Historische Ansicht des Gamengrunds - Imago/Arkivi
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Historische Ansicht des Gamengrunds | Bild: Imago/Arkivi

- Gamengrund

Im Blumenthaler Forst wandelt Fontane auf den Spuren des Dichters Schmidt von Werneuchen. Dessen Lieblingsort im Wald war der Gamengrund.

»Der Blumenthal« hat seine Romantik. Etwas von dem Zauber Vinetas ist um ihn her ...

Theodor Fontane

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band II „Das Oderland“:

»Der Blumenthal«, das heißt der Blumenthal-Wald, ist der Name eines großen Forstreviers, das den Hohen-Barnim von Westen nach Osten hin durchzieht und durch die von Berlin nach Wriezen führende Straße fast seiner ganzen Länge nach durchschnitten wird.

»Der Blumenthal« hat seine Romantik. Etwas von dem Zauber Vinetas ist um ihn her, und die Sage von untergegangenen Städten, verschwunden in Wasser oder Wald, begleitet den Reisenden auf Schritt und Tritt. Wer um die Mittagsstunde hier vorüberzieht, der hört aus Schlucht und See herauf ein Klingen und Läuten, und wer gar nachts des Weges kommt, wenn der Mond im ersten Viertel steht, der hat über Stille nicht zu klagen, denn seltsame Stimmen, Rufen und Lachen ziehen neben ihm her.

Und ein schöner Wald ist »der Blumenthal«. Die vielen Seen, die ihn durchschneiden, geben, auch wo sie nicht sichtbar werden, seinem Laub eine duftige Frische, und ein Blühen ist ringsum, als woll es der Wald immer wieder beweisen: ich bin »der Blumenthal«!

Rapsfelder an den offenen Stellen, die sich breit in den Wald hineindehnen, würzen im Mai die Luft; dem Blühdorn folgt die Hagerose und dem Faulbaum der Akazienstrauch; die roten Erdbeeren lösen sich ab mit den röteren »Malinekens« (wie der Landmann hier, poetischen Klanges, die Himbeeren nennt), und wenn endlich der Herbst kommt, so lachen die Ebereschenbeeren überall aus dem dunklen Blattwerk hervor. Dabei ein Reichtum an Hölzern, wie ihn märkische Forsten wohl kaum zum zweiten Male zeigen. In reichstem Gemisch stehen alle Arten von Laub- und Nadelholz; Eiche und Edeltanne, Else und Kiefer, Buche und Lärchenbaum machen sich den Rang der Schönheit streitig; vor allem aber ist es die Birke, der Liebling des Waldes, die mit weißem Kleid und langem Haar an dem Auge des Reisenden vorüberfliegt.

Der Blumenthal ist fast zwei Meilen lang und ziemlich ebenso breit. Hier und dort aber, wie schon angedeutet, unterbrechen Ackerstrecken das Revier und dringen von rechts und links her bis an die Chaussee hin vor. Ungefähr in der Mitte des Waldes treffen von Nord und Süd her zwei solcher Einschnitte zusammen und teilen den Forst in zwei ziemlich gleiche Hälften, in eine westliche und östliche oder in eine Werneuchensche und Prötzelsche Hälfte. Die erste ist die landschaftlich schönere, die andere die historisch interessantere.

Der schönste Punkt der westlichen Hälfte ist der Gamen-Grund. Hier war es, wo Schmidt von Werneuchen seine Sommer- und Familienfeste zu feiern liebte. Sein feiner Natursinn bekundete sich auch in der Wahl dieser Stelle. Sie zeigt eine besondere Schönheit, und während sonst der Bau einer Chaussee wenig zum Reiz einer Landschaft beizusteuern pflegt, liegt hier ein Fall vor, wo das Landschaftsbild durch die durchschneidende Weglinie gewonnen hat. Der Chausseebau machte nämlich, wenn überhaupt eine passierbare Straße geschaffen werden sollte, die Überbrückung des Gamen-Grundes nötig, und da die Herstellung eines Dammes als passendstes Mittel erschien, ward ein Viadukt quer durch die Schlucht geführt, der nun das Hüben und Drüben des Hügellandes verbindet. Von der Höhe dieses Viaduktes aus blickt man jetzt nach links hin in die Wassertiefe des Gamen-Sees, nach rechts hin in die Waldestiefe des Gamen-Grundes hinab. Der Vorüberfahrende fühlt sich wie gebannt, und der Eiligste hat es nicht eilig genug, um nicht ein paar Minuten an dieser Stelle zu verweilen. Beide Bilder sind schön, auch einzeln betrachtet; aber das eine steigert noch die Wirkung des andern. Nach links hin Klarheit und Schweigen. Der Gamen-See, wie ein Flußarm, windet sich in leis gespanntem Bogen zwischen den Tannenhügeln hin, und nichts unterbricht die Stille als ein plätschernder Fisch, den die Nachmittagssonne an die Oberfläche treibt. Nach rechts hin Dunkel und Leben. Aus dem Grunde herauf und bis an die Höhe des Dammes, beinahe greifbar für unsere Hände, steigen die ältesten Eichen, und während sich die Stämme in Schatten und Waldesnacht verlieren, blitzt die Sonne über die grünen Kronen hin. Allerhand Schmetterlinge wiegen sich auf und nieder, und die Vögel singen in einer Herzlichkeit, als wäre dies das Tal des Lebens und nie ein Falk oder Weih über den Gamen-Grund dahingezogen. In der Ferne Kuckuckruf. Und ein blauer Himmel über dem Ganzen.

Die Westhälfte des »Blumenthals« ist der landschaftlich schönere Teil, aber die Osthälfte ist reicher an Sage und Geschichte. Wir wandern dieser anderen Hälfte zu. Der Wald hat uns bis an ein Vorwerk begleitet, dessen Stall- und Wirtschaftsgebäude bis hart an die Chaussee treten. Jenseits derselben fängt der Wald wieder an. Dies ist die Stelle, die wir suchen. Der Weg über den Hof hin wird uns auf Ansuchen freundlich gestattet, und hinaustretend in die halb bebauten, halb brachliegenden Felder, halten wir, einige hundert Schritte weiter abwärts, vor einem mit Steinmassen überdeckten Terrain. Dies Steinfeld ist die sogenannte »Stadtstelle«. Hier stand vor 500 Jahren das Städtchen Blumenthal, das seitdem dem ganzen Walde den Namen gegeben hat.

 

Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Hans Hildebrandt (Produktion des Berliner Rundfunk 1991)