- Neuhardenberg
Die Umbenennung von "Quilitz" in "Neu-Hardenberg" ist noch frisch, als Fontane das Schloss besucht. Er bewundert hier frühe Bauten von Karl Friedrich Schinkel.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band II "Das Oderland":
Aus diesen Jahren, wo von Prittwitz der Jüngere die Herrschaft innehatte, wissen wir wenig über Quilitz zu berichten, es sei denn, daß von 1801 bis1803 der damals zwanzigjährige Schinkel hier seine ersten architektonischen Versuche machte. Er begann mit dem Kleinsten, und zwar mit zwei Wirtschaftsgebäuden, von denen das eine auf dem Vorwerk Stuthof, das andere auf dem Vorwerk Bärwinkel errichtet wurde – zwei Ortsnamen, die fast noch weniger wie die Aufgabe selbst imstande waren, seinen Genius zu beflügeln. Aber dieser war eben da und bewies sich im Kleinen, wie er sich später im Großen bewies. Wenn an diesen frühesten Bauten Schinkels – nur ein Gartensaal im Flemmingschen Schloß zu Buckow ist noch älter – etwas zu tadeln ist, so ist es das, daß der Genius des jungen Baumeisters, der Zug nach idealeren Formen sich hier an der unrechten Stelle zeigt. Diese Wirtschaftsgebäude machen etwa den Eindruck, wie wenn ein junger Poet einen wohlstilisierten und bilderreichen Brief an seine Wirtsfrau oder deren Tochter schreibt. Der Stil, die Sprache sind an und für sich tadellos, nur die Gelegenheit für den poetischen Ausdruck ist schlecht gewählt; Gemeinplätze wären besser. Schinkel selbst, der in späteren Jahren mit so besonderem Nachdruck der Anlehnung an das Bedürfnis das Wort redete, würde diese, einer höheren Form huldigenden Wirtschaftsgebäude, speziell das auf dem Vorwerk Bärwinkel, zwar mit Interesse, aber sicherlich auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indessen, wie jugendlich immer: ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies hervortritt, um so auffallender ist es, daß eine Zuschrift an Herrn von Wolzogen, den Herausgeber der Schinkelschen Briefe, gerade dieses interessante, aus Raseneisenstein und Eisenschlacken errichtete Wirtschaftsgebäude dem Zimmermeister Tietz in Friedland und dem Maurermeister Neubarth in Wriezen hat zusprechen wollen. Herr von Wolzogen hält dieser Zuschrift gegenüber seine ursprüngliche, auf einen Ausspruch Waagens gestützte Ansicht zwar aufrecht, aber doch mit einer gewissen Unsicherheit, die, wir zweifeln nicht daran, beim Anblick des Gebäudes selbst sofort der festen Überzeugung Platz machen würde: dies ist von Schinkel und von niemand andrem. Es ist sehr die Frage, ob die architektonischen Kräfte zweier kleiner Städte selbst in unsern Tagen, nachdem Schinkel eine Schule herangebildet hat, fähig sein würden, einen so originellen, alle Schablone vielleicht nur allzusehr verleugnenden Bau aufzuführen, damals aber (1803) vermochten es die vereinten Baukräfte von Friedland und Wriezen sicherlich nicht. Ich neige mich sogar der Ansicht zu, daß die Verwendung von Schlacke und Raseneisenstein, eines Materials, das hierlandes nie als Baumaterial verwendet worden ist, dort aber zufällig zur Hand war, allein schon als Beweis dafür dienen darf, daß der Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in dieser genialen Benutzung des zufällig Gebotenen war er ja so hervorragend. Das Ganze (ein Molkenhaus) hat die Form einer Basilika: ein Hochschiff und zwei niedrige Seitenschiffe. Wenn aber eine Basilika die prachtvolle breite Giebelwand nach vorne stellt und dieselbe als Portal benutzt, so hat Schinkel bei diesem Bau das umgekehrte Arrangement getroffen. Er hat den breiten Frontgiebel als Hintergrund und die Apsis nach vorne genommen, die nun als Eingang dient. Und wie vieles auch sich gegen ein Basilika-Molkenhaus sagen lassen mag, darüber kann für mich kein Zweifel sein, daß Friedland-Wriezen damals solchen Einfalles nicht fähig war.
Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Gert Westphal (Produktion des SWR 1982-1985)