Bahnhofsgebäude in Trebbin- dpa/Sascha Steinach
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Bahnhofsgebäude in Trebbin | Bild: dpa/Sascha Steinach

- Trebbin

An Trebbin beißt sich Fontane die Zähne aus: "Menschen, Häuser, Kirche, sie gaben nichts heraus!" - weder Schönheiten, noch Informationen über die verschollenen Nutheburgen.

Überall bot sich dasselbe Bild: die Kirche so trist wie die Stadt und die Stadt so trist wie die Kirche

Theodor Fontane

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band IV "Spreeland":

Ich passierte die Straßen, und überall bot sich dasselbe Bild: die Kirche so trist wie die Stadt und die Stadt so trist wie die Kirche. Hier und dort spreizte sich eine Toilette, das einzige, woran sich die Nähe der Hauptstadt erkennen ließ; aber dieser Flitter ließ die Stadt nur um so farbloser und die farblose Stadt hinwiederum den Flitter nur um so prahlerischer erscheinen.

Menschen, Häuser, Kirche, sie gaben nichts heraus!

Und doch eine Stelle hat auch der stillste, der verschwiegenste Ort, wo er zu dem Fremden sprechen muß, und erst wenn auch hier alles schweigt, darf man mit einiger Gewißheit vom Tode der Lebendigen sprechen.

Ich ging also hinaus. Links vorm Tore dehnt sich der Friedhof, ein ummauertes Feld. Es war ein Begräbnisplatz vor fünfzig Jahren und länger; dann gab man ihn auf, ließ die Stätte brachliegen und die Hügel verfallen. Endlich, als alles ein Grasplatz geworden, zog ein neues Geschlecht hier wieder ein. So ist der Friedhof ein ganz alter und ein ganz neuer. Der Interimsfriedhof liegt an anderer Stelle.

Nachmittagssonnenschein flimmerte um die Gräber. Auf den frisch aufgeschütteten Hügeln lagen halbverwelkte Kränze, die Blumen, die vorherrschten, waren Schwertlilien, und Akazienduft von umherstehenden Bäumen zog drüber hin. Das war anheimelnd genug. Aber nüchtern lagen die Steine, deutungslos standen die Kreuze; Nam an Name, Spruch an Spruch, nichts, was zu Herzen ging oder die Phantasie bewegte. Tot die Gräber wie drinnen die Häuser.

Und so wandt ich mich denn unwirsch in die Stadt zurück, um es drinnen unter den Menschen noch einmal zu versuchen.

Aber wohin? Man wies mir einen Metzgerladen, »dort geb es den besten Kaffee«. Wohlan; ich akzeptierte. Wenn man gar nichts mehr anzufangen weiß, ist das Klappern mit der Tasse noch immer das geratenste.

Des ersten Eindrucks wurd ich nicht froh. An der Ladentüre links und rechts blitzten die herkömmlichen zwei Messinghaken, und an einem dieser Haken hing ein Hammel. Ich setzte mich auf eine nebenstehende Bank und bestellte, was mir als »Spezialität« gerühmt worden war. Unter einer schattengebenden Pappel stand all die Zeit über der wohlwollend und distinguiert dreinschauende Besitzer von Haus und Hof, in dem sich mehr und mehr ein gewisses Unterhaltungsbedürfnis zu regen schien. Auch in mir. Aber ich konnte nicht über die Frage weg, ob ich ihn Wirt oder Meister anreden solle. Zu meinem Glücke wußt ich damals noch nichts von seiner »Majorsschaft«, ich wäre sonst in der Etiquettenfrage steckengeblieben. Endlich entschied ich mich für Wirt.

»Eine schöne reine Luft, Herr Wirt.«

Dies war nun eigentlich nicht der Fall, denn der Hammel hing viel zu nah, als daß ich wahrheitsgemäß eine solche Versicherung abgeben durfte. Der Angeredete jedoch schien es aufrichtig zu nehmen und konnt es auch vom unverwöhnten Standpunkte seines Metiers aus. Er erwiderte mir deshalb freundlich: Dies war nun eigentlich nicht der Fall, denn der Hammel hing viel zu nah, als daß ich wahrheitsgemäß eine solche Versicherung abgeben durfte. Der Angeredete jedoch schien es aufrichtig zu nehmen und konnt' es auch vom unverwöhnten Standpunkte seines Metiers aus. Er erwiderte mir deshalb freundlich:

»Eine schöne, reine Luft. Trebbin hat eine gute Luft.«

Dieser Lokalpatriotismus, was sich auch gegen das Tatsächliche sagen lassen mochte, tat mir wohl und zwar um so wohler, als ich in betreff der wenigstens damals noch auf meinem Programme stehenden »Nutheburgen« allerlei Hoffnung an einen so lokalpatriotischen Ausspruch knüpfte. ›Das ist dein Mann‹, dacht' ich. Und wirklich, was in Saarmund mißglückt war, hier konnt' es gelingen. Ich fuhr also fort:

»Sie haben ja wohl eine alte Burg hier? Burg Trebbin. Die vierte der Nutheburgen.«

»Nicht daß ich wüßte. Das muß vor meiner Zeit gewesen sein.«

»Gewiß. Siebenhundert Jahre... Und kein Burgwall? kein unterirdischer Gang? Keine Stelle, die hohl klingt?«

»Nicht daß ich wüßte. Mit Ausnahme der Schützengilde von 1577...«

»Und kein Denkmal? keine Mumie?«

»Nicht daß ich wüßte. Mit Ausnahme der ...«

Es wurde mir immer klarer, auf was er mit endlich doch siegreicher Beharrlichkeit hinaus wollte. Ich ließ also den Strom seiner Rede fließen und warf erst ganz zuletzt und anscheinend ohne Zusammenhang die Frage dazwischen, »ob er jemals von dem Maler Wilhelm Hensel oder doch von dessen Vater dem alten Pastor Hensel gehört habe?«

Ein Kopfschütteln war die Antwort und nur mit Mühe wurde festgestellt, daß der alte Pastor Hensel höchst wahrscheinlich schon vor seiner, des Wirts und Meisters Geburt verzogen sein müsse, eine Sache, betreffs deren ich nie den geringsten Zweifel unterhalten hatte.

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Audio: Ausschnitt aus "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" gelesen von Gert Westphal (Produktion des SWR 1982-1985)