrt mehr als einen interessierten Blick auf sich gezogen hatte. Das erste Glas galt, wie billig, der Wirtin, andere folgten, bis zuletzt die Mahlzeit und die lange Reihe der Toaste mit dem Jubelhymnus abschloß:
Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem Störe,
Es lebe Lehrer Klingestein, der Kantor der Kantöre
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Video: „Die Entdeckung der Heimat - Fontanes Spreeland (4/5)" - gesendet am 18.12.2019. Autoren: Johannes Unger und Franziska Walser